SPD-Gesundheitspolitiker zu Bottrop

„Eine staatlich verankerte Taskforce muss den Zyto-Skandal aufarbeiten“

Karlsruhe - 07.11.2018, 10:15 Uhr

Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der NRW-SPD, fordert, dass eine staatliche Taskforce zur Aufarbeitung des Bottroper Zyto-Skandals gegründet wird. (Foto: Büro Neumann, SPD)

Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der NRW-SPD, fordert, dass eine staatliche Taskforce zur Aufarbeitung des Bottroper Zyto-Skandals gegründet wird. (Foto: Büro Neumann, SPD)


NRW-SPD will Apotheker nicht unter Generalverdacht stellen

DAZ.online: Was sollte jetzt konkret unternommen werden?

Neumann: Wir müssen prüfen, ob die Betroffenen nicht in das Opfer-Entschädigungsgesetz kommen sollten. Sie sind ja Opfer von kriminellen Machenschaften und man muss prüfen, wie sie eine Entschädigung bekommen können, wenn das noch nicht möglich ist. Ich denke, dass alle die Opfer von Medikamentenskandalen auch im Opferentschädigungsgesetz erfasst werden sollten. Es ist erforderlich, das jetzt zu prüfen. Da erwarte ich von Minister Laumann, zu sagen: Wenn wir das Leid dieser Menschen zumindest teilweise entschädigen möchten, dann müssen wir die Gesetze ändern. Außerdem sollten Wirtschaftsprüfer den Warenein- und ausgang von Schwerpunktapotheken kontrollieren. Anhand der Summen kann man schon ermitteln, was dabei rumkommt. Das ist ein wichtiger Punkt, den ich nachdrücklich nochmal einfordere.

DAZ.online: Man kann ja kaum feststellen, welche Patienten unterdosierte Mittel bekommen haben. Wie wollen Sie regeln, wer eine Entschädigung erhält?

Neumann: Das ist eine der großen Herausforderungen, nicht nur in dieser Debatte – auch etwa beim Missbrauch in Heimen. Man kann zum Beispiel über ein Stufensystem nachdenken: Hat jemand körperliche Schäden erhalten, hat jemand psychische Probleme bekommen, oder gibt es einen Todesfall. Darüber muss man sprechen. Der Staat steht in der Verantwortung, den Menschen dieses Leid, das ihnen zugefügt wurde, auf eine gewisse Weise zu entschädigen – oder ihnen ein würdigeres Leben zu ermöglichen. Auch denjenigen, die darunter leiden, dass sie Mittel aus der Apotheke bekommen haben, können wir eine gewisse Würde geben: Nicht durch gravierende Summen, sondern durch Anerkennung. Da müssen wir Mechanismen finden, das ist nicht einfach.

Alles zum Urteil gegen Peter S.

DAZ.online: Wie gut hat der Gesundheitsminister bisher agiert?

Neumann: Vor ein paar Monaten wurde gesagt, wir haben alles getan und es läuft alles. Jetzt wissen wir: Es läuft nicht alles, Herr Laumann arbeitet dieses Thema auch nochmal nach. Den Opfern sind wir es schuldig. Ich hätte mir gewünscht, dass es wie in Brandenburg viel zügiger geht. Dazu muss man mit den Betroffenen ständig im Gespräch sein, auch das Ministerium. Es gibt ja weiterhin Kritik: Die Hilflosigkeit, in der viele Betroffenen sind – auch solche die es noch gar nicht wissen – muss man ihnen nehmen, der Staat muss handeln.

DAZ.online: Braucht es eine Taskforce „Bottrop“, die die Tätigkeit der Behörden analysiert?

Neumann: Neben dem Gutachten zu den Überlebenszeiten, was jetzt läuft, muss auch eine staatlich verankerte Taskforce sich den Problemen annehmen – das ist nach wie vor notwendig. Der Fall ist ja nicht dadurch vom Tisch, dass der Apotheker verurteilt wurde. Daten und Fakten erhalte ich nur, wenn ich jemand beauftrage. Außerdem müssen aber auch die Kontrollmechanismen zwischen den lokalen Kontrollen, den Apothekerkammern und Wirtschaftlichkeitsprüfungen abgestimmt werden. All diese Punkte sind noch nicht gereift, aber das sind wir den Opfern schuldig. Es geht um Menschenleben und Gesundheitsschutz. Mir geht es nicht darum, alle Apotheker unter Generalverdacht zu stellen – sondern sicherzustellen, dass die Versorgung ordnungsgemäß erfüllt. Natürlich sind alle Apotheker, die ich bisher kennengelernt habe, zuverlässige Leute. Aber wenn es nur ein schwarzes Schaf unter 10.000 gibt, müssen wir das finden. Das wird nicht gelingen, in dem wir unser bisheriges Handeln und Denken belassen, wir müssen neue Wege gehen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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