„GERDA“ in Baden-Württemberg

Verzögert sich das E-Rezept-Projekt der Apotheker wegen Spahns Arzneimittel-Paket?

Berlin - 20.11.2018, 11:30 Uhr

Schon im kommenden Jahr wollen die Apotheker in Baden-Württemberg das E-Rezept testen. Das Bundesgesundheitsministerium meint aber, dass die dafür erforderlichen Neuregelungen frühestens im Frühjahr 2020 in Kraft treten könnten. Gibt es Verzögerungen? (j/Foto: imago)

Schon im kommenden Jahr wollen die Apotheker in Baden-Württemberg das E-Rezept testen. Das Bundesgesundheitsministerium meint aber, dass die dafür erforderlichen Neuregelungen frühestens im Frühjahr 2020 in Kraft treten könnten. Gibt es Verzögerungen? (j/Foto: imago)


Irgendwann in der ersten Jahreshälfte 2019 wollen die Apotheker in Baden-Württemberg das E-Rezept testen. So ist zumindest der Plan. Doch nach wie vor ist unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage das passieren soll. Denn: Laut Gesetz müssen Rezepte in Papierform abgerechnet werden. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) soll sich das ändern – allerdings erst 2020. Inwiefern diese Vorgabe das E-Rezept-Projekt sogar verzögern könnte, wollen die Apotheker nun prüfen.

Das Projekt „GERDA – Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheken“ – soll das neue Prestigeobjekt der ABDA werden. Kammer und Verband in Baden-Württemberg haben das Projekt initiiert und wollen damit das E-Rezept schon bald in zwei Regionen in Stuttgart und Tuttlingen testen. Konkret wollen sich die Apotheker an das Projekt „DocDirekt“ der Kassenärztlichen Vereinigung hängen, bei dem Ärzte ihre Patienten online beraten. Künftig soll es also möglich sein, dass diese „Online-Ärzte" E-Rezepte ausstellen. Wie das Konzept technisch funktionieren soll, ist noch nicht klar. Ein Datum haben die Apotheker aber bereits im Auge: In der ersten Jahreshälfte 2019 soll es losgehen.

Nach Informationen von DAZ.online haben die Apotheker in Baden-Württemberg eine der wichtigsten Fragen aber nach wie vor nicht geklärt: Auf welcher rechtlich-regulatorischen Grundlage findet das Projekt statt? Sowohl im Bundesmantelvertrag zwischen den Ärzten und Kassen als auch im Rahmenvertrag zwischen Apothekern und Kassen wird von einem Papierrezept ausgegangen. So ist im Rahmenvertrag und in der Abrechnungsvereinbarung zwischen Kassen und Apothekern von „Verordnungsblättern“ die Rede, die zur Abrechnung bei den Kassen eingereicht werden müssen.

Damit diese Formulierungen geändert beziehungsweise ergänzt werden, müssen der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband die Änderungen an den Dokumenten gemeinsam aushandeln. Und genau das will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun forcieren: Im ersten Entwurf des GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) werden beide Spitzenverbände verpflichtet, innerhalb von sieben Monaten die Voraussetzungen für elektronische Verordnungen zu regeln. Im Juli 2019 soll das GSAV in Kraft treten. Wenn Kassen und Apotheker in diesem Fall ausnahmsweise zügig zu einer gemeinsamen Lösung kommen, die nicht von einer Seite beklagt wird, könnten die Voraussetzungen für das E-Rezept also im Frühjahr 2020 stehen.

Unterschiedliche Signale aus dem BMG

Was bedeutet das nun für das Vorhaben der Apotheker in Baden-Württemberg? Dazu liefert der Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zwei äußerst unterschiedliche Signale. Einerseits heißt es, dass solche Projekte, die vor der offiziellen Einführung der Telematikinfrastruktur starten, „wichtige Impulse für die von der Gesellschaft für Telematik (gematik) zu treffenden Festlegungen“ liefern können. Andererseits heißt es in der Begründung des Entwurfes auch ganz klar, dass „auf Grundlage der neuen Regelungen“ E-Rezepte verwendet werden können. Und weiter: „Dadurch können bereits vor der flächendeckenden Einführung elektronischer Verordnungen in der Telematikinfrastruktur (…) Projekte durchgeführt werden.“ Das heißt: Erst kommen die Änderungen in den Verträgen der Selbstverwaltung, dann können die Projekte losgehen.

