DHV-Konferenz

Cannabis-Legalisierung: Wie stehen die Zeichen in dieser Wahlperiode?

Berlin - 20.11.2018, 17:55 Uhr

Wie steht`s im Bundestag um die Cannabispolitik? DHV-Geschäftsführer Georg Wurth (Mitte links) fühlte den drogenpolitischen Sprechern Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Niema Movassat (Partei die Linke, im Bild: Mitte rechts) und Dirk Heidenblut (SPD) auf den Zahn. (c / Foto: Phillip Stengelin)

Wie steht`s im Bundestag um die Cannabispolitik? DHV-Geschäftsführer Georg Wurth (Mitte links) fühlte den drogenpolitischen Sprechern Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Niema Movassat (Partei die Linke, im Bild: Mitte rechts) und Dirk Heidenblut (SPD) auf den Zahn. (c / Foto: Phillip Stengelin)


Die Debatte um das Cannabisverbot bleibt lebendig. Die Anträge der Legalisierungsbefürworter im Bundestag ähneln denen der vergangenen Legislaturperiode. Ist das Schicksal dieser Initiativen vorgezeichnet? Auf der Jahreskonferenz des Deutschen Hanfverbandes analysierten Fachpolitiker neue und alte Einflussfaktoren auf die Cannabispolitik. Konferenzteilnehmer konnten zudem erfahren, welche weiteren Weichen im Hintergrund bis Weihnachten gestellt werden.

Neun Monate sind seit der Bundestagsdebatte ums Cannabisverbot vergangen. Die diskutierten Anträge wie etwa das Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen oder der Linken-Antrag auf Entkriminalisierung geringer Mengen sind aus der vergangenen Wahlperiode bekannt. Auch Modellprojekte, wie sie die FDP vorschlägt, wurden in der Vergangenheit auf regionaler Ebene angestrebt und scheiterten seinerzeit. Ein drogenpolitisches Déjà-vu oder neues Spiel – neues Glück?

Darum ging es unter anderem am vergangenen Freitag auf einer Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten im Rahmen der Jahreskonferenz des Deutschen Hanfverbandes (DHV) in Berlin. DHV-Geschäftsführer Georg Wurth versuchte in der Moderation den drogenpolitischen Sprechern der Grünen (Dr. Kirsten Kappert-Gonther), Linken (Niema Movassat) und SPD (Dirk Heidenblut) eine Prognose über die Legalisierungsfrage zu entlocken.

Bewegt sich was in der Union?

Die Debatte hatte in den vergangenen Wochen an Fahrt aufgenommen, da aus den Regierungsfraktionen vereinzelte Signale der Öffnung kamen. So äußerte etwa im September der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel (CDU), er könne sich Cannabis-Modellprojekte vorstellen. Handelte es sich dabei um eine Einzelmeinung?

Drogenpolitik sei derzeit wahrscheinlich nicht das wichtigste Thema der Großen Koalition, so die Teilnehmer. Die Union befinde sich gerade in einer Umbruchphase, weshalb eine Prognose schwierig sei, erklärte Movassat. Allerdings solle aus Sicht des Linken-Politikers das Zeitfenster nach der Aussage Rüddels für gemeinsame Aktionen zwischen den Abgeordneten genutzt werden.

„Ich kenne CDU-Kollegen, die im Grunde für eine Legalisierung sind, es aber nicht wagen, dies öffentlich zu äußern. Bei der CSU sieht es allerdings anders aus“, differenzierte Kappert-Gonther. Was die langfristige Prognose betrifft, ist die Ärztin optimistisch. „Die Vernunft gebietet die Legalisierung.“ Dass es seit 18 Monaten Cannabis auf Rezept gebe, trage zu einer Öffnung der Gesellschaft gegenüber Cannabis bei.

SPD plant Fraktionsbeschluss bis Weihnachten

Bei der SPD haben sich inzwischen die Gesundheitspolitiker eine Meinung gebildet. Vor zwei Wochen forderte die Arbeitsgemeinschaft Gesundheit der Sozialdemokraten, Cannabis-Modellprojekte zu ermöglichen und den Besitz geringer Mengen als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat zu behandeln. Eine abgewandelte Mischung aus den Forderungen der FDP und den Linken, ohne die komplette Legalisierung wie die Grünen anzugehen. Doch wie steht die SPD-Bundestagsfraktion zu dem Vorstoß ihrer Gesundheitspolitiker? Dazu kündigte Heidenblut an, dass es noch vor Weihnachten einen Fraktionsbeschluss zur Cannabispolitik geben soll.

Wechselseitige Unterstützung bei Grünen und Linken

Die Parteien nähern sich dem Cannabisverbot auf unterschiedliche Weise. Suchen die Legalisierungsbefürworter im Bundestag bei einer Abstimmung den Schulterschluss? Für Kappert-Gonther sind die Vorschläge der anderen Parteien unzureichend. Eine Entkriminalisierung sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Der Schwarzmarkt und die damit verbundenen Risiken für die Gesundheit und die Jugend blieben jedoch bestehen. Modellprojekte dagegen seien regional begrenzt und aus Sicht der Medizinerin nicht mehr erforderlich. „Wir wissen genug. Die Zeit ist reif für eine komplette Legalisierung“, so Kappert-Gonther. Sollte die Politik jedoch noch nicht weit genug sein, würden die Grünen den Vorschlägen von FDP und Linken zustimmen.

