Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.11.2018, 08:00 Uhr

Drehen wir uns gerade im Kreis? Kein Rx-Versandverbot, keine Gleichpreisigkeit, keine Honorarerhöhung - wie geht das weiter? (Foto: Andi Dalferth)

Drehen wir uns gerade im Kreis? Kein Rx-Versandverbot, keine Gleichpreisigkeit, keine Honorarerhöhung - wie geht das weiter? (Foto: Andi Dalferth)


Diese Woche zeigte das gesamte Dilemma, die große Ratlosigkeit, in der die ABDA und damit wir Apothekers stecken: Wir wollen die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel, fragt sich nur wie? Klar, mit dem Rx-Versandverbot – aber das kriegen wir nicht. Na, dann mit Plan B – aber den haben wir nicht. Immerhin, darüber, dass wir nichts haben, reden wir schon mal. Und wenn wir das Rx-Versandverbot hätten, hätten wir noch lange keine Honorarerhöhung. Und nur eine Honorarerhöhung ohne Gleichpreisigkeit, macht auch nicht glücklich. Es ist zum Mäusemelken! 

12. November 2018

Also, ganz offiziell: Man darf, auch bei der ABDA, über einen Plan B oder, noch genauer, über „Pläne B“ statt eines Rx-Versandverbots diskutieren, aber nicht zu laut. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigte sich auf der Kammerversammlung in Mecklenburg-Vorpommern offen dafür. Es gibt natürlich noch keinen Beschluss, einen bestimmten Plan B zu verfolgen. Mein liebes Tagebuch, wenn man genau hinhört und hinschaut, stellt man fest: Es gibt ja auch noch keine spruchreife und ausgereifte Alternative zum Rx-Versandverbot. Wie auch! Sind ja auch erst zwei Jahre vergangen seit dem EuGH-Urteil. Wer will da erwarten, dass man sich Gedanken um Pläne B macht! Volltrunken und wie berauscht hatte sich die ABDA – und nicht nur die, sondern viele von uns – denn auch an ein Rx-Versandverbot geklammert, nachdem der vorige Bundesgesundheitsminister Gröhe seinen ersten Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot in die Welt gesetzt hatte. Mann, das war wie Koks, es machte so schnell abhängig, aber sowas von, dass man gar keine Notwendigkeit sah, an „Pläne B“ zu denken. Wenn ein Bundesgesundheitsminister das will, dann wird das schon werden – taumelte die verfasste Apothekerschaft wie narkotisiert dem ersehnten Versandverbot entgegen. Der ABDA-Präsident räumte auf der Kammerversammlung in Dresden ein: Wir sind der Versuchung erlegen, die ABDA-Politik konzentrierte sich auf ein Rx-Versandverbot.

Tja, und dann kam der Jungspund-Gesundheitsminister Spahn, zwar kein Digital Native, aber nah dran, gerne unterwegs auf Facebook, Twitter und in der Versandhandelswelt. Er ließ uns Apothekers unmissverständlich wissen: Das mit dem Rx-Versandhandelsverbot wird in unserer Amazon-Zalando-DocMorris-Welt nichts, immer mehr Menschen wollen alles mit Klick bestellen. Und nicht nur Spahn! Die Grünen und die Gelben sind sowieso fürs Versenden, die Roten halten vom Versandverbot ebenfalls wenig bis nichts und selbst bei den Schwarzen bröckelt schon seit einiger Zeit die Front, so schnell kann man gar nicht schauen. Und jetzt? Die ABDA tritt den geordneten Rückzug an – mit Betonung auf geordnet. Nach wie vor, so eine Pressemitteilung, heißt das ABDA-Credo: Wir wollen Gleichpreisigkeit, also einheitliche Abgabepreise für Rx-Arzneimittel. Das ist der Königswunsch. Aber wie will sie Gleichpreisigkeit erreichen? Na klar, mit dem Rx-Versandverbot! Da ist es wieder, mein liebes Tagebuch. Denn andere Lösungen, die Pläne B, gibt es nicht. Wenn Du, mein liebes Tagebuch, nun glaubst, dass man sich da im Kreis dreht, dann kann ich Dir kaum widersprechen. Also, wie geht’s weiter?

