Arzneimittelskandale

Bundesregierung hat Arzneimittelüberwachung der Länder nicht kontrolliert

Berlin - 26.11.2018, 14:45 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium hat in den vergangenen Jahren keine Spezialisten in die Länder geschickt, um die Arzneimittelüberwachung vor Ort zu prüfen. (b/Foto: Sket)

Das Bundesgesundheitsministerium hat in den vergangenen Jahren keine Spezialisten in die Länder geschickt, um die Arzneimittelüberwachung vor Ort zu prüfen. (b/Foto: Sket)


Ullmann: Das ist ein Skandal!

FDP-Politiker Ullmann ist verärgert über die Antwort des Ministeriums. Angesichts der Skandale sei die Reaktion „ernüchternd“. Denn: „Trotz erheblicher Vollzugsdefizite bei Anwendung unseres strengen Arzneimittelrechts reagiert die Bundesregierung auf unsere Fragen nach dem Motto: ‚Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen!‘ Dass es die Bundesregierung nach Bekanntwerden des Falls Lunapharm nicht einmal in Erwägung gezogen hat, einen Beauftragten nach Brandenburg zu entsenden, ist ein Skandal!“, so Ullmann.

BMG verweist auf Arbeitsgruppe und Info-Plattform

In der Antwort weist das BMG allerdings auch darauf hin, dass es seit 2014 aufgrund von Fällen illegal gehandelter und gefälschter Arzneimittel italienischen Ursprungs eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe (AG) zum Thema Arzneimittelfälschungen gibt. Zur Erinnerung: Dem Brandenburger Händler Lunapharm wird unter anderem vorgeworfen, gestohlene Klinikware aus Italien importiert zu haben. Die Arbeitsgruppe dient dem Ministerium zufolge der „Stärkung des Informationsflusses sowie der Verbesserung der Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und der Optimierung der Verfahrensabläufe“. In der AG seien unter anderem von den Ländern und den Bundesoberbehörden neue Verfahrensanweisungen zu Arzneimittel- und Wirkstofffälschungen erarbeitet worden, heißt es weiter. Außerdem sei eine gemeinsame Informationsplattform in Form einer Datenbank geschaffen worden, die einen schnellen Überblick über die in Deutschland ergriffenen Maßnahmen der zuständigen Behörden der Länder ermögliche.

Außerdem verweist das Ministerium in seiner Antwort auf das kürzlich bekanntgewordene geplante Arzneimittel-Gesetzespaket. Das BMG hatte kürzlich einen ersten Referentenentwurf zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) in die Abstimmung geschickt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sollen bei der Arzneimittelüberwachung demnach künftig eine größere „Koordinierungsfunktion“ erhalten. Beide Institutionen sollen künftig etwaige Rückruf-Aktionen auf Ebene der Bundesländer koordinieren.

Ullmann: Spahns Arzneimittelpaket ist Etikettenschwindel

Aber auch damit will sich der FDP-Politiker Ullmann nicht zufriedengeben. „Die Stärkung der Koordinierungsfunktion des BfArM und des PEI für Rückrufe und eine Erweiterung der Rückrufkompetenz für das BfArM selbst lösen die Probleme von Nichtüberwachung oder mangelhafter Überwachung in Ländern oder Gemeinden nicht. So sind die nächsten Fälle praktisch vorprogrammiert“, erklärt der Mediziner gegenüber DAZ.online. Ohnehin handele es sich im GSAV in vielen Fällen um „Etikettenschwindel“. Die geplanten Regelungen zu Biosimilars und zur Hämophilie-Versorgung zeigen aus Sicht der FDP: „Es geht dort nicht um mehr Patientensicherheit, sondern um reine Kostendämpfung.“

Die Liberalen fordern nun, dass die Arzneimittelüberwachung „grundsätzlich reformiert und vom Kopf auf die Füße gestellt“ wird. Das Fallbeispiel USA zeige, dass eine effektive Arzneimittelüberwachungsstruktur auch auf Bundesebene etabliert werden könne. An einem Beispiel verdeutlicht Ullmann seine Forderung: „Es hilft nichts, wenn die Überwachung beispielsweise in Schleswig-Holstein tadellos funktioniert, wenn ein Importeur mit Sitz in Brandenburg auch dorthin mangelhafte oder gefälschte Arzneimittel vertreibt. Dagegen spielen für eine Bundesbehörde mit eigenen Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen Ländergrenze keine Rolle!“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.