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Müssen Blutegel dokumentiert werden?

Stuttgart - 30.11.2018, 07:00 Uhr

Trotz Vorsilbe: Blutegel sind keine Blutprodukte. (j / Foto: kreativwerden / stock.adobe.com)

Trotz Vorsilbe: Blutegel sind keine Blutprodukte. (j / Foto: kreativwerden / stock.adobe.com)


Blutegel ernähren sich von Blut und werden zu therapeutischen Zwecken auch beim Menschen angewandt. Die Abgabe der wenig schönen Parasiten erfolgt unter anderem in der Apotheke. Doch: Sind Blutegel Blutprodukte und müssen Apotheker diese laut Transfusionsgesetz dokumentieren?

Blutegel werden therapeutisch genutzt, wobei das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät, „die Anwendungen der Blutegel (…) auf das medizinisch notwendige Maß einzuschränken“. Eingesetzt werden Blutegel unter anderem bei der Behandlung venöser Obstruktionen im chirurgischen und rekonstruktiven Bereich oder bei Arthrosen oder chronisch regionalen Schmerzsyndromen, wenn therapeutische Alternativen abgewägt wurden.

Aber: Was sind Blutegel eigentlich? Arzneimittel? Medizinprodukte? Blutprodukte vielleicht? Immerhin ernähren sich Blutegel von Blut.
Doch Blutegel sind Arzneimittel, zumindest wenn sie im Rahmen der Humanmedizin angewendet werden. Im Arzneimittelgesetz § 2 Absatz 1 heißt es:


Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind.“

§ 2 Absatz 1 Arzneimittelgesetz 


Blutegel: apothekenpflichtige, zulassungspflichtige Fertigarzneimittel

Blutegel gelten als apothekenpflichtige und zulassungspflichtige Fertigarzneimittel, wie sie in § 4 Absatz 1 AMG definiert werden und bedürfen einer Packungsbeilage nach § 11 AMG.


Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden.“

 § 4 Absatz 1 Arzneimittelgesetz


Blutegel dürfen jedoch vom Hersteller oder pharmazeutischen Großhändler nicht nur an Apotheken, sondern laut § 47 Abs. 1 Satz 2h AMG auch an Krankenhäuser, Ärzte und Heilpraktiker abgegeben werden.

Blutegel unterliegen nicht dem Transfusionsgesetz

Blutegel fallen nicht unter das Transfusionsgesetz (TFG). Sie sind laut TFG § 2 Abs. 3 keine Blutzubereitungen wie sie in § 4 Abs. 2 AMG definiert sind als „Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten“. Ebenso wenig sind Blutegel natürlich „Sera aus menschlichem Blut“ oder „Blutbestandteile, die zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln bestimmt sind". Und somit entfallen auch die im Umgang mit Blutprodukten anfallenden Dokumentationspflichten der Apotheke. Aber müssen Apotheken nicht zumindest irgendetwas dokumentieren?

Pflichten der Apotheke bei Blutegeln

Auch wenn Blutegel als Fertigarzneimittel eingestuft sind, gehören sie nicht zum tagtäglichen Geschäft einer normalen Apotheke – weder einer öffentlichen noch einer Krankenhausapotheke. In einer Leitlinie veröffentlicht das BfArM Maßnahmen zur Sicherung von Qualität und Unbedenklichkeit beim Umgang mit Blutegeln in der Humanmedizin. Unter anderem werden in der BfArM-Leitlinie die Anforderungen an das Fütterungsblut der Blutegel erläutert oder die zeitliche Latenz (Quarantänelagerung) von 32 Wochen zwischen der letzten Fütterung des Egels und der therapeutischen Anwendung. Auch die Chargendokumentation ist ein Thema. Unter einer Blutegelcharge versteht man „alle in einem Teich/Behälter gezüchteten und/oder gehaltenen Blutegel, die mit derselben Charge/denselben Chargen Blut gefüttert worden sind.“

Um den Weg der Blutegel zurückverfolgen zu können, verpflichtet die Leitlinie den Hersteller und den Anwender, die Chargennummer der Egel zu dokumentieren: „Die Rückverfolgbarkeit der Blutegel ist chargenbezogen sowohl von Seiten des Herstellers als auch von Seiten des Anwenders (Dokumentation der Chargennummer durch die Anwender) zu gewährleisten". Allerdings steht hier nichts von apothekerlichen Pflichten. Also keine Dokumentation. Das sieht auch die Apothekerkammer in Berlin so: „Eine Dokumentation nach Transfusionsgesetz bei einer Abgabe von Blutegeln in der Apotheke ist nach unserer Auffassung nicht erforderlich.“ Auch teilt das BfArM diese Einschätzung und bestätigte der Kammer, dass derzeit für Apotheken keine Dokumentationspflicht besteht.

Beratung zu Arzneimitteln

Allerdings müssen Apotheker – wie bei jedem anderen Arzneimittel auch – bei Abgabe der Blutegel ihren Beratungspflichten nachkommen, wie sie in § 20 der Apothekenbetriebsordnung steht. Das umfasst unter anderem die sachgerechte Anwendung des Arzneimittels. Die Patienten sind darüber zu informieren, dass ein Infektionsrisiko bei einer Blutegeltherapie nicht auszuschließen ist und dass Blutegel nach der Anwendung nicht erneut verwendet, sondern sachgerecht entsorgt werden müssen und nicht in die „Freiheit“ entlassen. Auch dürfen Nachblutungen aus der Wunde nicht gestoppt werden, da sie der Wundreinigung dienen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Minimum-Regelung ist eine kurzfristige Arbeitserlaunis ...

von Christian Timme am 01.12.2018 um 10:51 Uhr

einschließlich der willkürlichen Überprüfung des anmeldepflichtigen „Wohnortes“ innerhalb der Apotheke ... und natürlich die Berücksichtigung der Auswirkungen des UN-Migrationspaktes ...

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Blutegel - Blutsauger

von Heiko Barz am 30.11.2018 um 13:11 Uhr

Eigentlich ist dieser Bericht nicht kommentierbar. Wenn wir allerdings unseren wahnsinnig aufgeblähten Dokumentationskult zu Grunde legen, dann ist auch bei den Blutegeln so etwas denkbar. Es sollte sich eine Beratungskommission bilden, die sich dann intensiv mit diesen „Blutsaugern“ beschäftigt.
Vielleicht ergeben sich dann dabei interessante neue Ansätze zur Bewältigung andersartiger „Blutsauger“, die unseren Beruf vernichten wollen:

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