Geflüchteter Syrer

Sein Traum – als Apotheker anderen Menschen helfen

Stuttgart - 08.11.2018, 11:45 Uhr

Muhammad
Alhussain hat unter anderem ein Praktikum in der Sonnen-Apotheke in Rendsburg
absolviert. (Foto: Trautrims)

Muhammad Alhussain hat unter anderem ein Praktikum in der Sonnen-Apotheke in Rendsburg absolviert. (Foto: Trautrims)


Muhammad Alhussain flüchtete aus Syrien. In Deutschland fand er eine neue Heimat. Vieles musste er hinter sich lassen. Nun wünscht er sich eine Zukunft in Deutschland. Mit Engagement und Leidenschaft möchte er sich seinen Traum vom Pharmaziestudium erfüllen. Sein Wunsch: als Apotheker anderen Menschen helfen.

Seit 2011 tobt bereits der Bürgerkrieg in Syrien. Viele sind vor dem Schrecken geflohen – auch nach Deutschland. Hier angekommen stehen die Menschen vor einigen Herausforderungen. Die Sprache muss erlernt und das neue Leben in der deutschen Gesellschaft gemeistert werden. Arbeit ist dabei ein wichtiger Integrationsfaktor. Die Ausgangslage der geflüchteten Menschen ist naturgemäß unterschiedlich. Ebenso ihr Engagement, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Viele bringen aber ihre Träume mit und hoffen, sie hier verwirklichen zu können – so auch Muhammad Alhussain. Sein Traum ist leicht zu umreißen: Er möchte Apotheker werden. DAZ.online berichtet der junge Syrer von seiner Flucht, seiner Liebe zur Pharmazie und seinem Wunsch, wie er es selbst ausdrückt, „eine gute Person in dieser Gesellschaft zu sein“.

Flucht durch halb Europa

Der junge Syrer berichtet von seiner Flucht, die drei Wochen gedauert habe. Alle möglichen Arten der Fortbewegung habe er genutzt, um letztlich in Deutschland Ende 2015 anzukommen. „Ich bin zu Fuß unterwegs gewesen, aber auch mit Autos und dem Zug. Eigentlich habe ich alle möglichen Verkehrsmittel genutzt“, beschreibt Muhammad Alhussain seine Flucht. Sein Weg habe ihn durch verschiedenste Länder geführt. Einzelne Stationen benennt er auch: So sei er zunächst von Syrien aus in den Libanon geflüchtet. Von dort aus habe ihn der Weg über die Türkei schließlich nach Griechenland geführt. In einem dortigen Flüchtlingscamp sei er nur zwei Tage geblieben: „Ich hatte dann ein Papier vom Camp und konnte weiter. Die Leute dort haben nicht gefragt, wohin ich will. Ich konnte einfach weiter gehen.“

Sein Weg führte ihn über verschiedene Balkan-Staaten schließlich nach Deutschland, wo er seine Fingerabdrücke abgegeben und  Asyl beantragt habe. Eigentlich sei Deutschland vor Beginn der Flucht gar nicht sein Ziel gewesen: „Ich wollte nicht nach Deutschland. Ich wollte nach Norwegen gehen, da dort meine Tante ist. Das wäre einfacher für mich gewesen – glaube ich.“ Durch die Abgabe der Fingerabdrücke in Deutschland sei das Ziel Norwegen aber nicht mehr möglich gewesen, erläutert der junge Syrer. In Deutschland habe er subsidiären Schutz erhalten – wie fast alle Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Untergekommen sei er zudem bei einem Onkel, der in Rendsburg lebe.

Fluchtgrund Krieg – nichts ist mehr wie vorher

Muhammad Alhussain erläutert gegenüber DAZ.online seine Gründe zur Flucht. Der Krieg sei für ihn das Ausschlaggebende gewesen. „Ich wollte nicht in der Armee sein. Ich wollte keine Menschen töten müssen.“ Dabei war der 28-jährige bereits beruflich weit gekommen in seiner Heimat. Nach einem abgeschlossen Ingenieurstudium für Erdöl- und Erdgastechnik habe er bereits erste berufliche Erfahrungen sammeln können – wenn auch leider nur kurz. „Ich habe zwei Monate in diesem Beruf gearbeitet. Ich habe dort zwar als Ingenieur gearbeitet, aber nur im Büro. Durch den Krieg war es nicht möglich, richtig zu arbeiten“, erläutert Alhussain die Situation vor seiner Flucht. Letztlich sei die Situation nicht einfach gewesen. Sein Lebensweg habe durch den Krieg eine ganz andere Wendung bekommen und seine bisherige Biografie nicht fortgesetzt werden können: „Durch die schwierige Situation in Syrien habe ich mein Zertifikat nicht hier“, – und meint damit das Studienzertifikat, das ihm in Deutschland erlauben könnte, als Ingenieur zu arbeiten. Nun müsse er wieder ganz von vorne anfangen.