Schaut man sich das Szenario von außen an, scheint eine bleierne Blockade über dem Thinktank der ABDA zu hängen. Nach außen will man vom Rx-Versandverbot nicht lassen, weil man keine adäquate Alternative hat. Die manchmal gegen die ABDA aufmuckende Kammer Nordrhein hat sich sogar dazu entschlossen, mit einer Resolution zu bekräftigen, am Rx-Versandverbot festzuhalten, weil die Politik keine Alternative dazu vorgelegt habe. Jetzt sollen die nordrheinischen Apotheker ihren Bundestagsabgeordneten ein – Achtung! – Fax mit dieser Botschaft schicken. Mein liebes Tagebuch, entschuldige, wenn ich schmunzeln muss: Ist das nicht wahnsinnig digital und modern, ein Fax, ein Fax vom Apotheker, von wem sonst – haben die Bundestagsabgeordneten überhaupt noch Faxgeräte?
Abgesehen von solchen anekdotisch-verzweifelten Anstrengungen: Wie geht’s hinter den verschlossenen Türen der ABDA weiter, worüber brütet man nun? Ganz weltfremd sind unsere Standespolitiker ja nicht. So lässt der ABDA-Präsident nun durchaus wissen: Mit dem Rx-Versandverbot werden wir keine wirtschaftlichen Verbesserungen erreichen. Und das Festhalten am Rx-Versandverbot habe unserem Image als Besitzstandswahrer schon geschadet.

Schmidt stellte mutig die Frage: Löst ein Beharren auf dem Versandverbot unsere Probleme? Tut es natürlich nicht, mein liebes Tagebuch, denn der unfaire Wettbewerb mit den ausländischen Versendern ist nur eine der vielen Widrigkeiten, denen wir uns gegenübersehen. Da gibt es noch die ausstehende Anpassung unseres Honorars, die bisher nicht mögliche Einbindung der Apotheker in honorierte Präventionsleistungen, die honorierte Weiterentwicklung unserer beruflichen Tätigkeiten, die Überbürokratisierung. Außerdem, die Telemedizin und das E-Rezept stehen vor der Tür – noch wissen wir nicht, was da genau auf uns zu kommt. Wie also soll’s weitergehen? Man kann ja nach außen das Fähnchen mit Rx-Versandverbot noch eine Zeitlang vor sich hertragen. Aber die eigentlichen Zukunftschancen werden auf anderen Gebieten liegen. Seit der Schockstarre durch das EuGH-Urteil und der anschließenden Rx-Versandverbots-Trance ist schon viel Zeit vergangen. Die ABDA sollte sich Expertenrat von außen hinzuholen und dann  rasch und intensiv Gedanken machen, wie Pläne B aussehen könnten – ich habe Schmidt so verstanden, dass er diese Gedanken vorantreiben will.  



Peter Ditzel (diz), Apotheker
Herausgeber DAZ / AZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2018

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

21 Kommentare

Bitte löschen

von Karl Friedrich Müller am 18.11.2018 um 21:18 Uhr

Liebe Redaktion von der DAZ,
Für mich macht es keinen Sinn mehr, hier zu diskutieren.
Ich habe nur noch wenige Jahre bis zur Rente. Wenn ich schlau wäre, würde ich die Bude, so lange sie noch gut läuft, verkaufen. Mach ich aber nicht.
Ich steige aus der Diskussion aus. Generell.
Bitte löschen Sie meine Kommentare von heute.
Danke

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mission: Zero-Output-Fatalismus

von Wolfgang Müller am 18.11.2018 um 20:22 Uhr

Leider muss man sagen: Vieles Fatalistische hier bestätigt, dass die wichtigste Hoffnung im Moment "Die ABDA" selber ist. Bzw. die offensichtlich erfreulich anwachsende Minderheit der Aufwachenden dort.

Mindestens Kollege Michels hat in dieser Woche noch mal klar gemacht, worum es geht: ALLES in die Waagschale zu werfen und NICHTS unversucht zu lassen, bis hin zu einem neuen EuGH-Verfahren, um Rx-FESTPREISE weiter sicherzustellen. Weil sich der Erhalt des hiesigen und jetzigen, kleinteiligen freiberuflichen Apothekensystems in Europa gegen all die neoliberalen Versand- und "Digitalisierungs"-Megatrend-Gemeinplätze einfach FÜR ALLE LOHNT. Vor Allem auch Patienten und wertkonservative Politiker, links wie rechts.