Besondere Versorgungsform? Ausnahme-Erlaubnis?

Auch die Apotheker in Baden-Württemberg scheinen nun nicht genau zu wissen, wie sich diese Formulierungen auf ihr Vorhaben auswirken. Auf die Frage, ob es beim Plan, das E-Rezept schon 2019 zu testen, bleibe oder ob es zu Verzögerungen komme, sagte ein Kammersprecher: „Ob der Gesetzentwurf unser Vorhaben betrifft, werden wir prüfen und uns diesbezüglich natürlich eng mit unserem Sozialministerium in Baden-Württemberg als auch mit der ABDA abstimmen. Um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen, gibt es auch schon zum jetzigen Zeitpunkt einen intensiven Austausch mit der Ärzteschaft und den Krankenkassen.“ Die „Aktivitäten des Gesundheitsministers“ beobachte man aber mit großem Interesse. „Das bestätigt uns in den Bemühungen, ein elektronisches Rezept einzuführen“, so der Kammersprecher.

Vielleicht könnten auch die sogenannten besonderen Versorgungsformen ein Ausweg für das Dilemma sein: Im Paragrafen 140a des Sozialgesetzbuches V ist geregelt, dass Kassen und Leistungserbringer besondere Versorgungsmodelle planen können, die in ihrer Konzeption von anderen Regulierungen abweichen. Doch auf die Frage, auf welcher rechtlichen Basis die Apotheker ihr Projekt im kommenden Jahr durchführen wollten, antwortete der Kammersprecher nur ausweichend: „GERDA ist ein Modellprojekt, das durch unsere Aufsichtsbehörde, das baden-württembergische Sozialministerium, gefördert wird. Die einzelnen Projektschritte werden eng abgestimmt.“

Denkbar wäre natürlich auch eine Ausnahme-Erlaubnis, die sich die Apotheker vom BMG exklusiv für ihr Versorgungsmodell ausstellen lassen könnten. Auch in Bezug auf diese Frage antwortete der Kammersprecher ausweichend, lässt aber durchblicken, dass diese Variante durchaus eine Option sein könnte: „Wir setzen in Baden-Württemberg auf das telemedizinische Modellprojekt Docdirekt der Kassenärztlichen Vereinigung BW auf. Wie aus Veröffentlichungen des Sozialministeriums ersichtlich ist, wird die Ausweitung des Projekts um das elektronische Rezept dort sehr begrüßt. Eine Aussage des BMG in die gleiche Richtung würde uns natürlich sehr freuen.“

TK: Kann das E-Rezept-Projekt wirklich im Dezember schon starten?

Doch die Apotheker sind nicht alleine mit ihrem Wunsch nach einem schnellen E-Rezept-Projekt. Denn noch etwas weiter ist eigenen Angaben zufolge die Techniker Krankenkasse mit einem Versorgungsmodell in Hamburg. TK-Arzneimittelabteilungsleiter Tim Steimle hatte sein Projekt kürzlich auf dem Digitalkongress der Apothekerkammer Niedersachsen vorgestellt: Demzufolge sollen schon im Dezember einige Ärzte und Apotheker in einem Hamburger Stadtviertel das E-Rezept testen. Wie weit das Projekt ist, ob es so wie geplant schon in wenigen Wochen starten kann und ob der GSAV-Entwurf die Einführung verzögern könnte, war allerdings nicht zu erfahren. Die TK wollte sich vorerst nicht zu Details äußern.  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

E-rezept

von Ratatosk am 20.11.2018 um 19:04 Uhr

Glaubt irgendwer, daß das E-rezept etwas anderes ist als ein wichtiger Baustein für die dann leichte Verschiebung der Rezepte an Großkonzerne. Ist ja leicht zu durchschauende aber konsequente Strategie, die aber erstaunlicherweise kaum jemand erkennt.
Von DrEd aus London über Land xy direct an den Patienten/in/d , das ist das Ziel, das e-rezept der Weg, inklusive der Ferndiagnose. Ist da so schwer zu durchschauen.

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