ABDA-Stellungnahme zum TSVG

Vorbestellung von Grippeimpfstoffen: Risiko müssen Krankenkassen tragen

Stuttgart / Berlin - 17.01.2019, 10:15 Uhr

Die ABDA ist mit der pauschalen Vergütung der Apotheken mit einem Euro pro Impfdosis nicht einverstanden. (Foto: Külker / DAZ.online)

Die ABDA ist mit der pauschalen Vergütung der Apotheken mit einem Euro pro Impfdosis nicht einverstanden. (Foto: Külker / DAZ.online)


Grippeimpfstoffrezepte im Sprechstundenbedarf sollen ein Jahr gelten und die Krankenkassen müssten das Risiko eines unerwarteten Rückgangs bei Influenzavakzinen tragen – unter anderem dies fordert die ABDA in ihrer Stellungnahme zum TSVG. Auch mit der pauschalen Vergütung der Apotheker mit einem Euro pro Impfdosis ist die Standesvertretung nicht einverstanden. Sie sieht die flächendeckende Versorgung mit Impfstoffen in Gefahr.

Die ABDA sieht bei der derzeit angedachte Impfstoffregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) „erheblichen Änderungsbedarf“ – und das sowohl beim Anwendungsbereich und der Preisbildung von Impfstoffen, als auch den Fristen für die Preisstellung und Bestellung der Grippeimpfstoffe.

Zur Erinnerung: Das TSVG plant mehrere Änderungen bei Vakzinen. So sollen für die Preisbildung künftig nicht – wie seither – Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien als Referenzstaaten dienen, sondern der gesamte europäische Wirtschaftsraum (EWR). Dieser umfasst neben den Mitgliedstaaten der EU auch Island, Norwegen und die Schweiz. Zusätzlich sollen Impfstoffhersteller weitere Zwangsrabatte gewähren, und zwar 10 Prozent auf Influenzavakzine und 5 Prozent auf alle übrigen Impfstoffe. Auch Apotheker werden laut Gesetzentwurf das TSVG zu spüren bekommen: In den ergänzenden Verträgen zwischen Kassen und Apothekerverbänden auf Landesebene (§ 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V) über die Impfstoffversorgung ist künftig zu vereinbaren, dass die Apotheken nicht mehr als den Apothekeneinkaufspreis zuzüglich einer Apothekenvergütung von einem Euro je Einzeldosis sowie die Umsatzsteuer erstattet bekommen.

Auch wenn die ABDA „das grundsätzliche Anliegen des Gesetzentwurfs, eine qualitativ gute und gut erreichbare Versorgung aller Patienten in Deutschland zu sichern“ begrüßt, verdeutlicht die Apotheker-Standesvertretung in ihrer am 15. Januar veröffentlichten Stellungnahme, dass das TSVG durchaus nachbesserungsbedürftig ist.

Regelungsbedarf besteht nur bei Grippeimpfstoffen

Die ABDA kritisiert als erstes, dass sich die im TSVG vorgeschlagenen Änderungen zu Impfstoffen auf „sämtliche Impfstoffe“ beziehen. In den Augen der Apotheker-Standesvertretung sind aber nur „saisonale Impfstoffe“ hinsichtlich Engpässen regelungsbedürftig. Ihr Argument: „Grippeimpfstoffe werden spezifisch für die jeweilige ‚Impfsaison‘ hergestellt und stellen damit an die Organisation der Versorgung besondere Herausforderungen“.


Wir regen deshalb dringend an, die neuen Regelungen auf saisonale Impfstoffe zu begrenzen und Einzelverordnungen von Impfstoffen von diesen Regelungen auszunehmen.“

ABDA-Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG)


Im Gegensatz zu Influenzavakzinen sei bei allen anderen Vakzinen „die Versorgung mit Impfstoffen sowohl in Bezug auf das Verfahren als auch in Bezug auf die Preisbildung friktionsfrei geregelt“. Somit sieht die ABDA hier auch keine Notwendigkeit, in dieses „bewährte System“ einzugreifen.

TSVG unterscheidet nicht zwischen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnung

Nicht gelungen findet die ABDA die TSVG-Regelungen bei Impfstoffen außerdem auch auf Empfängerebene: Die derzeitige Formulierung differenziere nicht zwischen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen. Auch hier sollte das TSVG nach Ansicht der ABDA noch präzisiert werden.

Keine pauschale Vergütung mit einem Euro bei Impfstoffen

Auch an der Grundlage der Preisbildung, die das TSVG vorsieht, stört sich die Standesvertretung der Apotheker. Sie fürchtet eine „überbordende Bürokratie“ und sieht die „umfassende und flächendeckende Versorgung“ in Gefahr. Das Gesetz schlägt vor, dass Einkaufsvorteile der Apotheken direkt an die Krankenkassen weitergeleitet werden. Die ABDA sieht kommen, dass „Krankenkassen im Einzelfall Nachweise über die Einkaufskonditionen“ fordern werden, zumal es unmöglich sei, die jeweiligen Einkaufskonditionen unterschiedlicher Höhe bestimmten Packungen und damit Krankenkassen zuzuordnen. Die Idee des Gesetzgebers hinter der pauschalen Vergütung ist, Apotheken den finanziellen Anreiz zu nehmen, Preisverhandlungen mit den Herstellern zu führen. Warum auch noch? Die ausgehandelten Rabatte müssten sie an die Krankenkassen weiterreichen.