Und NATÜRLICH sind Rx-Festpreise auch weiter möglich, auf einem noch zu vereinbarenden Weg. Wenn es die entscheidenden Beteiligten und Meinungsbildner weiter WOLLEN. Statt dieses Wollen ohne Not vorzeitig aus anderweitiger Opportunität aufzugeben. Mindestens Kollegin Peter hat hierzu auch schon des öfteren einen weiteren gangbaren Weg außer dem Rx-VV hartnäckig immer wieder beschrieben.

Ich kann mit dem Fatalismus und Dunkeltum hier überhaupt nichts anfangen. Keineswegs gibt es bereits eine Zwangsläufigkeit hin zu Preisfreigabe, Fremd- und Mehrbesitz usw. usf. Genau diese Zwangsläufigkeit zu präjudizieren bedeutet Fantasielosigkeit und mangelnde Werte-orientierte Kreativität.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Mission: Zero-Output-Fatalismus

von Reinhard Herzog am 18.11.2018 um 23:10 Uhr

@ Wolfgang Müller:
OK, dann haben wir uns bestenfalls ein Rx-VV ertrotzt. Die Umweglösungen via SGB etc. verstoßen ja bereits gegen die "reine Lehre" (u.a., durchaus ein berechtigter Einwand, wegen der Privatrezepte).

Der Rest an Zukunftsideen, zumindest sofern sie nennenswert Geld kosten, kommt dann die kommenden Jahre in den Tiefkühler - bis vielleicht irgendwann in der nächsten Legislatur ... das ist ja wohl seitens der BMG deutlich gemacht worden.

Zwangsläufig ist erstmal nur eines - dass es Veränderungen geben wird. Die nächsten Jahre absehbar deutlich mehr als die vergangenen - und noch ganz andere, einschneidendere als der leidige Versand. Damit kann man geschmeidiger und eleganter umgehen oder eben sehr "prinzipientreu", um es mal so neutral zu formulieren.

Im einen Fall hat man ganz gute Chancen, neue Gestaltungsspielräume zu erschließen (das Entscheidende überhaupt für wirkliche Unternehmer); im anderen Fall erhält man bestenfalls den status quo. Bis der irgendwann wieder unter Beschuss kommt.

Wollen wir uns wirklich immer so über die Jahre hinweg entlang hangeln? Langfristige Berechenbarkeit bekommen wir so nie. Und rückblickend hatten wir sie wohl auch nie, teils war es ja schon kurz vorm völligen Kippen (z.B. GMG 2004, EuGH-Urteil 2009). So betrachtet ist es eigentlich ein Wunder, wie viele trotzdem noch an Bord sind.

Apotheker*innen waren halt immer enorm leidensfähig - doch wird das der Nachwuchs auch noch sein? Und wollen wir ihm das zumuten?

Die Weggabelung heisst m.E. inzwischen:
Klug liberalisieren, oder wirklich klug und zukunftssicher regulieren (präferiertes Modell: Budgethoheit via kassenapothekerliche Vereinigung). Die kluge Regulierung muss übrigens eine Entschlackung (Abbau von unsinnigen Leistungen und Bürokratie) nicht ausschließen.
Dazwischen ist eben ziemlich unsicheres Niemandsland ...

