Die Idee aus der Kaffeepause

Ibuprofen plus Coffein – so entstand das neue Kombi-Analgetikum

Stuttgart - 05.12.2018, 09:00 Uhr

In der Kaffeepause entstand die Idee, Ibuprofen mit Coffein in einem Schmerzmittel zu kombinieren. (c / Foto: stock.adobe.com)

In der Kaffeepause entstand die Idee, Ibuprofen mit Coffein in einem Schmerzmittel zu kombinieren. (c / Foto: stock.adobe.com)


Seit kurzem liefert Sanofi die fixe Kombination aus Ibuprofen und Coffein an Apotheken aus. Der Handelsname: Thomapyrin® Tension Duo. Doch wie es überhaupt zur Idee für dieses Präparat kam, hat sein „Erfinder“, Dr. Thomas Weiser, DAZ-Herausgeber Peter Ditzel erzählt.

Seit kurzem steht die fixe Kombination aus Ibuprofen und Coffein in der Lauer-Taxe mit der Indikation: „Zur Behandlung akuter mäßig starker Schmerzen bei Erwachsenen. Bis dahin war es langer Weg. Der Mann, der maßgeblich am Zustandekommen des neuen Präparats beteiligt war, ist Dr. Thomas Weiser, der heute beim Pharmaunternehmen Sanofi arbeitet, dem Unternehmen, das mit dem Jahreswechsel 2016/2017 die OTC-Sparte von Boehringer übernahm.

Weisers Gedanken waren immer wieder um die Überlegung gekreist, ob und wie man heute noch etwas Innovatives im Analgetika-Markt entwickeln könnte. 2005 erscheint die Thomapyrin®-Studie von Professor Diener, die zeigt, dass das Kombinationsanalgetikum einen schnelleren Wirkungseintritt aufweist als die Monosubstanzen alleine. Hinzu kam: Beim Blick auf den Schmerzmittelmarkt konnte man bereits einen Trend in Richtung Ibuprofen erkennen. „Als ich mich damals in einer Kaffeepause mit Kolleginnen und Kollegen über diese Entwicklung unterhielt“, erinnert sich Weiser, „kam mir die Idee: Warum nicht Ibuprofen mit Coffein in einem Schmerzmittel kombinieren? Das müsste man doch mal versuchen! Oder sollte es das vielleicht schon geben? Und wenn nicht, sollte es Gründe geben, warum dies noch nicht auf dem Markt ist?“

Noch kein Unternehmen hatte diese Idee

Zu seiner großen Überraschung gab es zu diesem Thema nichts bis wenig in der Literatur. Das Ergebnis seiner Recherche: Die Idee, 400 mg Ibuprofen mit einer klinisch belegten sinnvollen Coffein-Dosis von 100 mg zu kombinieren, hatte noch kein Pharmaunternehmen aufgegriffen. Das beflügelte 2007 seine Idee: „Wie wäre es denn, wenn wir das mal in Angriff nehmen?“

„Zu unserer großen Freude machte das BfArM klare Angaben, welche Daten für eine solche Arzneimittelentwicklung nötig wären“, berichtet Weiser. So lag es auf der Hand, dass man an klinischen Daten nicht vorbeikommt. Die Zulassungsbehörde ließ wissen: Wenn man zeigen könne, dass die Kombination aus Ibuprofen und Coffein in einer OTC-relevanten Indikation wirksamer als Ibuprofen, sicher und verträglich sei, könne man es mittragen, ein solches Arzneimittel rezeptfrei verfügbar zu machen.

Dr. Thomas Weiser betrieb über zwölf Jahre ein pharmakologisches Labor in der ZNS-Forschung bei Boehringer Ingelheim, wo er Programme zur Erforschung und Entwicklung von Analgetika zur Behandlung neuropathischer Schmerzen leitete. Dem Thema „Schmerz“ blieb er auch in der Abteilung „Medical Affairs“ treu, in die er 2007 wechselte: Hier betreut er (ab 2017 bei Sanofi) systemische und topische OTC-Schmerzpräparate.

Verleiten coffeinhaltige Kombis zur Mehreinnahme?

