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Es müssen mehrere Steine gewesen sein, die unserem ABDA-Präsidenten am Donnerstag vom Herzen gefallen sind: Vollkommen erleichtert tritt er vor die ABDA-Kamera und verkündet das einstimmig verabschiedete Eckpunktepapier, das uns in die nächsten Jahre retten soll. Ein starkes Nein zu den Spahnschen Boni, ein striktes Boni-Verbot für alle, das isses. Basta. Plus mehr Honorar für Nachtdienst, Dokupflichten und – endlich – bezahlte Dienstleistungen. So könnte es gefallen. Jetzt muss es nur noch die Politik abnicken und in Gesetzesform gießen. So könnten Kompromisse aussehen.
14. Januar 2019
Auch in gesundheitspolitischen Kreisen zeichnet sich ab: Spahns Plan wird kritisch beäugt, man sieht die Macken und die Knackpunkte, die in diesem Paket stecken. Deutlich ablehnend hat sich die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag dazu in einer aktuellen Pressemitteilung geäußert. Sie sieht eine Existenzbedrohung für unsere Vor-Ort-Apotheken und hält daran fest, dass das Rx-Versandverbot „kommen muss“, alles andere wird abgelehnt. Dass auch schon mal in der CSU-Fraktion die Frage gestellt wurde, ob das Ding mit dem Rx-Versandverbot überhaupt noch machbar ist und in die Zeit passt, davon ist keine Rede, im Gegenteil: „Die CSU hat sich immer klar für das Versandhandelsverbot positioniert und tut dies weiterhin.“. Mein liebes Tagebuch, das liest sich auf alle Fälle gut, besser als alles andere.
15. Januar 2019
Eine gemeinsame Vergangenheit schwappt immer wieder hoch, die kann man nicht ausradieren: Jens Spahn und Max Müller von DocMorris. Die beiden waren zusammen mit Spahns ehemaligem Büroleiter Markus Jasper an der Agentur Politas, die vor allem Pharmaunternehmen beriet, beteiligt. In den letzten Monaten war es zwar recht ruhig darum geworden, gab ja auch keinen Anlass und keine unmittelbaren Verquickungen. Aber jetzt, mit dem Spahn-Paket, bekommt so etwas Gemeinsames doch eine andere Geschmacksnote. Wenn Spahn den ausländischen Versendern die Erlaubnis gesetzlich verbriefen will, Boni zu gewähren und von einem Rx-Versandverbot so gar nichts wissen will, drängt sich dem einen oder anderen doch mal der Gedanke auf, ob da nicht irgendwie alte Freundschaften mitspielen könnten – die vielleicht ein klitzekleinbisschen befangen machen. Apotheker Uwe Hansmann hat sich das auch gefragt und mal die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), angeschrieben, wie sie denn das sieht. Hansmann spricht in seinem Brief von einer „unsäglichen Verknüpfung persönlicher Interessen zwischen Jens Spahn und dem Vorstand einer großen, aus Holland agierenden Versandapotheke mit Finanzsitz in der Schweiz und Aktiensponsoring aus Wüstenstaaten“. Maag aber stellt sich hinter den Bundesgesundheitsminister, sie weist den Vorwurf, „dass es sich bei seinen Eckpunkten um eine Verknüpfung persönlicher Interessen handele“, zurück. Mein liebes Tagebuch, das lassen wir dann mal so stehen. Allein, warum poppen dann bei mir so Gedanken an alte Freundschaftslieder auf? Etwa „Count on me“ oder "Friends never say goodbye“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“… Wir werden doch nicht sentimental?
16. Januar 2019
Man liebes Tagebuch, da ziehen wir uns mal unsere Kuschelsocken an und klagen auf Inländerdiskriminierung, weil wir uns wegen der Rx-Preisbindung, die nur für uns Inländer gilt, diskriminiert fühlen. Ja, zwei Apothekerinnen aus dem Kreis Coesfeld wollen ihre Gutscheine für ein Paar Kuschelsocken oder eine Rolle Geschenkpapier unbedingt durchboxen, na klar, mein liebes Tagebuch, als Apothekenkunde erwarte ich doch schließlich so tolle Geschenke. Wo soll ich sonst Kuschelsocken, die sicher auch heilungsfördernd sind, herbekommen. Doch die Gerichte spielten bisher nicht mit und sahen in dem Sockengeschenk einen Verstoß gegen die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln – die Apothekerinnen kassierten eine Niederlage nach der andern. Doch sie sind wohl von ihren Socken überzeugt und lassen nicht locker und gehen von Instanz zu Instanz. Und so landet der Fall nun vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das hier eine grundsätzliche Bedeutung sieht – also nicht in den Kuschelsocken, es soll vielmehr endlich mal geklärt werden, ob unsere Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils mit dem Grundgesetzartikel zur Inländerdiskriminierung tatsächlich unvereinbar ist. Mein liebes Tagebuch, da kann was auf uns zukommen, lasst uns schon mal unsere Kuschelsocken anziehen.