Die Hüsgen-Strategie

von Dr.Diefenbach am 18.11.2018 um 20:00 Uhr

..wurde hier im Forum mehrfach angesprochen und bedarf eines Umdenkprozesses.Die Nichtmitgliedschaft zB im GBa ist einer der Riesenfehler der Vergangenheit.Es wurde seinerzeit mit zu hohen Kosten argumentiert,es wurden statt dessen Studien angefangen,deren Ergebnis bis heute nicht zur Verfügung steht.Die kassenapothekerliche Vereinigung zu analysieren wäre Sache der ABDA GF.Was steht uns eigentlich im Wege?Sicher das am Apothekertag von Herrn Hubmann beschriebene "Unikat" ABDA Struktur,das jeder Diskussion entzogen werden soll.Ein Unding.Es ist überholt .Man betrachte sich halt einmal die Meinungsbildungsprozesse in unserem Beruf.Theoretisch müssten Arten(!) von Apothekertagen mehrfach im Jahr stattfinden,man komme nicht mit der ABDA-MV als Argument.Nein,politische Interessen sollten viel breiter und öfter debattiert werde.Am selben Ort.Nach Veränderung unserer Gesamtstruktur,wo 34 zur Zeit bestimmen.Von 150000 in der Endkonsequenz.Was steht weiter im Weg?Die immer weiter gehende Herabwürdigung des Berufes durch Politiker,Wirtschaftsweise und ähnliche.Denn Wissenschaft gerät mehr und mehr ins Hintertreffen.Es stimmt die Gesamtstruktur NICHT mehr.Dass unser Gesamtwesen schräg liegt,scheinen aber nur die paar Menschen zu realisieren,die hier zB Kommentare abgeben.Also:Stehen wir uns nicht auch selbst im Wege?Ist das Desinteresse SO gross.ODER ist das Gesamtgefüge wirtschaftlicher Art der Apotheker doch dermassen IM Lot,dass wir paar hier desaströs herumspinnen und alles negativ sehen.Also :VORDENKEN.Wir verwalten,wie gesagt,50 MRD!!!!!Das sollte einen Kampf wert sein!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ergänzend

von Karl Friedrich Müller am 18.11.2018 um 15:48 Uhr

Möchte ich mal meinen Finger auf Merkels Management des Dieselskandals legen, der immer weiter ausartet:
Bei RxVV hat man „rechtliche Bedenken“ . Heilige EU und so.
Die NOx Grenzwerte sind EU Recht. Hier hat man keine Bedenken, die mal um eine Kleinigkeit, sprich 25%, anzuheben.
Im 2. Fall geht es auch nur um die Hinterteile der Politiker, die offensichtlich wichtiger sind, als unsere, oder die Gesundheit der Bevölkerung.
Das Verlogene der Politik ist sagenhaft.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ergänzend ... RXVV will auch Diesel-Nachlass ...

von Christian Timme am 18.11.2018 um 17:00 Uhr

Der Umgang mit den Apotheken bezüglich RXVV ist kein Zufall sondern politische Absicht. Der erneute Ausflug von Jens Spahn in die Gesundheitspolitik sollte bestimmt nicht seiner Gesundheit zuträglich sein ... in Analogie zur o.g. Grenzwerterhöhung sollte das RXVV weiter verfolgt werden und diese ewige „Tauschmentalität“ endgültig der Vergangenheit anheimfallen. Etwas mehr „Selbstbewusstsein“ kann nicht schaden ... da wirkte FS oft „zu gut erzogen“ ...

AW: Ergänzend Gesundheitsökologie

von Reinhard Rodiger am 18.11.2018 um 20:27 Uhr

Es ist richtig, dass die Standespolitik der Politik die Spur legt, uns so zu behandeln. Genau so richtig ist, dass die Politik dauernd die Koordinaten ändert und Berechenbarkeit als nicht notwendig erklärt.Zwischen diesen Polen wird eine Basis , die still den Alltag managt, zerrieben.Sie schafft es nicht,die Führung auszutauschen und die Politik geniesst das.

Es fehlt völlig,den eigentlichen Staatsauftrag und damit die Reichweite der Gemeinwohlaufgaben überhaupt definieren zu wollen.Denn es spielt sich ja so schön.

Das ist nicht verlogen, sondern angewandte Pragmatik.Da gibt es keine Gegenwehr.Deshalb das Ping-Pong-Spiel.

Dem kann nur durch argumentative Besetzung der kritischen Punkte begegnet werden.Dies verlangt in der Tat Selbstbewusstsein und eine Auseinandersetzung mit dem neoliberalen Zeitgeist und dessen evidente Unfähigkeit, mit vermeintlich nicht rentablen Gemeinwohlaufgaben zurecht zu kommen.

Es geht um Richtungsentscheidung .Doch dazu muss man sich äussern.Das fehlt.

Giftbombe Rx-VV ...

von Reinhard Herzog am 18.11.2018 um 13:19 Uhr

Das Rx-Versandverbot kann sich noch zu einem richtig vergifteten "Geschenk" entwickeln.

Dazu treibe man die Preise und Anforderungen an einen "Plan B" einfach zu hoch, und die Gegenseite sagt einfach Stopp. Dann wird halt - bestenfalls - das Rx-VV auf den mühsamen Gesetzgebungsweg gebracht, mit schwer kalkulierbarer Erfolgswahrscheinlichkeit. Und das war es dann erstmal.

