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Bläschenalarm – schmieren gegen Lippenherpes 

Stuttgart - 22.11.2018, 16:30 Uhr

Um den Kontakt mit den infektiösen Bläschen zu vermeiden,
empfiehlt es sich, Herpescremes mit einem Wattestäbchen aufzutragen. ( r / Foto: domaskina

/ stock.adobe.com)

Um den Kontakt mit den infektiösen Bläschen zu vermeiden, empfiehlt es sich, Herpescremes mit einem Wattestäbchen aufzutragen. ( r / Foto: domaskina / stock.adobe.com)


Erkältungszeit ist auch Lippenherpeszeit. Zwar persistieren die Erreger ganzjährig in den Ganglien. Infektionskrankheiten, wie grippale Infekte, können sie aber reaktivieren. Die meisten Betroffenen suchen dann Rat in der Apotheke. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Optionen in der Selbstmedikation bei Herpes. 

Herpesviren sind weit verbreitet. Bei mehr als 90 Prozent der Erwachsenen sind laut der Deutschen STI-Gesellschaft (Sexually transmitted Infections) Antikörper gegen das Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1) nachweisbar, dem Hauptverursacher von Lippenherpes. Die Trennung HSV-1 Läsionen im Gesicht und HSV-2 im Genitalbereich stimmt übrigens so nicht mehr. HSV-1 zeichnet zunehmend für Infektionen der Geschlechtsorgane verantwortlich.

Nach der Erstinfektion, die oft symptomlos verläuft, verbleiben die Viren lebenslang in den Ganglien, bei HSV-1 sind das vor allem die Nervenknoten der Gesichtsnerven (Trigeminal-Ganglien). Bei vielen Infizierten machen sie nie Beschwerden, oft wissen die Betroffenen gar nicht, dass sie Virenträger sind, bei anderen hingegen kommt es immer wieder zu Reaktivierungen, die sich dann zumeist in Form von Lippenbläschen bemerkbar machen, in schlimmeren Fällen sich aber auch in die Mundhöhle oder Richtung Auge und Nase ausbreiten können. 

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Trigger für so eine Reaktivierung können Stresssituationen sein, aber auch Erschöpfungszustände, Klimaveränderung, Fieber, Infektionskrankheiten, Traumata, Ekelgefühl und Hormonumstellungen (in der Schwangerschaft, während der Menstruation). Und somit nimmt mit Beginn der Erkältungssaison oft auch die Zahl derer, die in der Apotheke Hilfe gegen ihren Herpes labialis suchen, zu. Präparate, Arzneimittel und Medizinprodukte, gibt es eine ganze Reihe. Sie haben alle gemein, dass sie maximal die Symptome verkürzen, nicht aber die Ursache eliminieren können.

So wirken Aciclovir und Penciclovir

Mittel der Wahl sind virustatikahaltige Cremes, die bei einer frühzeitigen Anwendung (beim ersten Kribbeln) die Krankheitsdauer etwas verkürzen können. Zwei Wirkstoffe sind auf dem Markt: Aciclovir (Zovirax® und Generika) und Penciclovir (Pencivir®). Beide sind sogenannte Nukleosidanaloga. Die Prodrugs werden durch die viruseigene Thymidinkinase aktiviert, indem sie phopshoryliert werden. Die Triphopshate haben eine um ein Vielfaches höhere Affinität zur viralen DNA-Polymerase als zur Polymerase der Wirtszelle. Sie blockieren zum einen die virale DNA-Polymerase, zum anderen werden sie als falsche Bausteine in die DNA eingebaut. Es kommt zum Kettenabbruch und somit zu einer Hemmung der Virusreplikation. Einige Studien deuten darauf hin, dass bei Penciclovir der Zeitraum bis zum Eintritt der Schmerzfreiheit etwas kürzer ist, zudem scheint es etwas schneller zum Erreichen des Krustenstadiums zu kommen, in dem die Läsion nicht mehr infektiös ist. Die Anwendung sollte möglichst früh erfolgen, am besten bevor Läsionen zu sehen sind. Im Krustenstadium ist der Einsatz nicht mehr sinnvoll. 