17. Januar 2019
DER Donnerstag des Jahres, mein liebes Tagebuch: Die ABDA-Mitgliederversammlung muss entscheiden, wie sie mit dem Spahn-Paket umgehen will, diesem unsäglichen und unmoralischen Angebot, das Vernünftiges wie Dienstleistungshonorare und mehr Geld für den Nachtdienst mit Unannehmbaren wie einer gesetzlichen Boni-Erlaubnis für ausländische Versender verknüpft. Hat die ABDA die Traute und lehnt selbstbewusst ab, macht sie Gegenvorschläge und versucht zu verhandeln oder knickt sie gar ein? Nein, mein liebes Tagebuch, so viel zeichnete sich schon im Vorfeld ab: Klein beigeben kommt nicht in Frage, auch wenn die Euro locken. Aus den Kammerversammlungen hörte man, dass man einem solchen Paket unmöglich zustimmen könne, jedenfalls nicht in dieser Version. Zum Beispiel die Berliner Apothekerkammer: Sie lehnte wie auch viele andere Kammern einstimmig ab, Rx-Boni der ausländischen Versender bei 2,50 Euro zu deckeln und diese Regelung ins Sozialgesetzbuch zu übernehmen. Boni haben in einem Sozialstaat „nichts zu suchen", meinte der Berliner Kammerpräsident Belgardt, denn durch Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel würden Versichertengelder privatisiert.
Ja, und dann kam der Donnerstag, die lange ABDA-Sitzung. Das Ergebnis liest sich so klar wie vernünftig und einstimmig: Die ABDA-Mitgliederversammlung lehnt den Spahn-Plan ab, zumindest in Teilen. Also, ein eindeutiges Nein zu den Rx-Boni und der 5-Prozent-Marktanteil-Grenze für ausländische Versender. Man formulierte sogar spontan einen Gegenvorschlag – endlich –, nämlich ein striktes Rx-Boni-Verbot mit Sanktionsmöglichkeiten. Mit diesem eigenen Reformplan, mit dem man die Gleichpreisigkeit erhalten will, wird man nun offensiv auf die Politik zu gehen. Die weiteren Eckpunkte des ABDA-Papiers lehnen sich dagegen weitgehend an das Spahn-Paket an. So spricht man sich zum Beispiel dafür aus, pharmazeutische Dienstleistungen zu fördern und zu honorieren, die freie Apothekenwahl zu erhalten, den Nacht- und Notdienst aufzustocken und die Dokumentationsgebühr bei BtM und anderen Arzneimitteln zu erhöhen. Und die Apotheker sollen bei der Einrichtung digitaler Strukturen (E-Rezept) zwingend mitgestalten dürfen. Für die Patienten soll auch mit E-Rezepten die freie Apothekenwahl erhalten bleiben. So, mein liebes Tagebuch, was man lange vermisste, nämlich einen selbstbewussten Katalog über unsere Forderungen, die wir stellen: Jetzt liegt er endlich, endlich auf dem Tisch. Wurde auch Zeit. Manchmal braucht es sichtlich den Druck der letzten Minute. Die einzelnen Punkte sollen laut ABDA-Präsident in den kommenden Wochen nun ausformuliert werden. Und was ist, wenn Spahn da nicht mitzieht und seinen Boni-Deckel umsetzen will? Dann wird unsere altbekannte Forderung wieder aufgewärmt: Rx-Arzneimittel sollen vom Versandhandel ausgeschlossen werden.
Und was sagt Spahn zum ABDA-Eckpunktepapier? Passt so. Er kann sein Gesicht wahren, denn er interpretiert das so, dass die Apothekers mit diesem Forderungskatalog nicht am Rx-Versandverbot festhalten wollen. Spahn: „Mit diesem Beschluss ist auch aus Sicht der Apotheker ein Verbot des Versandhandels nicht zwingend zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung erforderlich. Das ist ein wichtiger Schritt.“ Jetzt will er die Vorschläge in Ruhe prüfen. Mein liebes Tagebuch, das möge er mal mit Besonnenheit tun. Dass die Apotheker das Rx-Versandverbot wieder auf den Tisch legen wollen, sollte er das Boni-Verbot nicht akzeptieren, hat er geflissentlich ignoriert. Aber er bekommt Druck aus den eigenen Reihen: Mehrere Unionspolitiker haben nämlich ebenfalls Widerstand gegen seinen Boni-Deckel angekündigt.
