Honorargutachten im Wirtschaftsausschuss

Schulz-Asche: „Wirtschaftsministerium ist Korrektiv für Apotheker-BMG-Gemauschel“

Berlin - 13.12.2018, 15:00 Uhr

Das Honorargutachten der Agentur 2HM stand auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. (m / Foto: imago)

Das Honorargutachten der Agentur 2HM stand auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. (m / Foto: imago)


Diese Woche hat einige politische Highlights für die Apotheker zu bieten. Nach der Rede von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor der ABDA-Mitgliederversammlung, stand gestern das berühmt berüchtigte Honorargutachten der Agentur 2HM auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. Die Gutachterin Iris an der Heiden erschien selbst, um ihre Thesen vorzustellen. Dem Vernehmen nach hat sie kein Verständnis für die Apotheken-Pläne des Bundesgesundheitsministeriums. Und auch die Grünen würden sich einen intensiveren Einsatz des Gutachtens wünschen.

Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages hat am gestrigen Mittwoch in einer nicht öffentlichen Sitzung das Honorargutachten der Agentur 2HM zum Apothekenmarkt besprochen. Zur Erinnerung: In dem Gutachten sprechen sich die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragten Experten für eine drastische Absenkung des Fixhonorars und der Großhandelsvergütung aus. Die Apotheker hatten heftig gegen das Gutachten protestiert, die ABDA versucht bis heute, das Papier totzuschweigen.

Grüne bringen 2HM-Gutachten in Wirtschaftsausschuss

Dass das Honorargutachten aber überhaupt im Wirtschaftsausschuss aufgegriffen wurde, ist der Grünen-Fraktion im Bundestag zu verdanken. Die Oppositionsfraktion hatte eigentlich versucht, das Papier auf der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses zu platzieren. Doch die Gesundheitspolitiker der Union hatten etwas dagegen, die SPD schloss sich aus Koalitionstreue an. Die Grünen ließen aber nicht locker und fragten ihre Parteifreunde im Wirtschaftsausschuss – und die Wirtschaftspolitiker hatten mehr Glück: Schon vor einigen Wochen wurde der gestrige 12. Dezember terminiert und Iris an der Heiden als zuständige Gutachterin in den Bundestag geladen.

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DAZ.online hat bei Iris an der Heiden nachgefragt, wie ihr Auftritt vor den Wirtschaftsexperten ablief und welche Inhalte besprochen wurden. Bislang hat die Agentur-Mitarbeiterin aber nicht reagiert. Aus Teilnehmerkreisen hieß es aber, dass an der Heiden zunächst die Genese ihres Papiers skizzierte. Sie soll daran erinnert haben, dass das BMWi vor etwa sechs Jahren – als es um die Erhöhung des Fixhonorars ging – schon einmal die Datenlage zur wirtschaftlichen Situation der Apotheken kritisierte. Zur Erinnerung: Sowohl der GKV-Spitzenverband als auch das BMWi akzeptierten die von den Apothekern vorgelegten Zahlen nie und forderten immer wieder unabhängige Daten.

Trotz Mängel am Gutachten: Einsparungen bis 500 Millionen Euro bleiben

Die erstmalige „externe“ Datenerfassung soll also eine der Aufgaben der Agentur gewesen sein. Der nächste Schritt sei aber dann gewesen, diese tatsächliche Ist-Vergütung der Apotheker mit einer Vergütungsvariante zu vergleichen, die rein kostendeckend wäre. An der Heiden soll dargestellt haben, dass sich so das im Gutachten dargestellte Einsparvolumen ergibt. Das im Gutachten angegebene Einsparpotenzial lag für den Gesamtmarkt bei weit über einer Milliarde Euro, allein das Fixhonorar hätte demnach auf 5,84 Euro abgesenkt werden sollen.