Auch die Linken seien für eine komplette Legalisierung und würden dem Antrag der Grünen zustimmen, so Movassat. Weil das Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen im Vorfeld der ersten Bundestagsdebatte bekannt gewesen sei, habe man sich mit dem Antrag auf Entkriminalisierung für einen taktischen Zwischenschritt entschieden. Auch Modellprojekte würden die Linken zustimmen, sollten sie die einzige Option sein. Diese Variante könnte derzeit die „durchsetzbarste“ sein, so Movassat.

FDP: „Projektergebnisse nicht vorwegnehmen“

Bei der Diskussionsrunde waren weder AfD, CDU noch FDP vertreten. Würden die Liberalen den Vorschlägen von Grünen und Linken zustimmen? Der drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Wieland Schinnenburg, erklärte im Nachgang der Veranstaltung gegenüber DAZ.online: „Hierüber hat die FDP-Bundestagsfraktion noch nicht entschieden. Allerdings haben wir ja ein Modellprojekt beantragt, und es wäre nicht sinnvoll, Anträgen zuzustimmen, die das Ergebnis des Modellprojektes vorweg nehmen.“

WHO: Neubewertung von Cannabis bis Weihnachten

Wie die Abstimmung im Bundestag ausgehen wird, ist also schwer vorherzusehen. Doch auf der Konferenz wurde noch ein wichtiger, globaler Einflussfaktor auf die Legalisierungsdebatte thematisiert. Und zwar geht es um die internationale Rechtsgrundlage für die Cannabisprohibition. Dass in Deutschland Cannabis zu Konsumzwecken verboten ist, wird häufig mit dem UN-Einheitsabkommen über Betäubungsmittel von 1961 begründet, demzufolge Cannabis als gefährliche Droge eingestuft wird, die einer Überwachung bedarf. Diese Einstufung beeinflusst die nationale Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, wobei die Länder schon jetzt einen gewissen Spielraum haben, wie das Beispiel Kanada zeigt.

Auf globaler Ebene will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Gefahrenpotenzial der Cannabispflanze bis Weihnachten neu bewerten, erklärte Christoph Rosner, der im Juni an der Konferenz des WHO-Drogenexpertenkomitees (ECDD) in Genf teilgenommen hatte. Die Empfehlungen der WHO seien für die UN zwar nicht verbindlich. Doch häufig folge die UN der Einschätzung der WHO. Und die Zeichen für einen Paradigmenwechsel bei der WHO stehen Rosner zufolge gut. Eine Neubewertung von Cannabis auf völkerrechtlicher Ebene hätte wiederum Einfluss auf die UN-Mitgliedstaaten und damit auch auf die Legalisierungsdebatte in Deutschland.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Legalize it

von Christianbem am 01.01.2019 um 2:37 Uhr

Die Ironie an der Cannabis Prohibition ist nicht zu übersehen. Jeder der immernoch gegen eine legalisierung ist, weigert sich die Sachlage zu akzeptieren und ignoriert die Fakten schlichtweg.
Mein Appell an jeden Volljährigen Cannabis Gegner:
Machen Sie sich frei von den Vorgegebenen Meinungen und bilden Sie sich selbst eine!

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Besser sofort legalisieren!

von Peter0815 am 21.11.2018 um 17:18 Uhr

Seit März 2017 ist die medizinische Anwendung von Cannabis erlaubt. Die Versorgung der Patienten sollte durch einen staatlich regulierten Anbau erfolgen. Bis heute wurde das nicht umgesetzt. Es wurde noch nicht einmal damit angefangen.

Wenn nun Modellprojekte beschlossen werden, wird es auch erst Jahre dauern, bis wirklich was passiert. Bis die Modellprojekte durchgeführt worden sind und die Ergebnisse ausgewertet sind, vergehen nochmal Jahre. Bis dann eine Entscheidung getroffen und umgesetzt wird, streichen weitere Jahre ins Land.

In dieser Zeit werden Cannabiskonsumenten immer noch strafrechtlich verfolgt und diskriminiert. Viele Konsumenten werden ihre Fahrerlaubnis verlieren, obwohl sie nicht berauscht gefahren sind. Das Cannabisverbot vernichtet Existenzen. Soll das wirklich so weiter gehen?

Liebe Politiker, macht Euch endlich klar, dass die Prohibition gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung von Menschen verstößt. Das ist verfassungswidrig. Dieser Zustand muss so schnell wie möglich beendet werden. Da muss man rein gar nichts erst noch ausprobieren!

Deshalb macht den Weg frei für die Legalisierung von Cannabis und sorgt auch für einen vernünftigen und fairen Grenzwert für THC im Straßenverkehr.

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Sehr schöner Artikel

von Pseudonym am 21.11.2018 um 14:18 Uhr

Dieser Artikel fasst die letzten Geschehnisse sehr gut zusammen.
Es wird Zeit, dass wir uns den zur Zeit illegalen Drogen von einer anderen Seite nähern als alle Konsumenten zu Kriminellen zu machen.

Ich bin gespannt, was uns die Neubewertung der WHO bringt.

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