18. Januar 2019
Da freut er sich, unser Präsident, man merkt’s ihm an. Es sieht fast wie ein Befreiungsschlag aus. In einer Videobotschaft strahlt er über alle Backen, dass sich die Mitgliederversammlung einstimmig zum erarbeiteten Eckpunktepapier bekennt. Vor allem mit dem strikten Boni-Verbot gegenüber GKV- und PKV-Versicherten, mit der Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung ins Sozialrecht werde die Wiederherstellung der Rx-Preisbindung auch im grenzüberschreitenden Arzneimittelversand erreicht. Also, was Spahn mit seinem Vorschlag nicht schaffte, gelingt der ABDA mit ihrem Vorschlag. Genial, oder? Ja, mein liebes Tagebuch, das klingt gut, richtig gut. Dass man da nicht früher darauf gekommen ist! Dazu kommt noch der zweite „wichtige Komplex“ des ABDA-Papiers, nämlich die Vorschläge zu den pharmazeutischen Dienstleistungen. Jetzt muss nur die Politik Ja dazu sagen und alles ist paletti, so einfach ist das. Mein liebes Tagebuch, schön wär’s, wenn es so einfach wäre.
Schon einen Tag nach dem denkwürdigen Donnerstag haben sich die Gesundheitsexperten des Bundestages mit dem ABDA-Papier befasst. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar begrüßt das Papier und sieht darin sogar Ähnlichkeiten zu SPD-Vorschlägen von vor zwei Jahren. Die Grünen dagegen stänkern. Kordula Schulz-Asche sieht das größte Problem nämlich nicht im Versandhandel, sondern im „starren und einheitlichen Vergütungssystem“ der Apotheker. Es sorge dafür, dass bei kleinen Apotheken zu wenig Geld ankomme. Außerdem glaubt sie, der heilberufliche Aspekt des Apothekers komme zu kurz und sie holt wieder das Honorargutachten hervor. Ach ja, mein liebes Tagebuch, die Grünen und die Apotheker, so richtig wird das nichts.
Und natürlich haben sich auch die Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion mit dem ABDA-Gegenvorschlag zum Spahn-Paket beschäftigt. Dem Vernehmen nach sollen sie ihrem Gesundheitsminister klar gemacht haben, dass auch sie gegen gesetzlich etablierte Rx-Boni für ausländische Versender sind. Die Kritik steckte Spahn stillschweigend ein. Für ihn steht im Vordergrund: Die Apotheker sind vom Rx-Versandverbot abgerückt, das zählt für ihn. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, erklärte bereits öffentlich gegenüber DAZ.online, sie könne mit dem Boni-Verbot leben. Jetzt sei aber die ABDA in der Pflicht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Mein liebes Tagebuch, das will heißen: Gut ist noch gar nichts. Denn Gesetze werden im Bundestag gemacht und bis unsere Apotheker-Forderungen aus dem Eckpunktepapier in einen Referenten- und Gesetzentwurf gegossen sind, braucht’ s noch ein bisschen Fleiß, Arbeit und Überzeugungskraft der ABDA. Maag geht davon aus, dass die ABDA-Forderungen wohl nicht mehr ans bevorstehende Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) angehängt werden könnten, die Zeit dafür sei zu knapp. Realistischer sei es, das Apotheken-Paket mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“ zu regeln, das voraussichtlich im März ins Bundeskabinett kommen soll. Mein liebes Tagebuch, wie auch immer – jetzt wird’s ernst.
7 Kommentare
Hetze
von Karl Friedrich Müller am 21.01.2019 um 6:54 Uhr
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Killing me softly ...
von Reinhard Herzog am 20.01.2019 um 14:55 Uhr
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Warum bei uns nix läuft und wir alles vergessen können
von Karl Friedrich Müller am 20.01.2019 um 13:52 Uhr
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Was bleibt?
von Christian Giese am 20.01.2019 um 9:58 Uhr
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Der nächste Zug ... welches Boni-Surrogat kommt jetzt zum Versand?
von Christian Timme am 20.01.2019 um 9:38 Uhr
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Kuschelsocken vor dem Verwaltungsgericht
von Ulrich Ströh am 20.01.2019 um 9:07 Uhr
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Manchmal braucht es nicht nur den Druck der letzten Minute -
von Gunnar Müller, Detmold am 20.01.2019 um 8:25 Uhr
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