Doch an der Heiden soll auch die Kritik am Gutachten im Wirtschaftsausschuss aufgegriffen haben. Zwar hatte die ABDA sich nicht auf Rechenspiele eingelassen. Aber der langjährige Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein Uwe Hüsgen und der DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hatten der Agentur erhebliche Rechenfehler nachgewiesen. Es scheint, dass diese Kalkulationen nicht ganz unbeobachtet von an der Heiden veröffentlicht wurden. Denn am gestrigen Mittwoch soll sie davon gesprochen haben, dass die Einsparungen selbst unter Berücksichtigung der geäußerten Kritik, immer noch bei 500 Millionen Euro lägen.

2HM-Gutachterin kritisiert Spahns Apothekenpaket

Schließlich soll in diesem Zusammenhang dann auch der Plan des Bundesgesundheitsministeriums für eine Umstrukturierung des Apothekenhonorars angesprochen worden sein. Das BMG plant, Rx-Boni aus dem Ausland begrenzt zuzulassen und gleichzeitig den Apothekern über die Notdienstpauschale und neue Dienstleistungen etwa 375 Millionen Euro zukommen zu lassen. An der Heiden soll das Paket kritisiert haben. Die 2HM-Expertin soll aber grundsätzlich moniert haben, dass die Anpassungen am Apothekenhonorar stets politisch begründet seien und nicht auf Fakten beruhen.

Einer der wenigen anwesenden Gesundheitsexperten war die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche. Die Arzneimittelexpertin der Grünen erklärte gegenüber DAZ.online, dass nicht mehr Gesundheitspolitiker erschienen. Ihr Kommentar: „Das Vorgehen ist jedoch sehr symptomatisch für den ganzen Apothekenbereich und viele andere Gesundheitsberufe: Seit Jahren entscheidet die Politik mehr oder weniger blind, wie sie aus dem Topf der Versichertengelder die einzelnen Leistungserbringer bezahlt. Besonders ausufernd muss das bei Apothekerinnen und Apothekern sein, ansonsten hätte das Wirtschaftsministerium 2015 dieses Gutachten gar nicht erst in Auftrag gegeben.“

Schulz-Asche: Gutachten ist sinnvoll

Schulz-Asche hält das Gutachten nach wie vor für zu wertvoll, um es in der Schublade verschwinden zu lassen. „Mit dem Gutachten wurde erstmalig seit mehr als zehn Jahren erfasst, wie viel Geld am Ende in der Apotheke tatsächlich übrig bleibt, wer von der aktuellen Preisverordnung profitiert und wo die Versorgung verbessert werden kann und muss.“ Dem BMG hätte es „gut gestanden“, selbst das Gutachten in Auftrag zu geben oder der Anhörung beizuwohnen. So wie an der Heiden hat auch Schulz-Asche kein Verständnis für das derzeitige Vorgehen des Ministeriums: „Die gestrige Ankündigung von Minister Spahn zeigt leider deutlich, dass Transparenz und fundierte politische Entscheidungen ins Gesundheitsministerium keinen Einzug halten. Die nun geplanten Erhöhungen von in der Summe knapp 500 Millionen Euro sind mit der Versorgungsrealität jedenfalls nicht zu begründen.“

Spahn sollte bedachter mit Versichertengeldern umgehen

Einer von Spahns Vorschlägen ist es, dass die Passagen zum Apothekenhonorar aus der Arzneimittelpreisverordnung in das SGB V transportiert werden. Somit würde das Apothekenhonorar nicht mehr in der Entscheidungsgewalt des Wirtschaftsministeriums liegen. Derzeit muss das BMWi eine Verordnung erlassen, um das Honorar anzupassen. Die Grünen-Politikerin Schulz-Asche findet die derzeitige Aufteilung aber sinnvoll. Denn: „Ich freue mich, dass mit dem Wirtschaftsministerium ein gewisses Korrektiv besteht, dass einem Gemauschel zwischen Gesundheitsministerium und Apothekenvertretern Einhalt gebietet. Schließlich sind es die Versicherten, also wir alle, die die Geld-Geschenke der Regierung an einzelne Leistungserbringer im Gesundheitsbereich am Ende bezahlen müssen. Gerade Minister Spahn, der sich in seiner Abgeordnetenlaufbahn wiederholt auch immer für die Generationengerechtigkeit eingesetzt hat, sollte heute als Gesundheitsminister bedachter mit Versichertengeldern umgehen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Muss ich "unsere" provinziellen Probleme mit 2HM verstehen?