„Ein Apotheker zu sein, wäre in jeder Hinsicht am besten für mich“

Ohne sein Zeugnis müsse Alhussain, um auch in Deutschland als Ingenieur arbeiten zu können, noch einmal studieren – zumindest die Abschlüsse wiederholen. Doch der junge Syrer berichtet von seinem eigentlichen Berufswunsch: „Ich liebe Chemie. Das ist mein Lieblingsfach. Ich habe auch während meines Ingenieursstudiums sehr viel Chemie gehabt. Und ich mag mit Menschen arbeiten. Ich mag helfen. Ich finde, ein Apotheker zu sein, wäre in jeder Hinsicht am besten für mich.“ Auch in Syrien habe er eigentlich schon Pharmazie studieren wollen. Doch sei er damals dem Rat seines Vaters gefolgt und habe Ingenieurwesen studiert. Sein Vater sei zwar als Arzt auch im Gesundheitswesen aktiv, aber dennoch sei er gegen ein Pharmaziestudium gewesen: „Er wollte nicht, dass ich in diesem Bereich arbeite. Er findet es besser, dass ich ein Ingenieur bin, da die Arbeit und auch das Studium einfacher sind“, erläutert Alhussain die Beweggründe seines Vaters.

Praktika, Praktika, Praktika – der lange Weg zum Traumziel

In Deutschland steht Muhammad Alhussain nun vor der Herausforderung, seine berufliche Zukunft neu planen zu müssen. Für ihn führte der lange Weg zunächst über zahlreiche Praktika im Gesundheitswesen. Alhussain erzählt stolz von den vielen Praktika, die er schon gemacht habe. So habe er unter anderem die Arbeit eines Laboranten während eines Praktikums an der Imland-Klinik Rendsburg kennenlernen können. Am besten gefallen habe ihm allerdings ein Praktikum in einer Apotheke: „Ich habe das sehr interessant gefunden. Ich mag das. Ich habe Pulver gemacht. Ich habe Salben gemacht. Ich habe Medikamente sortiert. Das war sehr interessant.“

Rosana Trautrims, die nach eigenen Angaben als Beraterin bei AMS (Arbeitsmarktservice für Flüchtlinge) schon viele Geflüchtete begleitet hat, berichtet von dem Engagement mit dem Muhammad Alhussain seinen Weg angehe: „Wir begleiten sehr viele Flüchtlinge. Es gibt einige, die sind besonders engagiert und so ist auch Muhammad. Er müsste eigentlich nicht, aber er hat diese Praktika gemacht, damit er mit der Sprache in Kontakt kommt, insbesondere mit dieser Fachsprache. Er hat alles Mögliche gemacht. Er hat auch was gesucht als Altenpfleger – alles im medizinischen Bereich.“ Trautrims ist sehr zufrieden mit dem Einsatz, den ihr Schützling zeigt: „Er hat sich so viel Mühe gegeben. Eigentlich überall, wo er ein Praktikum gemacht hat, haben sie so toll über ihn gesprochen. Das macht sehr viel Spaß. Ich bin einhundertprozentig sicher, dass er auch die Uni schaffen wird.“

Zunächst Ausbildung zum PTA – dann Pharmaziestudium

Seinen Weg zum Traumberuf hat Muhammad Alhussain schon ganz genau vor Augen. So habe er vor kurzem an der Bernd-Blindow-Schule in Kiel eine Ausbildung zum PTA angefangen. Es bereite ihm viel Freude, allerdings sei die Sprache nicht leicht: „Es ist ein bisschen schwer durch die Sprache. Aber es ist sehr interessant. Ich mag das.“ Zudem erhalte er einen Extra-Sprachunterricht für Geflüchtete. Mit Hilfe dieses Deutschunterrichtes möchte er sich auf die DSH-Sprachprüfung vorbereiten, um anschließend an einer Universität in Deutschland studieren zu können, erläutert er stolz.

Der Weg zum Pharmaziestudium führe ihn aber auf jeden Fall über die PTA-Ausbildung. „Ich möchte erst mal die Ausbildung beenden, damit ich mich vorbereiten kann auf die Uni, und dann möchte ich studieren.“ Wenn er an die Zukunft denkt, ist er sich sicher: „Ich würde gerne eine Apotheke haben und dann kann ich eine gute Person in dieser Gesellschaft sein. Ich kann dann in dieser Gesellschaft leben und dieser Gesellschaft helfen.“ Mit viel Engagement möchte er diesen langen Weg schaffen. „Ich wünsche mir das, und ich werde es auch machen“, bekräftigt der junge Syrer.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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