Nach Ansicht der ABDA fördert aber dieses geplante neue System – das nebenbei auch die Gleichpreisigkeit bei Impfstoffen aufgebe – „die Konzentration des Bezugs von Impfstoffen auf wenige Apotheken und schwächt damit die flächendeckende Versorgung“. Die Versorgungslandschaft dünne aus, was auf längere Sicht auch wirtschaftlich die falsche Richtung sei, liest man in der Stellungnahme der ABDA. Was schlägt die ABDA also vor?

Arzneimittelpreisverordnung auch bei Impfstoffen

„Wir schlagen deshalb vor, den Apothekeneinkaufspreis, wie er sich aus den Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung ergibt, als Grundlage für die Preisberechnung vorzusehen, so dass sich der Apothekenabgabepreis aus diesem Apothekeneinkaufspreis zuzüglich der Apothekenvergütung ergibt.“

Risiko eines unerwarteten Impfrückgangs müssen Krankenkassen tragen

Die ABDA hat sich auch Gedanken gemacht über Bestellfristen der Ärzte und der Apotheken. So ist aktueller Stand der Dinge, dass Grippeimpfstoffe bislang in Hühnereiern produziert werden müssen, auch wenn ein Hersteller, Seqirus, am 12. Dezember 2018 nun die EU-Zulassung für seinen zellbasierten Grippeimpfstoff Flucelvax erhielt. Diese Hühnereiproduktionen müssen jedoch langfristig von den Herstellern geplant werden, GlaxoSmithKline (GSK), der Hersteller von Influsplit Tetra, ordert die benötigten Hühnereier rund 18 Monate vor Beginn der Grippesaison.

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Sollen Apotheken jetzt schon Grippeimpfstoff bestellen?

Wie wichtig Planungssicherheit für pharmazeutische Unternehmer ist, das betont auch die ABDA. So müssten die Hersteller „in der Regel bis Ende März eine verbindliche Aussage über die Menge der im Herbst benötigten Impfstoffe“ haben. In der Konsequenz müssten jedoch aber auch die Apotheken zu diesem Zeitpunkt in die Lage versetzt werden, „verbindliche Bestellungen in Form von Verordnungen für den Sprechstundenbedarf der Ärzte entgegen zu nehmen und die Ärzte diese Bestellungen auch verbindlich vornehmen.“ So könnten Lieferengpässe vermieden werden.

Die ABDA will auch die Ärzteschaft nicht unnötig Regressrisiken aussetzen. Bestellten die Ärzte verbindlich in der Apotheke, müssten sie hierfür eine Prognose über die Menge der benötigten Impfstoffe treffen. Das Risiko eines unerwarteten Rückgangs der Impfungen sei von den Krankenkassen, nicht von der Ärzteschaft, zu tragen. Die ABDA findet:


Das Risiko eines unerwarteten Rückgangs der Impfungen ist von den Krankenkassen, nicht von der Ärzteschaft, zu tragen.

ABDA-Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG)


Grippeimpfstoffrezepte im SSB sollen ein Jahr gelten

Zudem: Laut Arzneimittelverschreibungsverordnung gilt für ärztliche Verordnungen eine Gültigkeitsdauer von drei Monaten, sofern der Arzt keine abweichende Gültigkeitsdauer auf dem Verordnungsblatt angibt. „Dieser Zeitraum ist für den Bereich der Verordnung von Grippeimpfstoff für den Sprechstundenbedarf auf ein Jahr auszudehnen, damit die im Februar ausgestellten Verordnungen im folgenden Herbst und Winter beliefert werden dürfen“, fordert die ABDA.

Auch die pharmazeutischen Unternehmer will die ABDA in die Pflicht nehmen: Sie sollen künftig den Abgabepreis für Grippeimpfstoffe spätestens bis zum 1. Februar des laufenden Jahres bekannt geben. 

Die ABDA schlägt außerdem vor, den „Verbänden der Krankenkassen vorzugeben, in Verträgen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und in den Verträgen mit den Landesapothekerverbänden nach § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V Maßnahmen zur Sicherstellung einer rechtzeitigen und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten mit Grippeimpfstoffen zu vereinbaren.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

vollkommen realtitätsfremd

von Gunter Ullmann am 17.01.2019 um 11:50 Uhr

"...."KÜNFTIG zu vereinbaren... dass die Apotheken nicht mehr als den Apothekeneinkaufspreis zuzüglich einer Apothekenvergütung von einem Euro je Einzeldosis sowie die Umsatzsteuer erstattet bekommen."
Wieso Künftig? Beim Praxisbedarf ist das jetzt schon so.
Ich hatte vor ein paar Tagen das zweifelhafte Vergnügen, 220 Dosen Priorix Tetra an eine Praxis zu liefern. VK icl MwSt etwa 22.000€. Daraus MwSt ca 3500€ . Mein "Gewinn": genau 220€, also 1 € pro Dosis.
Das ist für den Betrag richtig lächerlich und unterbezahlt.
Eine Schande. 1% Spanne!
und dafür sollen wir noch den KK die Arbeit abnehmen und Rabatte verhandeln? (In dem Fall gab es gar nichts!)
Auf welchem Planeten leben eigentlich Politik und Krankenkassen?
es ist zu fordern, dass wir auch hier mal mindestens wie bei anderen AM vergütet werden, eher mehr.

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