Cannabis-Versorgung im GSAV

Apothekenaufschlag und Genehmigung: Was soll sich beim Medizinalhanf ändern?

Berlin - 19.11.2018, 15:00 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium will mit dem GSAV-Referentenentwurf auch die Kosten bei der Versorgung mit Medizinalhanf eindämmen. ( r / Foto: Imago)

Das Bundesgesundheitsministerium will mit dem GSAV-Referentenentwurf auch die Kosten bei der Versorgung mit Medizinalhanf eindämmen. ( r / Foto: Imago)


Der erste Entwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) enthält auch Änderungen bei der Versorgung mit Medizinalhanf. So soll der Apothekenzuschlag neu verhandelt werden, um Geld beim Apothekenhonorar zu sparen. In bestimmten Situationen soll außerdem das Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen entfallen. Die drogenpolitischen Sprecher der Grünen und Linken kritisieren den Genehmigungsvorbehalt der Kassen ohnehin. Ein Überblick.

Seit dem 10. März des vergangenen Jahres kann Cannabis auf Kosten der Krankenkassen verordnet werden. Seitdem bestehen drei zentrale Probleme. Das Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen, ständig wiederkehrende Lieferengpässe und dass der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) seit Monaten ergebnislos über den Apothekenzuschlag streiten.

Spahn will Ausgaben bei Medizinalhanf senken

Zwei dieser Themen sind offenbar auch zum Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgedrungen. Am vergangenen Freitag hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seinen ersten Referentenentwurf für das  „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) vorgelegt. Neben den angekündigten Konsequenzen aus den Arzneimittelskandalen dieses Jahres enthält das Arzneimittelpaket auch Änderungen in der Versorgung mit Medizinalhanf. Dadurch sollen vor allem die Kassen-Ausgaben für Medizinalhanf gesenkt werden. Konkret will Spahn Ausnahmen beim Genehmigungsverfahren ermöglichen und DAV und GKV-SV verpflichten, über den Apothekenzuschlag zu verhandeln.

BMG fordert (erneut) Neuverhandlung des Apothekenzuschlags

Die letztgenannte Forderung ist nicht neu. So erklärte das BMG bereits im August des vergangenen Jahres in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, DAV und GKV-SV zu Verhandlungen über den Apothekenzuschlag aufgefordert zu haben. Da es bis heute keine Einigung gegeben hat, werden gemäß der Arzneimittelpreisverordnung das Abfassen von Cannabisblüten mit einem Zuschlag von 100 Prozent und die Weiterverarbeitung mit einem Zuschlag von 90 Prozent berechnet. Das BMG schätzt, dass durch eine Neuverhandlung des Zuschlages rund 25 Millionen eingespart werden können.

Wie bereitwillig wird der DAV hier nachgeben? Denn Cannabisblüten verursachen als Rezepturausgangsstoff in der Apotheke viel Arbeit. Jede Dose muss geöffnet und die Identität geprüft werden. Insbesondere die DC-Untersuchung, die rund 90 Minuten dauert, ist für kleine Apotheken neben dem Kundenbetrieb schwer zu leisten. Möglicherweise könnte es die Verhandlungen beschleunigen, die Apotheker zu entlasten, indem die Prüfungen vereinfacht oder Cannabisblüten fiktiv als Fertigarzneimittel betrachtet werden könnten. Doch in Spahns Gesetzesentwurf ist keine Erleichterung für die Apotheke vorgesehen.

GSAV: Wann die Genehmigung entfallen darf

Eine weitere Passage im GSAV widmet sich dem Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen. Wechselt der Arzt die Blütensorte oder zwischen einzelnen Cannabisextrakten, soll nun keine neue Genehmigung durch die Krankenkasse mehr erforderlich sein. Dies könnte insbesondere die Eingewöhnungsphase für Patient und Arzt erleichtern.

Bei der Beantragung muss der Arzt die Dosierung sowie die Blütensorte oder die Wahl des Cannabisextraktes angeben. Ob und bei welchen Änderungen der Cannabistherapie eine neue Genehmigung erforderlich ist, haben die Krankenkassen bislang unterschiedlich gehandhabt. Da es insbesondere zu Behandlungsbeginn notwendig sein kann, Dosierung und Cannabissorte zu variieren, kam es in ungünstigen Fällen zu mehrwöchigen Therapiepausen für die Patienten, weil die Genehmigung abgewartet werden musste. Denn die Krankenkassen haben drei Wochen Zeit, um einen Antrag zu bearbeiten – wird der medizinische Dienst eingeschaltet,sogar fünf Wochen.

