Ökotest

Zu welcher Lippenpflege greifen?

Stuttgart - 04.01.2019, 09:00 Uhr

Wie kritisch Mineralöle wirklich in Lippenpflegestiften sind, ist nicht abschließend geklärt. (m / Foto: imago)

Wie kritisch Mineralöle wirklich in Lippenpflegestiften sind, ist nicht abschließend geklärt. (m / Foto: imago)


Bislang sind wir von eisig-frostigen Temperaturen in diesem Winter nahezu verschont geblieben. Was trotz warmer Füße leidet – sind die Lippen. Sie besitzen keine Talgdrüsen, um sich mit einem fettenden Film zu schützen. Das bedeutet, Lippen wollen von extern gefettet werden. Nur: Welcher Lippenpflegestift ist der beste? Diese Frage stellte sich auch Ökotest. Die Verbraucherschützer pickten 18 Lippenpflegeprodukte heraus und prüften diese auf die Ökotest-üblichen Kriterien: Mineralöle, UV-Filter, Deklaration und Verpackung.

Bei Lippenpflegeprodukten reizt Ökotest die Bewertungsskala vollumfänglich aus: Von „sehr gut“ bis „ungenügend“ findet sich das ganze Schulnotenspektrum im aktuellen Testergebnis der Verbraucherschützer. Insgesamt prüfte Ökotest in diesem Winter 18 Lippenpflegestifte – von Apothekenkosmetik wie Avène über Lippenpflege aus dem Reformhaus von Annemarie Börlind bis hin zu Produkten der Drogeriemärkte wie dm und Müller. Auch der Klassiker Labello durfte natürlich nicht fehlen, genauso wenig Bepanthol, Ladival, La Roche Posay und die Lippenpflegekugel Eos. Schon Anfang 2018 hatte sich Ökotest auch dem Thema Lippepflegestifte gewidmet.

Allerdings variierte Ökotest seine Prüfprodukte in diesem Jahr etwas: Nur Lippenpflegestifte mit UV-Schutz interessierten die Verbraucherschützer aktuell. Somit fiel auch ein ewiger Kritikpunkt von Ökotest hinsichtlich der Verpackungen weg: Denn über einen richtigen Umgang mit der Sonne und die korrekte Anwendung von Sonennschutzprodukten möchten die Verbraucherschützer informiert wissen, „dafür, dass die Hinweise ihren Platz finden, nehmen wir sogar einen Umkarton in Kauf", erklärt Ökotest.

Mit Mineralölen: Avène, Bepanthol, La Roche Posay und Eucerin

Gecheckt hat Ökotest auf Mineralöle, bedenkliche oder umstrittene Inhaltsstoffe und Sonnenschutzhinweise. Enthielten die Lippenpflegestifte Mineralöle, war eine bessere Note als „mangelhaft“ ausgeschlossen. Somit rangieren auch aus Apotheken bekannte Lippenpflegeprodukte wie „Eau Thermale Avène Lippen-Sonnenstick“, „Eucerin Lip Active“ mit Note fünf auf den hinteren Plätzen. Schlechter schneiden – ebenfalls mit Paraffinen und teilweise MOAH – nur „Bepanthol Lipstick“, „Blistex“, „Carmex Classic“, „La Roche-Posay“, „Maybelline Baby Lips“ von L‘Oréal und „Neutrogena Lippenpflege“ ab: durchweg Note sechs, somit „ungenügend“. Steht Ökotest Mineralölen seit jeher skeptisch gegenüber, so stört die Verbraucherschützer bei der Lippenpflege vor allem auch, dass Mineralöle in nicht geringen Mengen auch durch Ablecken der Lippen verschluckt werden. Laut dem Magazin lutschen wir im Jahr 20,8 Gramm Lippenpflegeprodukte, „also ungefährt vier Stifte.“

Es geht auch ohne Mineralöle in der Lippenpflege 

Vorbildlich und mit „sehr gut“ bewertet Ökotest hinsichtlich der Mineralöle die dm-Produkte „Alverde Sonnenlippenpflege“ und „Sun Dance Lippenpflegestift“ sowie den „Annemarie Börlind Suncare Lip Stick“. Note zwei schafften immerhin noch „Labello SunProtect“ und das Produkt von Sebamed „Sebamed Schützende Lippenpflege LSF 30“.

Bedenkliche UV-Filter?

Auch die charakteristische Lippenpflegekugel „Eos Active Lippenpflege Sonnenschutz" verzichtet auf Mineralöle. Dennoch reicht es am Ende nur für ein „ausreichend": Ökotest moniert „bedenkliche UV-Filter“ und keine ausreichende Deklaration zum Sonnenschutz auf dem Umkarton des Produktes. Das hat „Labello" wohl schlauer angestellt, denn trotz bedenklicher UV-Filter darf sich das Beiersdorf-Produkt noch über ein „gut“ freuen, denn sie informieren zumindest, dass Stifte mit Lichtschutzfaktoren frühzeitig und mehrfach auf die Lippen aufgetragen werden müssen. Das versäumen die Apothekenprodukte, was tatsächlich nicht sein müsste: Ausreichende Sonnenschutzhinweise sind laut Ökotest sowohl bei La Roche Posay und Avène, Bepanthol und Ladival Eucerin und Neutrogena nicht vorhanden.