Pencivir® kann ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt werden. Die Anwendung erfolgt tagsüber etwa alle zwei Stunden mindestens sechsmal täglich. Empfohlen wird eine Behandlungsdauer von vier bis fünf Tagen. Bei Aciclovir gibt es keine Altersbeschränkung. Die Anwendung soll bis zu fünfmal täglich und über einen Zeitraum von vier bis zehn Tagen erfolgen. In dem kürzlich aus der Rezeptpflicht entlassenen Arzneimittel Zovirax® Duo ist Aciclovir mit Hydrocortison kombiniert. Die antientzündliche Wirkung des Cortisons soll die Symptomschwere reduzieren und den Heilungsprozess beschleunigen können.

Gibt's da auch was Pflanzliches?

Docosanol (Muxan®) soll durch Membraninteraktion die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran der Wirtszelle inhibieren und somit die Virusreplikation hemmen. Im Tierversuch wurden zudem antientzündliche Eigenschaften nachgewiesen. Der Wirkstoff ist ab zwölf Jahren zugelassen. Die Behandlung sollte beginnen, wenn noch keine Läsionen sichtbar sind. Laut ABDA-Datenbank konnte, wenn sich bereits Blasen oder Geschwüre entwickelt haben, eine Wirksamkeit zu diesem Zeitpunkt nicht gezeigt werden. Die Anwendung erfolgt fünfmal täglich – etwa alle drei Stunden (während des Wachseins).

Mit Lomaherpan® steht eine pflanzliche Option zur Verfügung. Es enthält einen Trockenextrakt aus Melissenblättern, der virustatische Wirkung hat, indem er durch Bindung an Oberflächenrezeptoren der Hautzellen verhindert, dass Viren in die gesunde Zelle eindringen. Auch hier ist deswegen ein möglichst früher Einsatz wichtig. Behandelt wird vier bis zehn Tage, der Einsatz ist ab einem Alter von einem Jahr möglich.  

Zink und Patches 

Topische Zinkzubereitungen (zum Beispiel Virudermin®) wirken adstringierend, kühlend und wundheilungsfördernd. Zudem wurde für Zinksulfat eine schwache virustatische und antibakterielle Wirkung nachgewiesen. Als Wirkmechanismus wird eine Hemmung der Virusadsorption und -penetration postuliert. Behandelt wird vier bis zehn Tage. Ein weiterer positiver Aspekt von Zinkzubereitungen ist der UV-Schutz. UV-Strahlung kann Lippenherpes begünstigen.

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Herpes-Patches (zum Beispiel von Compeed®) enthalten keinen Wirkstoff. Die Hydrokolloidpflaster halten die Wunde feucht und reduzieren so die Krusten- und Schorfbildung. Außerdem lindern sie den Schmerz und das Spannungsgefühl.

Von Hausmitteln wie Zahnpasta oder Teebaumöl ist abzuraten. Sie können die Haut zusätzlich reizen und austrocknen.

Allgemein gilt: Die Flüssigkeit in den Bläschen ist hochinfektiös. Der Kontakt mit den Bläschen sollte auf jeden Fall vermieden werden. Daher empfiehlt es sich, Herpescremes immer mit einem Wattestäbchen aufzutragen. Auch auf das Tragen von Kontaktlinsen sollte verzichtet werden, da die Viren leicht über die Hände ins Auge gelangen können.

Grenzen der Selbstmedikation

Lippenherpes ist in der Regel selbstlimitierend, und die Symptome können gut in der Selbstmedikation gelindert oder verkürzt werden. In manchen Fällen sollte in der Apotheke jedoch zum Arztbesuch geraten werden: 

  • bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem – krankheitsbedingt oder medikamentös,
  • wenn sich die Läsionen ausbreiten, zum Beispiel in die Mundhöhle, Richtung Auge oder Nase oder gar auf die Genitalien,
  • wenn sich die Beschwerden nach ein paar Tagen nicht bessern,
  • bei der Erstinfektion von Säuglingen,
  • wenn zusätzliche Krankheitssymptome auftreten.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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