Derzeit genehmigen die Krankenkassen etwa zwei Drittel der Anträge auf eine Cannabistherapie. (Foto: Imago)

Eine weitere Änderung betrifft die stationäre Versorgung: Muss ein Cannabispatient, dessen Therapie von der Krankenkasse bereits genehmigt wurde, ins Krankenhaus, ist keine erneute Genehmigung erforderlich. Auch mit diesen Änderungen erhofft sich das BMG Einsparungen durch eine „administrative Entlastung“ der Vertragsärzte, Krankenkassen und des MDK, die mit 60 Euro pro Cannabisfall geschätzt werden.

Grüne und Linke: Genehmigungsvorbehalt abschaffen

Fachpolitiker der Opposition sehen seit längerem Nachbesserungsbedarf bei der Versorgung mit medizinischem Cannabis. Auf der Jahreskonferenz des Deutschen Hanfverbandes (DHV) am vergangenen Freitag kritisierten die drogenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen Grüne, FDP und Linke den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen grundsätzlich.

 Aus Sicht von Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) ist der Eingriff in die Therapiehoheit des Arztes zu groß. „Die meisten Ablehnungen erfolgen aus formalen und nicht aus medizinischen Gründen“, weiß die Medizinerin. FDP-Gesundheitspolitiker Dr. Wieland Schinnenburg findet das derzeitige Genehmigungsverfahren zu bürokratisch. Auch Niema Movassat (Linke) findet, dass die Therapiefreiheit der Ärzte nicht durch die Krankenkassen eingeschränkt werden sollten. „Wenn ein Arzt Cannabis verschreibt, dann soll das ´gelten`“, forderte der Jurist.

Sowohl Kappert-Gonther als auch Movassat berichteten am Freitag, jeweils einen Gesetzesentwurf zur Streichung des Genehmigungsvorbehaltes vorbereitet zu haben. Beide Entwürfe würden sich – jeweils bei den Grünen und Linken - im fraktionsinternen Abstimmungsverfahren befinden.

Movassat kritisierte zudem die Höhe des Apothekenabschlags und stellte dabei die Verbindung zu dem hohen Arbeitsaufwand in Apotheken her. Aus seiner Sicht sollten Cannabisblüten wie ein Fertigarzneimittel gelten und die zeitraubende Prüfung in Apotheken abgeschafft werden. Denn die Ware sei bereits geprüft.

FDP-Politiker lernt Cannabis-Analytik in der Apotheke

FDP-Gesundheitspolitiker Dr. Wieland Schinnenburg lässt sich in der Berliner Witzleben-Apotheke von Apothekerin Patricia Christl zeigen, wie Cannabis untersucht wird. (Foro: DAZ.online)

Auch der FDP-Gesundheitsexperte Schinnenburg hat sich mit der Situation der Apotheken befasst. Auf der Konferenz berichtete er von seinem Besuch in der Witzleben-Apotheke in Berlin, die sich unter anderem auf die Versorgung von Cannabispatienten spezialisiert hat und einen Ratgeber für Ärzte entwickelt hat. Der FDP-Abgeordnete ließ sich dabei auch die Cannabis-Analytik im Labor zeigen. „Ich bedanke mich bei Frau Neuhaus, Frau Goerke und Frau Christl für die ausführlichen Informationen, aus denen ich wertvolle Erkenntnisse gewinnen konnte. Ich bin beeindruckt von der Sorgfalt und Qualität, mit der hier gearbeitet wird. 

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Es ist bedauerlich, dass die hohen bürokratischen Hürden und der Arbeitsaufwand, die Cannabistherapie unnötig behindern“, hatte Schinnenburg im Nachgang seines Apothekenbesuchs gegenüber DAZ.online erklärt.