Und irgendwer hebt das dann womöglich alsbald wieder auf ...

Derweil bleiben die Apotheker aber öffentlichkeitswirksam in ihrer angestammten Schublade "Bewahrer und Fortschrittsverweigerer" stecken. Die politischen Signale dahingehend sind eindeutig. Ob man diese Schublade beim Thema E-Rezept und anderen Zukunftsthemen wieder aufziehen wird, um die "Expertise" der Apotheken zu nutzen, ist fraglich.

Geradezu kafkaesk wird es, wenn man bei dieser Sachlage davon spricht, seines Einkommens, seiner Lebensperspektiven, der Altersversorgung und des Ansehens von außen (!) beraubt zu werden.

Diese Verzwergung gerade auch in finanzieller und strategischer Hinsicht betreibt der Berufsstand in geradezu exzellenter Weise selber. Sich selbst fesseln, immer mehr Gepäck aufladen und nach dem Beruhigungssauger schreien - und sich dann wundern, wenn man nicht mehr auf die Füße kommt, geschweige denn vorneweg zu laufen imstande ist.

Kein Motto "Das Beste oder nichts", sondern "Das Beste vom Schlechten".

Es gibt wohl kaum eine Branche, 50 Mrd € Umsatz und 12 Mrd. € Rohgewinn schwer, die derart miserabel kapitalisiert und strukturell aufgestellt ist und deren Unternehmenswerte derart niedrig sind. Der "In-die-Hosen-machen- und Angstabschlag" beträgt sagenhafte 60% bis 80% des Umsatzes. Und die kleinteilige Struktur zwingt viel zu viele Inhaber*innen in die Selbstausbeutung (und viel zu viele Angestellte in die drohende Perspektivlosigkeit), ohne Chance, dem Hamsterrad zu entfliehen. Es sei denn, irgendwann biologisch oder durch Ablauf des Mietvertrags ...

Leute, die Zeit der Kleinunternehmer ist in einem derart beäugten 50 Mrd.-Markt mehr oder minder vorbei. Das mag vielleicht noch bei Friseuren, Künstlern, Heilpraktikern oder einigen Handwerkern klappen, schon bei Bäckern oder Klamottenläden haut es nicht mehr hin. Auch bei den Ärzten sind die Konzentrationstendenzen unverkennbar - und die wissen das besser für sich zu nutzen.

Die Apotheken stecken in einem schmerzlichen Konsolidierungsprozess. Den kann man immer weiter unter zunehmenden Schmerzen vieler Beteiligter kaugummiartig hinziehen.

Oder man erkennt die Realitäten an - und nimmt das Schicksal selbst in die Hand. Passiv auf die Politik zu warten und immer dieselben Forderungen zu stellen, das wird es nicht bringen. Sollen die Politiker etwa die Lebenszukunft eines Berufsstands entwerfen?

Nein, das sollten wir doch besser selbst tun. Aber endlich mal ohne Scheuklappen, höchst fantasievolle Lebenslügen-Pflege und die Flucht in eine "Palliativ-Pharmazie" für Betriebe ohne eine lebenswerte Zukunft.

Und nein, es wird nicht die Milliarden regnen, die es benötigen würde, um die "schönen Nachkriegsjahre" bis etwa in die 1990er hinein zurückzubringen ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: Giftbombe----Neoliberalismus

von Reinhard Rodiger am 18.11.2018 um 14:32 Uhr

Das ist reinstes neoliberales Denken.Es führt durch Ausdünnung von Gemeinwohlleistungen zu Oligopolisierung mit nachfolgendem Diktat teurer Rumpfleistungen.
Gemeinwohlleistungen sind naturgemäss nicht rentabel.Deshalb müssen sie benannt werden.Das ist nicht der Fall.Eine Lösung ist nicht, dies nur zahlungskräftigen Kunden
oder entsprechend dicht besiedelten Gebieten zukommen zu lassen.Das macht schon eine andere Einteilung als nach frequenzgebundener Rentabilität zur Voraussetzung.
Die gegenwärtige Verarmung der Infrastruktur zu Lasten von Wohngebieten und dem Ländlichen Raum ist offensichtlich.
Deshalb kann reine Konzentration keine Lösung, sondern nur eine Optimierung für wenige sein.Das ist nicht hilfreich für eine alternde Bevölkerung.Verminderung der Biodiversität mindert die Lebensfähigkeit-
Die politische Lebenslüge ist, die Versorgung auf unzureichende finanzielle Basis zu gründen.Unabhängigkeit und persönliche Verantwortung ist der Gegenpol zu kapitalbedingter Konzentration.