von Wolfgang Müller am 13.12.2018 um 20:00 Uhr

Wo haben "wir", also z. B. auch die Kollegen Hüsgen und Müller-Bohn, bitte, eigentlich jetzt noch ein Problem, uns auf das 2HM-Gutachten zu STÜTZEN? Das meine ich vollkommen ernst, hier ist keinerlei Zynismus im Spiel. Denn:

2HM hat nun einmal die aktuell mit Abstand beste und auch extern akzeptierte Datenbasis. Und aktuell scheint 2HM nach ERSTEN konstruktiven Korrekturen auch nur noch von Einsparmöglichkeiten von 500 Mio. Euro für alle Apotheken zusammen pro Jahr auszugehen. Im wesentlichen durch Absenkung des Fixhonorars. "Gemeinwohlpflichten" sollen nach 2HM in Zukunft sogar auskömmlich bezahlt werden, was mehr als überfällig und endlich gerecht wäre. Und: Wie Herzog bereits sagte, lässt man die richtigen Leute ran, werden bei solchen riesigen Basis-Rechenbeträgen aus -500 Mio. schnell +1500 Mio. Euro. Das sind Apothekers verständlicherweise bloß nicht gewöhnt, da muss man halt sich auch mal helfen lassen.

Dagegen das entsetzliche Gemauschel - ja, da hat Frau Schulz-Asche vollkommen recht - von JS und FS. Wenn die Inländer-Diskriminierung erstmal beseitigt sein wird, und auch die ganzen anderen tönernen Haltelinien gefallen sind, drohen gemäß diesem lässigen Machwerk pro Apotheke locker 80.000 Euro weniger Rohertrag pro Jahr. Insgesamt für alle Apotheken also der irre Betrag von mindestens 80.000 x 19.000 = ca. 1,5 MILLIARDEN Euro. Dagegen stehen dann unsere extrem Image-schädigenden paar hundert Millionen "Neue Honorare", gegen die man auf jeden Fall einen höheren Personalaufwand rechnen muss als Geld dabei reinkommt, also ein DEFIZIT.

Wer weiß, ob JS und FS da nix ausbaldowert haben, wo per Saldo mittelfristig locker über 2 Milliarden Rohertrag aus unserem System genommen werden könnte.

Ich plädiere dafür, mit Frau von der Heiden konstruktiv zusammenzuarbeiten. Wahrscheinlich ist das der mit Abstand beste Ansatz für eine solide Rettung. Und ich bin SICHER, jeder andere versierte, international erfahrene Branchen-neutrale Berater würde uns genau das raten.

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Staub zu Staub, Asche zu Asche ..

von Andreas P. Schenkel am 13.12.2018 um 18:39 Uhr

.. so verlässt uns die Wahrheit und Redlichkeit.
Und bald schon werden sie, niedergeschmettert durch die unvermeidliche Strenge der politischen Schwerkraft, vergehen auf grünen Auen. Denn der Höhenflug des Ikarus war solchen Emporkömmlingen und Emporkömmlinginnen nie eine Mahnung gewesen.

Ich freue mich, dass es mit investigativem Journalismus und auch mit dem Wähler ein gewisses Korrektiv gibt, das einem Gemauschel zwischen einigen Gesundheitspolitikern und dem kreativ-zerstörenden Raubtier-Großkapital Einhalt gebietet.

