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Pro- und Präbiotika – die Retter der Darmmikrobiota? 

München - 21.02.2019, 07:00 Uhr

Präbiotika, Probiotika und Symbiotika: Was machen sie und worin unterscheiden sie sich? (c / Foto: T. L. Furrer / stock.adobe.com)
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Präbiotika, Probiotika und Symbiotika: Was machen sie und worin unterscheiden sie sich? (c / Foto: T. L. Furrer / stock.adobe.com)


Eine gesunde Darmflora ist für einen positiven gesundheitlichen Gesamtzustand durchaus sehr entscheidend. Fehlernährung, Bewegungsmangel und häufige antibiotische Kuren setzen dem Darmmikrobiom stark zu. Zur Kompensation gewinnen Pro- und Präbiotika mehr und mehr an Bedeutung. Die Darmsanierung erlebt einen regelrechten Hype, doch die Evidenzlage dazu bleibt weiterhin umstritten. 

Definitionsgemäß sind Probiotika lebende Mikroorganismen, zumeist anaerobe grampositive Bakterien wie Lactobazillen oder Bifidobakterien, Lacto- und Enterokokken, aber auch E. coli und Hefen zählen dazu. Sie kommen von Natur aus im gesunden Darm vor, können aber ebenso mittels oraler Aufnahme substituiert werden und gelangen in ausreichender Zahl in den Magen-Darm-Trakt, ohne inaktiviert zu werden. Probiotika bieten ihrem Wirt damit einen gesundheitlichen Nutzen. Zum einen stimulieren sie das Immunsystem, nicht verwunderlich, da ein Großteil der menschlichen Immunantwort von der sogenannten Darmflora abhängt.

Probiotika bei Magen-Darm-Erkrankungen

Die Wirkung der Probiotika stützt sich nach heutigem Kenntnisstand auf die Modulation dieser endogenen Darmflora. Die Fähigkeit der enthaltenen Lactobakterien, Milchsäure zu produzieren, senkt den pH-Wert im Darmlumen, was Enzymaktivitäten begünstigt und pathogene Keime zu hemmen vermag. Darüber hinaus werden Interaktionen von diesen Mikroorganismen mit immunkompetenten Darmzellen diskutiert, wodurch vermehrt Antikörper (vor allem IgA) und Zytokine produziert und zur Immunantwort bereitgestellt werden. Probiotische Kulturen hindern pathogene Erreger daran, an der Darmschleimhaut zu haften beziehungsweise können sogar Bakteriocine synthetisieren, die die Eindringlinge abtöten.

Diesem Effekt ist der breite Einsatz von Probiotika bei infektiösen Magen-Darm-Erkrankungen zu verdanken. Besonders bei Kindern sind die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten bekanntermaßen sehr eingeschränkt, was die Verwendung von probiotischen Bakterien und Hefen zur Therapie unabdingbar macht. Studien legen dar, dass Dauer und Stärke infektiöser Durchfallerkrankungen durch probiotische Mikroorganismen signifikant verringert sind. Aber auch antibiotikainduzierte Komplikationen im Magen-Darm-Bereich können sich wohl durch die Mikroorganismen eindämmen oder gar verhindern lassen. Dabei werden Erreger unschädlich gemacht beziehungsweise adhäriert und aus dem Verdauungstrakt geschleust, zusätzlich besiedeln die gesundheitsfördernden Bakterien den Dickdarm, dessen Flora durch die Durchfallerkrankung beschädigt wurde und helfen dem Wiederaufbau einer normalen Darmfunktion. 

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Das Mikrobiom und die Darmflora

Präventiv stellen Probiotika einen Ansatzpunkt bei einer erhöhten Anfälligkeit für Durchfallerkrankungen oder zur Vorbeugung einer Reisediarrhö dar.

Und ihnen werden noch weitere gesundheitsfördernde Eigenschaften zugesprochen: Sie sollen die Lactose-Verdauung verbessern, Verstopfungen lösen und gelten als nicht zu vernachlässigender Therapieansatz bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Allergien. Experten diskutieren sogar über den vermeintlich antitumorale Aspekt, den man sich – ausgehend von der immunmodulierenden Kompetenz, die den Probiotika zugesprochen wird – bei Darmkrebserkrankungen zu Nutze machen könnte. Die Studienlage zur Einschätzung der probiotischen Präparate in Therapie und Prävention genannter Erkrankungen, ist allerdings nach wie vor sehr divers. Zudem ist jedes Darmmikrobiom ein Unikat.

Was sind Präbiotika? 