AW: Giftbombe Rx-VV

von Anita Peter am 18.11.2018 um 15:35 Uhr

Wenn der Staat weiterhin die persönliche Haftung der Eigentümer will, wenn er das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie die Preisbindung will, dann muss er eben die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen und die Inhaber finanziell so stellen, das es sich lohnt eine Apotheke zu betreiben. Es hat ja anscheinend einen Sinn, warum es das bis jetzt alles gibt.

Wenn der Staat das nicht mehr will und die Zeit der Kleinunternehmer vorbei ist, dann muss er das mal klipp und klar so sagen und den von Ihnen beschrieben Plan umsetzen. Wenn das in 20 Jahren dann schön in die Hose gegangen ist, dann können Sie ja weiterhin in bekannt eloquenter Weise die dann geschaffene Situation analysieren.

AW: Giftbombe Rx-VV

von Karl Friedrich Müller am 18.11.2018 um 15:39 Uhr

Herr Rodiger hat hier schon geantwortet, doch will ich mal klar stellen, dass ich hier nicht rumheule. Ich beschreibe die Auswirkungen auf viele von uns und anderen Branchen, wie Sie richtig bemerken. Mitleidslos, wie wenn diese Entwicklung ein Naturgesetz wäre.
Auf Grund der Entwicklung das Schicksal in die eigenen Hände nehmen? In DEM regulierten Markt? Wird eine Zeit lang gehen, dann kommen die Gierigen wieder und mache es kaputt. (Das is die gleiche Einstellung, die Sie pflegen, wenn Sie sagen, lieber kein RxVV, weil es doch wieder zurückgenommen werden kann....)
Das Gesundheitswesen , auch wenn es in unserem Sektor evtl weniger kleinteilig organisiert werden kann, ist Aufgabe des Staates, Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kann nicht, wie auch in Krankenhäusern schon geschehen, Konzernen und Investoren überlassen werden. Das nenne ich kafkaresk! Wenn hier Beiträge direkt als Rendite überwiesen werden. Zu Lasten der KRANKEN, der MITARBEITER, der BETRIEBE, der ALLGEMEINHEIT, der NOTFÄLLE, der SCHWANGEREN und GEBÄRENDEN. Das ist Veruntreuung und Mißbrauch der Beiträge!
Herr Rodiger hat es schon angesprochen: Gesundheitsvorsorge, Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken usw können nicht nur dort statt finden, wo es sich lohnt!
Neoliberales Gedankengut zerstört den Staat in Gänze, führt zur Verarmung. Nichts anderes fordern SIe hier.
Schauen Sie sich um: Alles, was Konzerne ("Privatisierungen") übernehmen, funktioniert nicht mehr. Es nur eine Frage der Zeit, weil nur Geld entnommen wird für Aktionäre und Gewinne, die in Steuerparadiesen landen und nichts ! inverstiert wird. Es wird ausgelutscht und weggeworfen. dann kann sich der Staat wieder darum kümmern.
Es ist mir überhaupt schleierhaft, dass es hingenommen wird, wie viele Milliarden Steuern so verschwinden, gebilligt von der Politik. Wo ist da mal ein Kläger? ein Untersuchungsausschuss? Ein NAchforschen nach den Gründen solcher Entscheidungen?
Als Kleinunternehmer müssen bei Steuerprüfung oder Kassenprüfung über jeden Cent Auskunft geben. Bei verschwundenen Milliarden ist das egal.
Zu "Bewahrer und Fortschrittsverweigerer":
Das ist ein Totschlagargument von Personen, die die Moderne in Apotheken nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Es stimmt einfach nicht. Auch wenn in Teilen das System bewahrt werden soll. Weil es gut, preiswert und effizient ist. (inzwischen halt zu preiswert aus unserer Sicht) Die ganzen Jahrzehnte, die ich nun in der öffentlichen Apotheke arbeite, bald 4, waren Apotheken immer vorne weg in der Entwicklung. Weil bei uns Konkurrenz herrscht (wird ja auch immer bestritten). Ich hatte schon eine Homepage, als in vielen Branchen noch gar nicht daran gedacht wurde. Email, Internatanbindung und und und. Nur unsere Standesvertretung ist noch im Fax Zeitalter,,,,
Es ist nicht alles falsch, nur weil es schon lange gemacht wird.
UND: über die Risiken der Digitalisierung wird nicht nachgedacht, verdrängt. Dafür wird es die Quittung geben.
"Bedenken second" laut FDP. Es werden leider sehr viele Bedenken verschoben für den Raubtierkapitalismus.

