Rottmann (Grüne) wirft Spahn „Konzeptlosigkeit“ bei Apotheken vor

Die Grünen-Politikerin Manuela Rottmann ist erstmals nach der Bundestagswahl 2017 ins Parlament eingezogen. Sie kommt aus einem Wahlkreis, der auch für die Apotheker ein besonderer ist. Denn aus dem Wahlkreis rund um das unterfränkische Bad Kissingen kommen zwei weitere prominente Politikerinnen, die für die Apotheker wichtig sind: Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar und die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), die die Apotheker kürzlich als „Besitzstandswahrer“ bezeichnete, weil sie sich für das Rx-Versandverbot einsetzten.

Und auch Rottmann ist der Apothekensektor nicht fremd: Die Juristin war zwischen 2006 und 2012 in Frankfurt am Main Dezernentin für Umwelt und Gesundheit. Während des Wahlkampfes zur Bundestagswahl hatte sie auf ihrer Internetseite ein ausführliches gesundheitspolitisches Programm vorgestellt. Viele Beobachter rechneten daher damit, dass die Grünen-Politikerin in den Gesundheitsausschuss kommt, letztlich landete sie aber im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Ihr Interesse am Apothekenmarkt ist dadurch nicht gemindert: Im vergangenen Jahr besuchte sie beispielsweise eine Landapotheke in ihrem Wahlkreis und forderte anschließend eine Umstrukturierung des Apothekenhonorars.

Rottmann hinterfragt juristische Machbarkeit des Spahn-Plans

Und auch das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apotheken-Paket hat Rottmann aufmerksam gelesen. In der vergangenen Woche gab sie dann eine schriftliche Frage an die Bundesregierung zu Protokoll, die sich mit der von Spahn geplanten Marktanteil-Grenze für EU-Versender beschäftigt. Zur Erinnerung: Neben der gesetzlichen Fixierung eines Boni-Deckels will Spahn ab einem Marktanteil von 5 Prozent der EU-Versender die Höhe der Rx-Rabatte evaluieren und gegebenenfalls eine Absenkung vornehmen. Viele Experten sehen diese Obergrenze kritisch: Der Gesundheitsrechtsexperte Morton Douglas hatte beispielsweise erklärt, dass sie verfassungswidrig sei.

Rottmann fragte die Bundesregierung dazu: „Mit welcher Methode will die Bundesregierung zukünftig die maximal 5 Prozent Marktanteil der Versandapotheken in der EU zuverlässig bestimmen, und wie soll diese Obergrenze wirksam durchgesetzt und eine Überschreitung sanktioniert werden?“ Die Antwort der BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) fiel denkbar knapp aus: „Bundesminister Spahn hat am 11. Dezember 2018 Überlegungen des Bundeministeriums für Gesundheit zur Stärkung der flächendeckenden Versorgung, zur Weiterentwicklung der Apotheken und zur Sicherung der freien Apothekenwahl vorgestellt. Eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung hat noch nicht stattgefunden.“

DAZ.online hat bei der Grünen-Politikerin Rottmann nachgefragt: Was sind ihre politischen Ziele in dieser Sache? Und wie schätzt sie die Antwort der Bundesregierung ein? Die geplante Marktanteil-Grenze sieht Rottmann kritisch: „Es ist hochgradig fraglich, ob eine solche Obergrenze europarechtlich und verfassungsrechtlich machbar ist.“ Spahn wirft sie nun „Konzeptlosigkeit“ vor und bezieht sich dabei auf die Antwort des BMG auf ihre Frage. Denn: „Eine Abstimmung innerhalb der Regierung hat bisher nicht stattgefunden. Deshalb gilt für mich erstmal: Abwarten! Die Frage von Messbarkeit und Sanktionierung sowie der juristischen  Machbarkeit sind aber sowohl zentrale als auch besonders spannende Fragen. Hier halte ich es aber anders als der Gesundheitsminister und möchte diese Fragen erst gewissenhaft prüfen.“

Insgesamt bewege sich Spahn mit seinem Apotheken-Plan „auf sehr dünnem Eis“. Rottmann weiter: „Die Vorstellung etwa, dass die Arzneimittelpreisverordnung der Beurteilung durch den EuGH entzogen werden könnte, wenn sie im SGB V geregelt wird, ist hochgradig fragwürdig.“ Wie schon zuvor die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche kritisiert auch Rottmann das Auftreten der Union gegenüber den Apothekern. „Grundsätzlich führt Spahn einen Kampf mit den Geistern, die er und seine Partei selbst gerufen haben. Die Union ist im Wahlkampf 2017 durch die Säle gezogen und hat den Apothekern wider besseren Wissens ein Verbot des Onlinehandels versprochen. Das wird nicht kommen, weil es rechtlich nicht durchsetzbar und inhaltlich Unfug ist. Um die Apotheker für diese Lüge zu entschädigen, sollen sie jetzt alle mehr Geld bekommen.“

Rottmann: Lieber Rx-Boni für alle Apotheken

Angesprochen auf ihre Lösungsvorschläge im Versandhandelskonflikt, hält sich Rottmann ebenfalls sehr nah an die Vorschläge von Schulz-Asche. Die Gesundheitspolitikerin hatte nach dem EuGH-Urteil einen Gesetzesantrag gestellt, in dem eine Höchstpreisverordnung vorgesehen war. Auch Rottmann fordert die teilweise Aufhebung der Preisbindung: „Wir Grünen haben bereits vor fast zwei Jahren, kurz nach dem EuGH-Urteil zur Apothekenpreisbindung, eine Begrenzung der Boni als sinnvolle Alternative zum Verbot des Versandhandels in einem Antrag vorgeschlagen – allerdings für alle Apotheken und nicht nur die ausländischen Versandapotheken.“

Schulz-Asche beschwerte sich auch mehrfach über Verteilungsprobleme beim Apothekenhonorar. Auch Rottmann sieht das so: „Das Gutachten des Wirtschaftsministeriums hat klar gezeigt, dass die gesetzlich Versicherten zu viel bezahlen und Verteilungsprobleme innerhalb der Apothekerschaft durch Umverteilung gelöst werden müssen. Tragisch für den Versicherten: Spahn greift in den Topf der Beitragsgeldern der gesetzlich Versicherten, um sich hausgemachte Probleme vom Hals zu schaffen.“

In Sachen Rx-Versandverbot ist die Grünen-Politikerin aber einer Meinung mit dem Minister. Gegenüber DAZ.online teilte sie mit: „Versandapotheken sind ein – wenn auch nur sehr kleiner – aber ergänzender Teil einer bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung – beispielsweise bei chronischen und seltenen Krankheiten. Hier hat sich der Versandhandel etabliert. Die Apotheke vor Ort kann der Versandhandel jedoch nicht ersetzen. Gerade im ländlichen Raum steht die Apotheke für eine persönliche, kompetente und wohnortnahe Gesundheitsberatung. Der bedarfsgerechte Erhalt und – wo nötig – die Stärkung von Präsenzapotheken verdient daher große Aufmerksamkeit.“