BfArM: „Deutscher Anbau planmäßig"

Und was ist mit der dritten Baustelle – der angespannten Liefersituation bei den Cannabisblüten? Im Juli startete das BfArM einen zweiten Versuch zum Ausschreibungsverfahren für den deutschen Anbau, der 2020 beginnen soll. Brauen sich auch hier Verzögerungen zusammen? Auffällig ist, dass sich die Abgabefrist für Bieter, die ursprünglich für den 20. Oktober vorgesehen war, stückchenweise nach hinten verschiebt. Seit dem vergangenen Freitag gilt für Bewerber der 11. Dezember. Noch ist die Behörde optimistisch. Das BfArM geht derzeit davon, dass das Timing die Vergabe des Zuschlags und den Beginn des Anbaus 2020 planmäßig eingehalten werden kann, erklärt ein Sprecher gegenüber DAZ.online. 



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Genehmigungsverfahren

von Jan Elsner am 20.11.2018 um 17:30 Uhr

Grober fehler im Artikel
"Wechselt der Arzt die Blütensorte oder zwischen einzelnen Cannabisextrakten, soll nun keine neue Genehmigung durch die Krankenkasse mehr erforderlich sein."

Diese Passage ist so nicht richtig - aus den begründungen des Gesetzesentwurd und mitlerweile auch aus Rteilen geht hervor das die Sortenwahl immer Sache des Arztes ist. Die Krankenkassen dürfen hier nach der genehmigten erstverornung nicht eingreifen und es muss auch heute nicht neu genehmigt werden wenn die Sorte gewechelt wird.

Außer in einigen wenigen Fällen haben die Kassen dieses Vorgehen / Verhalten meistens außergerichtlich bei genügend Druck seitens der Patientschaft beigelegt.

Die Vorstellungen des Gesetzgebers waren hier rcht eindeutig und führten zu änderungen im Gesetzesentwurf, einen Tag vor Verabschidung im Gesetz!

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Blockade im Standeshirn

von norbert brand am 20.11.2018 um 8:26 Uhr

vollkommen richtig, Kollege Müller. Solange unsere Standesvertretung zzgl DAZ/ PZ die Identitätsprüfung eines Ausgangsstoffes, selbst wenn dieser GMP-gerecht hergestellt, geprüft und zertifiziert ist, weiter für notwendig erachten, werden sie sich irgendwann mal als Totengräber der Rezeptur benennen lassen müssen.

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Das bringt alles nichts...

von S. Hubert am 20.11.2018 um 8:25 Uhr

Solang die Ärzte sich nicht trauen es zu verschreiben (wegen dem Red Tape).
Und die Krankenkassen nicht bereit sind es zu bezahlen.

Eine Breitflächige Legalisierung ist überfällig.
Wenn es die Regierung und die Kassen es nicht vernünftig hinbekommen das alle die es brauchen vernünftig versogt werden, dann kann ich jedem Bürger nur nahelegen in den Grünen Wiederstand zu gehen und selbst anzubauen.

Ein Bestandteil der Natur kann nicht illegal sein.
Und man klebt auch keine Patente drauf.

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Wir Doofis

von Wolfgang Müller am 19.11.2018 um 20:11 Uhr

Das bisher schon absurde Cannabis-Defizit kleinerer Flächendeckungs-Apotheken wird nun also nochmal erhöht. "Doch in Spahns Gesetzesentwurf ist keine Erleichterung für die Apotheke vorgesehen," muffelt die DAZ.

Ja woher denn, wenn "Die ABDA" und "Der DAV", ja auch "Die DAZ" diese Erleichterung in Form der Abschaffung der völlig sinnfreien "Identitäts-Prüfung" SELBER gar nicht fordern?

"Es ist bedauerlich, dass die hohen bürokratischen Hürden und der Arbeitsaufwand, die Cannabistherapie unnötig behindern." Das sagt ein FDP-Abgeordneter, nicht etwa ein ABDA- oder DAV-Vorstand.

Die sitzen da in der Politiker-Runde bestimmt gerade zusammen, nach dieser Cannabis-Preissenkung von Jens Spahn, und warten feixend auf die entsprechende, zwingende, aber bei "Uns" natürlich ausbleibende Reaktion. Und werden Alle irgendwann mal sagen: "Die sind einfach soooo doof, jetzt lass uns die endlich mal wirklich abschaffen."

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