Neben Mineralölen stören sich die Verbraucherschützer regelhaft an UV-Filtern. So sehr Ökotest einen Sonnenschutz in Lippenpflegeprodukten begrüßt, „aber wenn möglich ohne Nebenwirkungen", erklärt Ökotest in seinem Testbericht dazu. Bei UV-Filtern legt Ökotest den üblichen Maßstab an: Filter mit Verdacht auf hormonartige Wirkungen – Ethylhexyl Methoxycinnamat, Octocrylen oder Homosolat – geben Abzug. So wurden zum Beispiel bei Ethyhexyl Methoxycinnamat hormonelle Wirkung im Tierversuch gefunden, bei Homosalat und Octocrylen konnten Hormonwirkungen in Zellkulturen nachgewiesen werden. Homosolat und Octocrylen enthalten die Produkte von Eos und Labello. Nur Octocrylen findet sich in La Roche Posay und Avène, nur Homosolat in Bepanthol. 

Eucerin ohne bedenkliche UV-Filter

Ohne nach Ansicht von Ökotest bedenkliche UV-Filter kommt Eucerin aus. Der Lichtschutz wird durch Ethylhexyl-Triazon (UV-B) und Butyl Methoxydibenzoylmethan (UV-A) realisiert. Unbedenklich findet Ökotest auch Titandioxid. Zwar gibt es auch zu dem mineralischen Lichtschutz kritische Stimmen. So bewertet laut Ökotest die EU den Stoff derzeit und überlegt eine harmonisierte, EU-weite Einstufung von Titandioxid als „kann vermutlich Krebs erzeugen“ beim Einatmen. Das erklärte Ökotest im Mai beim Test von Sonnenschutzprodukten. Hintergrund sind nach Aussage der Verbraucherschützer Tierversuche, die einen potenziellen Zusammenhang von Titandioxid in Staubform und Lungentumoren zeigten. Jedoch sieht Ökotest diese Gefahr bei Lippenpflegestiften nicht und sieht „Titandioxid weiterhin als wichtigen und vergleichsweise unproblematischen UV-Filter an.“

Wozu rät Ökotest?

Ökotest möchte Verbraucher auf der sicheren Seite wissen. Aus diesem Grund äußern sich die Verbraucherschützer auch immer kritisch zu Inhaltsstoffen, die vielleicht noch nicht vollständig hinsichtlich ihrer potenziellen Gefahr evaluiert sind oder die bislang nur in Tierversuchen oder Zellkulturen auffällig waren. Das Fazit der Verbraucherschützer: „Wer Kosmetika ohne Paraffine und bedenkliche UV-Filter wünscht, ist bei zertifizierter Naturkosmetik auf der sicheren Seite“.

Mineralöle in Kosmetika - was sagen aktuelle Daten?

Die Datenlage zu Mineralölen ist nicht eindeutig. Erst jüngst aktualisierte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seine Einschätzung zu Mineralölen in Kosmetika und kam zu dem Schluss: „Gesundheitliche Risiken sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten“. Laut BfR ist die dermale Aufnahme von MOSH (mineral oil saturated hydrocarbons) über Kosmetika gering.

MOAH sind aromatische Kohlenwasserstoffe (mineral oil aromatic hydrocarbons): „Grundsätzlich können MOAH über die dermale Route bioverfügbar werden. Vermutlich werden sie anschließend aber im Körper metabolisiert und danach ausgeschieden. Eine Anreicherung von MOAH im Körper konnte nicht nachgewiesen werden.“

So weit so gut – es geht um Dermatika. Doch differenziert das Bundesinstitut die Lippenpflege hiervon genauer: Bei Lippenpflegeprodukten spielt nämlich auch die orale Aufnahme durch Abschlecken der Lippenpflege eine Rolle und „die orale Aufnahme von MOSH über mineralölhaltige Lippenpflegeprodukte kann im Bereich der lebensmittelbedingten MOSH-Aufnahme liegen“, erklärt das BfR hierzu. In Ratten konnten zwar entzündlich bedingte Granulome in der Leber nachgewiesen werden, jedoch sei die „toxikologische Relevanz […] für den Menschen zweifelhaft“, so das BfR.

Nichtsdestotrotz empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, dass Hersteller von Lippenpflegestiften nur solche Mineralöle in Lebensmittelqualität und –reinheit einsetzen, für die „keine gesundheitlichen Effekte durch orale Aufnahme zu erwarten sind“ – was der Fall ist, wenn sich die Hersteller an die Empfehlungen von Cosmetics Europa halten. Denn bestimmte hochaufgereinigte mittel- und hochviskose Mineralöle sowie mikrokristalline Wachse in Lebensmittelreinheit wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für Verwendungen im Lebensmittelbereich gesundheitlich bewertet und zugelassen.

Für diese Mineralöle und Wachse wurden vom gemeinsamen FAO/WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Werte für akzeptable tägliche Aufnahmemengen (ADI-Werte) abgeleitet. Der Europäische Verband der Kosmetikhersteller Cosmetics Europe hat den Herstellern von Lippenpflegeprodukten empfohlen, nur solche Mineralölfraktionen einzusetzen, für die ADI-Werte gelten.

Nun zeigt jedoch die Erfahrung, dass dies nicht immer der Fall ist. Darauf verweist das BfR und Ökotest greift diese Skepsis auf. „Warum ein Risiko eingehen“, fragen die Verbraucherschützer. Mineralölgemische in Lippenpflege seien schließlich kein Muss.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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