Diese Diversität der eigenen Darmflora lässt sich mit Präparaten weder nachahmen noch ersetzen, das Gleichgewicht ist sehr sensibel und sollte möglichst gut gepflegt und erhalten werden. Seit einiger Zeit sind deswegen nicht nur Probiotika ein neuer Ansatzpunkt in Sachen Darmgesundheit, auch die Präbiotika gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Hinter dem Begriff „Präbiotika“ verbergen sich spezifische unverdauliche Ballaststoffe, die den Dickdarmbakterien als Nahrungsquelle zur Verfügung stehen. Präbiotisch wirken Di-, Oligo- und Polysaccharide, wie Inulin, die hauptsächlich aus Pflanzen und deren Früchten gewonnen werden. Aber auch andere Zuckerabkömmlinge, beispielsweise Lactulose, besitzen präbiotische Eigenschaften.

Präbiotika begünstigen Darmbesiedlung

Sie begünstigen die Besiedlung beziehungsweise das Wachstum der eigenen Flora, besonders von Bifidobakterien, unterstützen aber auch extern zugeführte Probiotika in ihrer Wirkung. Pathogene Keime profitieren weitaus weniger von dieser Nahrungszufuhr, wodurch die Präbiotika den gesundheitsfördernden Bakterien die Überhand verleihen können. Wer eine gut zusammengesetzte Darmbesiedlung vorweisen kann und diese mit Präbiotika stärkt, soll sogar überschüssige Pfunde loswerden.

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Dabei ist nicht zwingend die Einnahme von Produkten aus Apotheken, Drogerien oder Reformhäusern notwendig. Seine Darmflora kann unterstützen, wer ausreichend ballaststoffhaltig isst. Besonders präbiotisch wirken Lauch-Arten, Chicorée, Hülsenfrüchte, verschiedene Wurzelgemüse und Getreide wie Roggen oder Hafer. Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener, präbiotisch wirkender Ernährung und ausreichend Bewegung wird für die Gesundheit des Darms vermutlich generell unterschätzt. 

Synbiotika: die Kombination von Prä- und Probiotika

Werden Pro- und Präbiotika kombiniert, spricht man von Synbiotika. Sie wirken zueinander synergistisch, wodurch sich die Wortherkunft erklärt. Man könnte nun meinen, diese Synbiotika – mit dem besten aus beiden Welten – sind der Schlüssel im Kampf gegen einige akute und chronische Erkrankungen, dabei sind sie zudem natürlichen Ursprungs und haben keinerlei Neben- und Wechselwirkungen. Oder? Tatsächlich scheint es allerdings schwierig, aussagekräftige Nachweise für die Wirksamkeit zu finden. In den vergangen Jahren gab es kleinere Studien mit teilweise fragwürdigem Studiendesign zu Probiotika in der therapeutischen Anwendung, von denen man keine eindeutigen Erkenntnisse ableiten konnte. Seit das Thema in jüngerer Zeit stark an Auftrieb gewonnen hat und Produkte aus dem Boden sprießen, zeigten einige groß angelegte Studien mit aussagekräftigem Design, dass der therapeutische Nutzen durchaus vorhanden ist. Gerade die Anwendung von probiotischen Produkten bei kindlicher Diarrhö zeigten in diesen Studien einen signifikanten Vorteil gegenüber alleiniger Rehydratationstherapie im Krankheitsverlauf. Bei anderen Indikationen gibt es weniger fundierte Nachweise für den Nutzen, weshalb von Experten keine generelle Empfehlung für die unbedarfte Einnahme von Probiotika ausgesprochen wird.

Keine Probiotika für Immunsupprimierte

Nicht jeder Darm nimmt die lebenden Kulturen gut an, bei manchen wirken sie überhaupt nicht. Bei einigen geschieht das Gegenteil: die Gefahr einer Überbesiedlung des Darms mit den oral zugeführten Keime besteht zu einem geringen Prozentsatz immer. Dieser steigt sogar erheblich an, wenn es sich um immunsupprimierte oder stark geschwächte Patienten handelt. Bis hin zu ernsthaften Infektionen mit den probiotischen Keimen und deren Übertritt in die Blutbahn sind Komplikationen dabei möglich. Für diese Patientengruppen ist die Einnahme probiotischer Produkte deshalb ohne ärztlichen Rat nicht angezeigt. 

Nutzen von Präbiotika besteht

Obwohl kein uneingeschränkter Fürspruch für pro- oder synbiotische Produkte besteht, sind sie sehr gefragt und viele, ansonsten gesunde, Anwender verzeichnen damit positive Ergebnisse. Der Verkauf sollte situationsbedingt abgewogen und Patienten über die sachgerechte Einnahme und die möglichen Risiken aufgeklärt werden. Präbiotika sind dabei etwas bedenkenloser zu empfehlen, da sie separat eingenommen nur die körpereigenen Darmbakterien stärken. Der Nutzen für die Darmbesiedlung dabei besteht, der Effekt kann naturgemäß, je nach Zustand der endogenen Darmflora, schwächer ausfallen als bei lebenden Kulturen.


Ariane Gerlach, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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