Welt-AIDS-Tag

Neue Entwicklungen für die HIV-Therapie

Berlin - 01.12.2018, 07:00 Uhr

Aktuelle Entwicklungen in der HIV-Therapie. Ein Überblick von Dr. Claudia Bruhn. (Foto: Imago)

Aktuelle Entwicklungen in der HIV-Therapie. Ein Überblick von Dr. Claudia Bruhn. (Foto: Imago)


Am heutigen 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag. Anlass für DAZ.online, aktuelle Entwicklungen für die Therapie dieser Erkrankung in den Fokus zu rücken. Welche Behandlungsoptionen gibt es? Und was sind Vor- und Nachteile dieser Arzneimittel? DAZ.online-Autorin Dr. Claudia Bruhn hat eine Übersicht erstellt.

Bei frühzeitiger Behandlung ist die Lebenserwartung HIV-Infizierter fast genauso hoch wie bei Gesunden. Nach den aktuellen Therapieempfehlungen soll deshalb mit der Behandlung möglichst direkt nach der Diagnose begonnen werden. Auch Patienten mit mehr als 500 CD4-Zellen/μl besitzen dann eine bessere Prognose, als wenn noch abgewartet wird.

Derzeit sind mehr als 30 antiretrovirale Medikamente verfügbar. Um die Adhärenz bei Langzeitbehandlung zu verbessern, werden verstärkt Fixkombinationen entwickelt, die die nur einmal täglich Tabletteneinnahme möglich machen. Allein 2018 sind in Europa zwei dieser Single-Tablet-Regime zugelassen worden (s. Tabelle unten), weitere werden folgen. So hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA im September dieses Jahres für den neuen nicht-nucleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Doravirin (Pifeltro) sowie für eine Dreifachkombination aus Doravirin, Tenofovirdisoproxil und Lamivudin (Delstrigo) eine positive Zulassungsempfehlung ausgesprochen. In den USA sind beide Medikamente bereits zugelassen. Doravirin soll ein gutes Resistenzprofil besitzen und besser verträglich sein als das NNRTI Efavirenz.

Präparate Wirkstoffe Zul.-jahr
Atripla* Efavirenz, Emtricitabin, Tenofovirdisoproxil 2007
Biktarvy Bictegravir, Emtricitabin, Tenofoviralafenamid 2018
Eviplera Emtricitabin, Rilpivirin, Tenofovirdisoproxil 2011
Genvoya Cobicistat, Elvitegravir, Emtricitabin, Tenofoviralafenamid 2015
Juluca Dolutegravir, Rilpivirin 2018
Odefsey Emtricitabin, Rilpivirin, Tenofoviralafenamid 2016
Stribild Cobicistat, Elvitegravir, Emtricitabin, Tenofovirdisoproxil 2013
Symtuza Darunavir, Cobicistat, Emtricitabin, Tenofoviralafenamid 2017
Triumeq Abacavir, Dolutegravir, Lamivudin 2014

* Generika, z.B. von Ratiopharm, Zentiva

Tabelle: In Europa zugelassene Single-Tablet-Regime zur HIV-Therapie (Stand: 20.11.2018, Quellen: Rote Liste online, www.ema.europa.eu)

Durchbrüche in absehbarer Zeit erwartet

Eine Sonderstellung unter den kürzlich in Europa zugelassenen Single-Tablet-Regimen nimmt Juluca, eine Kombination aus dem Integrase-Strangtransfer-Inhibitor (STI) Dolutegravir und dem NNRTI Rilpivirin, ein. Es handelt sich um das erste derartige Behandlungsregime mit nur zwei Wirkstoffen. Man erhofft sich von dieser Kombination ein geringeres Nebenwirkungsrisiko. Ein Vorteil für die Anwendung wird auch darin gesehen, dass die Tabletten deutlich kleiner sind als bei den bisher zugelassenen antiretroviralen Fixkombinationen. 

Rote-Hand-Brief zu Dolutegravir

Dolutegravir ist außerdem im Single-Tablet-Regime Triumeq enthalten. Im Mai 2018 veröffentliche der Zulassungsinhaber Dolutegravir-haltiger Arzneimittel (ViiV Healthcare) einen Rote-Hand-Brief, der vor der Anwendung des Wirkstoffs in der Schwangerschaft bzw. bei Kinderwunsch warnt. Der Grund: In einer Studie in Botswana waren unter 426 Geburten vier Fälle mit Neuralrohr-Defekten („offener Rücken“) aufgetreten.

Zwölfmal spritzen statt 365-mal schlucken?

In absehbarer Zukunft rechnet man mit weiteren Durchbrüchen in der Entwicklung von HIV-Therapeutika, die die Behandlung noch Patienten-freundlicher gestalten könnten. Anlass sind unter anderem die positiven Ergebnisse aus Studien mit einer Kombination aus Cabotegravir und Rilpivirin, die nur alle vier Wochen intramuskulär verabreicht werden müsste. In der Phase-III-Studie FLAIR (First Long-Acting Injectable Regimen) war diese Kombination bei erwachsenen HIV-1-Infizierten nach 48 Wochen ähnlich wirksam wie die oral eingenommene Kombination aus Abacavir, Dolutegravir und Lamivudin (Triumeq). Ebenfalls parenteral (als Infusion alle zwei Wochen) verabreicht wird der CD4-Antikörper Ibalizumab, der in den USA im März 2018 zugelassen wurde.

Hoffnung für vielfach vorbehandelte Patienten

Unter den zahlreichen oralen Wirkstoffen, die sich derzeit in klinischer Prüfung befinden, besitzt Fostemsavir die Besonderheit, dass er bei stark vorbehandelten, mit mehrfach resistentem HIV-1 infizierten Patienten wirksam und sicher war. (2). Fostemsavir ist ein kleines Molekül, das am Hüllprotein gp120 des HI-Virus  angreift und dadurch dessen Bindung an den CD4-Rezeptor verhindert. Es gehört zur neuen Wirkstoffklasse der Attachment-Inhibitoren. Gemeinsam mit den CCR5-Antagoinsten (Maraviroc) und den Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid) bilden die Attachment-Inhibitoren die Gruppe der Entry-Inhibitoren. Wegen seines neuen Wirkmechanismus erhielt Fostemsavir 2015 den „Breakthrough Status” der FDA.



Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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