AW: Giftbombe Rx-VV

von Ulrich Ströh am 18.11.2018 um 16:53 Uhr

Lieber Kollege Herzog,
Ihre Analyse trifft zu.

Systembedingte Engpässe

von Reinhard Rodiger am 18.11.2018 um 12:11 Uhr

Die "grosse" Politik liefert die Vorlage: Es ist nicht die Krise, sondern der Umgang mit ihr, der lähmt. Dazu die Verdrängung der Kausalitäten und ihr Ersatz durch zu kurz Gedachtes. Verantwortung wird nicht übernommen.

Dabei sind die Blockademechanismen im Mikrokosmos "Apotheken" besonders deutlich:

- der politisch gepflegte Machtmissbrauch der KK

- die Kapitalisierung von Patienten

- die Entwertung von Fachkompetenz, Übersicht und
persönlicher Verantwortung

- die Hofierung von Kapitalinteressen

- Vernachlässigung des Gemeinwohls


Das sind Entwicklungsengpässe, für die nicht nicht der Einzelne, sondern "das System" verantwortlich ist.Ohne substantielle Änderung der Koordinaten gibt es keine Verbesserung.Die wirklichen Kausalitäten müssen ihn den Fokus. Verdrängung ist keine Strategie.



» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sparschwein der Politik ... nein Danke ...

von Christian Timme am 18.11.2018 um 11:13 Uhr

Das ewige Gejammere nach Honorarerhöhungen nimmt kein Ende. Selbst wenn vor jedem Apothekeneingang eine Sparschwein steht ... wird es auch nicht besser. Almosen von Spahn oder Passanten lösen nicht das Problem ... die Angst muß weg und damit die Apothekenpflicht. Die Pflichten des Apothekers passen in keine Bibliothek geschweige denn Kopf, das noch mögliche ... mittlerweile auf einen Bierdeckel. Erst wenn diese Blokade gefallen ist ... sind Lösungen erreichbar. - Ich bitte von tätlichen Angriffen auf den Verfasser abzusehen. Danke.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Versandhandelsverbot (RxVV)

von Uwe Hüsgen am 18.11.2018 um 11:04 Uhr

Kommt es zu keinem RxVV, wird der Arzneimittelmarkt endgültig „dereguliert“.
Dann fällt die AMPreisV, und über kurz oder lang werden auch weitere Gebührenordnungen (bei Ärzten, Notaren, Ingenieuren, Architekten, …) außer Kraft gesetzt.

Folgerung: ORDNUNGSPOLITIK ADE

Möglicher (?) Lösungsweg: Kassenapothekerliche (Bundes-)Vereinigung (s. DAZ 29/2016).
Damit verbunden: mehr Verantwortung für Apotheker*innenm, wie
Sicherstellungsauftrag (Flächendeckung, ohne Versand);
Jährliche Honorar-Anpassung (nicht zwingend -Erhöhung);
Mitgliedschaft im G-BA;

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Versandhandelsverbot (RxVV

von Anita Peter am 18.11.2018 um 12:48 Uhr

Scheint so, als ob die Politk genau das will.

Verantwortung tragen

von Ulrich Ströh am 18.11.2018 um 8:42 Uhr

Die Verantwortung für unsere vertrackte Lage trägt nicht ein einzelner Apotheker.

Die Verantwortung für das aktuelle Dilemma trägt der ABDA -Gesamtvorstand,
mithin
17 Kammerpräsidenten und 17 Verbandsvorsitzende .