„Wir haben eine klinische Studie gemacht, um zu zeigen, welche Effekte Coffein konkret hat“, berichtet Weiser, „es war nämlich immer noch nicht geklärt, ob und wie Coffein dazu beiträgt, dass der analgetische Wirkstoff schneller resorbiert wird oder ob Coffein selbst eine analgetische Wirkkomponente beisteuert. In unserer Wirksamkeitsstudie zeigte sich ein pharmakodynamischer Vorteil. Dann haben wir eine Kinetikstudie gemacht, um zu schauen, wo genau die Vorteile liegen, die wir in der Wirksamkeitsstudie gesehen haben. Und dann klärten wir in einer weiteren Studie die Frage: Hat unsere Kombination bezüglich der Kinetik einen Vor- oder Nachteil oder eine Gleichwertigkeit zu einem Lysinat.“ Weiser: „Wir wären schon zufrieden gewesen, wenn wir keinen Unterschied zwischen dem Ibu-Lysinat und unserer Kombination festgestellt hätten. Aber zu unserer großen Überraschung zeigte unsere Studie, dass Ibuprofen aus unserem Präparat schneller anflutet als ein Ibu-Lysinat, die Cmax war höher und die tmax kürzer als beim Lysinat.“ Die Studien zeigten, dass man mit der neuen Kombi die höchsten Plasmaspiegel etwa 20 Minuten früher erreicht, als es die Lysinat-Verbindung schafft.

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Das neue Kombi-Analgetikum wurde auch im Schmerzmodell getestet, das man heute für Akutschmerzen einsetzt, nämlich nach dem Ziehen von Weisheitszähnen. Die Versuchsreihe zeigte: Setzt man den Effekt von Ibuprofen als Monosubstanz auf 100 Prozent, liegt man mit der Kombination um 40 Prozent besser – „das ist erheblich besser“, so Weiser, „und dies auch bei einem deutlich schnelleren Wirkungseintritt.“ In die Fachinformation konnte aufgenommen werden, dass die Schmerzen rund 55 Minuten schneller gelindert werden. Weiser: „Man kann sagen, dass die Kombi also etwa doppelt so schnell wirkt wie Ibuprofen alleine. Auch die Responderrate liegt höher, mit Ibuprofen Mono bei 50 Prozent, in der Kombination mit Coffein bei 70 Prozent – das ist viel.“ Auch placebokontrollierte Studien zeigten: Die Kombination mit Coffein erwies sich immer überlegen, die Patienten nahmen aufgrund der guten Wirkung sogar weniger ein, um einen schmerzstillenden Effekt zu erzielen. „Einige Kritiker meinen bekanntlich, dass die coffeinhaltigen Kombis zur Mehreinnahme verleiten. Das Gegenteil ist der Fall“, stellt Weiser heraus. Und er schwärmt: „Das waren lauter Perlen, die wir gefunden hatten, das ging mir zu Herzen. Ich bin noch heute über diese guten Daten begeistert. Wir stehen mit einem Korb voll positiver Ergebnisse da, mit denen wir in dieser Deutlichkeit nicht gerechnet haben.“ Ich bin glücklich, dass unser Unternehmen diese Idee aufgegriffen und durchgezogen hat.“

Die Zulassungsbehörde sah die eingereichten Daten als ausreichend an, auch die Überlegungen zu möglichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und vieles mehr. Weiser: „Es erfüllte uns mit Stolz, dass wir alle Bedenken ausräumen konnten. Es war ein großer Moment für uns, als wir Ende 2016 die Zulassung in den Händen hielten – vergleichbar mit dem Gefühl nach einer großen Prüfung im Studium: Wir haben es geschafft.“

Das Geheimnis des Coffeins und mehr

Worin genau das Geheimnis des Coffeins liegt, warum Ibuprofen plus Coffein kein „normaler“ OTC-Switch ist und warum es nach der Zulassung so lange dauerte, bis das Präparat letztendlich in den Apotheken verfügbar lesen Sie in dem Artikel „In einer Kaffeepause: Ibuprofen plus Coffein – wie das neue Kombi-Analgetikum entstand“, der in DAZ 48 erschienen ist.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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