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Auftrag verfehlt

von Reinhard Rodiger am 13.12.2018 um 17:13 Uhr

Der Auftrag des Wirtschaftsausschusses ist es durch Anhörung eine Ausgewogene und keine einseitige Meinung zu bilden.
Einseitige Wahrnehmung und Ausblendung störender Meinungen ist ein Markenzeichen der Grünen.Das bewusste Weglassen ist Manipulation.Zumindest der Wirtschaftsausschuss sollte sich das nicht gefallen lassen.Vor allem, weil das Thema Gemeinwohl und soziale Funktionen völlig aussen vor blieben .Das finanziert sich von selbst?

Der Wirtschaftsausschuss hat seinen Auftrag verfehlt, wenn er nicht für eine Anhörung der Gegenmeinung sorgt.Sonst erliegt er dem Manipulationsinteresse von Frau Schulz-Asche.

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Kompetenz und so...

von Ralf Oberbauer am 13.12.2018 um 17:03 Uhr

"Besonders ausufernd muss das bei Apothekerinnen und Apothekern sein, ansonsten hätte das Wirtschaftsministerium 2015 dieses Gutachten gar nicht erst in Auftrag gegeben.“

Deshalb sinken die Zahl der Apotheken auch seit Jahren - Der Satz ist an Polemik, wissentlicher Falschauslegung und Vorsatz kaum zu toppen. Richtig ist vielmehr, dass man an Leistungserbringern wie Apotheken sparen will, weil man es kann. Bei den Ärzten bekommt man ein blaues Auge, daher steigen die Vergütungen entsprechend.
Und gerade ein Abgeordneter sollte ganz still sein - während unsere Vergütung seit Jahren unverändert ist, sind die Diäten um mehr als 50%gestiegen in den letzten 15 Jahren!

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Auch

von Peter am 13.12.2018 um 16:22 Uhr

vor sechs Jahren hätte man ganz einfach rechnen können.
Abgegebenen Packungen, Ertrag aus 3%, Veränderung an welcher Stelle, Packungszahl blieb gleich oder ist gestiegen, Umsatz stieg, Honorar + 3% EK 2004, Honorar 2012 + 3% EK, Differenz von 2004->2012 inflationsbereinigt drauf, fertig. Mit gaaaaaanz viel Zuneigung hätte man auch noch einen Faktor für die allgemeine Lohnentwicklung als Zückerchen drauflegen können, aber wir sind ja nicht so anspruchsvoll.

Für so 'ne simple Rechnerei bedarf es nur eines Gutachtens wenn man Wege sucht sich davor zu drücken. Honorar 2018 mit 8,35 hat noch eine Kaufkraft wie 6,68 im Jahre 2004. SO einfach isses.

Die Idee von Frau von und zu war allerdings schon irgendwie takko, muss man ihr lassen. Eine Packung ist eine Packung ist eine Packung, völlig unerheblich welche Voraussetzungen für welche Packungen gelten, jede Packung ist gleich zu bewerten. Alles in einen Topf und schon mussten Bonbons gerecht in die Finanzierung der Betriebskosten einer Apotheke einbezogen werden. Kosten die kein Bonbon als Voraussetzung für seinen Verkauf irgendwo gesetzlich vorgeschrieben bekommt, auch einen Bonbonnotdienst oder einen Bonbonherstellungsrezepturzwang gibt es nicht und eine Bonbonverkaufskernöffnungszeit ebenso wenig, von einem Bonbonkontrahierungszwang habe ich auch noch nie etwas gehört aber weil es halt in der Apo stattfindet muss die Packungszahl reingerechnet werden. Gleiches gilt für NEM und Cremchen. Und OTC, gut, das ist wie mit Ärzten und Privatpatienten. Wenn der eine Arzt 60% Anteil hat und der andere 10% hat halt jeder rechnerisch 35% im Schnitt. Komischerweise sind aber gerade die Privaten aus diesem Grund bei Honorarverhandlungen der Ärzte aussen vor, warum nur?



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Personen

von Karl Friedrich Müller am 13.12.2018 um 15:41 Uhr

wie Frau Schulz Asche sind nicht geeignet, Politiker und Abgeordnete zu sein.
Voller Hass, Vorurteilen und Lügen.

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