Und wenn dann in Nordrhein aktuell eine Faxaktion an die Politik beschlossen wird,dann ist das für mich ein Ausflug in die Dinosaurierzeit.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Koma und Komiker

von Andreas P. Schenkel am 18.11.2018 um 10:47 Uhr

Mehr als zwei Jahre nach dem abstrusen EuGH-Urteil immer noch kein Grundkonzept für "Pläne B" erarbeitet, das man ja bis jetzt im ABDA-Giftschrank hätte bunkern können: Das ist verantwortungslos, realitätsverweigernd und naiv. Gegenüber insbesondere der Politik muss man alleine aus der Lebenserfahrung und der Geschichtswissenschaft immer für plötzliche Umkehrungen oder Holzwege gewappnet sein. Die ABDA hat das offenbar nicht für nötig gehalten oder unter ihrer Würde angesehen. Wie geht das an; die kennen doch das Wesen der Politiker, die sind doch vor Ort für vertrauliche Kamingespräche und so'n Zeugs.

Kalauer des Jahres: Was macht ein Clown im Apotheken-Büro? Faxen!

Ausweglos ins Abseits

von Karl Friedrich Müller am 18.11.2018 um 8:29 Uhr

Hast Du in Deutschland eine Firma, die gut läuft oder arbeitest Du in einer Branche, die noch Gewinn abwirft oder hast Du ein bisschen Vermögen angespart und einer der „gehobenen Mittelständler“, also Heuschrecken, merkt das, dann wird alles daran gesetzt, Dir Dein bisschen Sicherheit und Wohlstand abzunehmen und Dein Einkommen auf ein Minimum zu reduzieren. Bist Du krank und alt, hast Du eh verloren. (Da soll ein Film kommen, „Der marktgerechte Patient“. Auf den bin ich sehr gespannt, prangert er doch die ganzen Missstände im Gesundheitswesen an)
Unterstützung erhalten die endlos Gierigen von der Politik, die hilft, uns zu enteignen. Spahn, Lindner, Zypries, Gabriel, Ulla Schmidt, Schäuble, Merkel, Steinbrück, um mal ein paar Namen zu nennen. Die Liste ist endlos.
Wir werden seit 20 Jahren nach und nach um Teile unseres Einkommens, unserer Altersversorgung, unseres Berufs und Ansehens, vielleicht auch unseres Lebensinhalts und, wenn es schlecht läuft, unseres gesamten Vermögens.
Es geht noch anderen Branchen so.
Ich frage mich, ob das ein Rechtsstaat ist. Oder ein Fall für Gerichte. Ups, vergessen. Gerichte urteilen grundsätzlich gegen uns.
So ein Pech

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ausweglos ins Abseits

von Anita Peter am 18.11.2018 um 8:40 Uhr

Von den westlichen Industrieländern haben wir im Median trotz höchster Sparquote das niedrigste Haushaltsvermögen und das geringste Wohneigentum. Franzosen, Italiener, Spanier etc. sind uns da meilenweit voraus.
Wir sind für den Staat lediglich das Humankapital, auspressen bis zum geht nicht mehr, die Gewinne müssen dem Großkapital vorbehalten bleiben. Für den Bürger, die Mittelschicht und den Mittelstand hat dieser Staat nichts mehr übrig.
Dass nun ein CumCum bzw. CumEx Profi CDU Chef werden soll, setzt dem ganzen die Krone auf.

AW: ... Beraubt !

von Gunnar Müller, Detmold am 18.11.2018 um 10:21 Uhr

Ich ergänze einmal Ihren Satz:
„Wir werden seit 20 Jahren nach und nach um Teile unseres Einkommens, unserer Altersversorgung, unseres Berufs und Ansehens, vielleicht auch unseres Lebensinhalts und, wenn es schlecht läuft, unseres gesamten Vermögens [beraubt].“
Ich hatte es bei meiner Verfassungsbeschwerde anno 2010 – die ABDA seinerzeit noch mit Herrn Wolf hatte im übrigen volle Kenntnis davon (Reaktion und Unterstützung wie zu erwarten: gleich null!) – übrigens „Enteignung“ genannt.
Vielleicht findet jemand ja noch andere Bezeichnungen für dieses unsägliche – weil Struktur- und Gemeinwohlförderung-zerstörende – Verhalten der Politik ...

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.