Immer mehr Finanzinvestoren 

Zahnärzte-Verband warnt vor„Ausverkauf der Versorgung an Spekulanten“

Frankfurt am Main - 05.11.2018, 11:30 Uhr

Geregelte Arbeitszeiten statt 60-Stunden-Woche: Viele junge Zahnärzte scheuen den Sprung in die Selbstständigkeit und bevorzugen eine Anstellung in einem MVZ. (s/Foto: M.Jenkins/stock.adobe.com)

Geregelte Arbeitszeiten statt 60-Stunden-Woche: Viele junge Zahnärzte scheuen den Sprung in die Selbstständigkeit und bevorzugen eine Anstellung in einem MVZ. (s/Foto: M.Jenkins/stock.adobe.com)


Vom 9. bis 10. November findet der Deutsche Zahnärztetag in Frankfurt statt. Ein Thema, das die Zahnärzte umtreibt, ist die wachsende Zahl von Finanzinvestoren in der Branche. Nach Ansicht der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) gefährden sie die flächendeckende Versorgung, weil sie sich auf attraktive Standorte konzentrieren. In ländlichen Gegenden, wo Zahnärzte Probleme haben Nachfolger zu finden, lassen sie sich laut KZBV nicht nieder.  

Zahnärzte-Vertreter warnen davor, dass sich immer mehr Finanzinvestoren in die Branche einkaufen. Sollten diese noch mehr medizinische Versorgungszentren nur mit Zahnärzten erwerben, werde die „seit Jahrzehnten bewährte flächendeckende und wohnortnahe Versorgung zerstört“, mahnt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV). „Der Ausverkauf der Versorgung an Spekulanten ist die größte Bedrohung, die es im zahnärztlichen Bereich je gab“, sagte Vorstandschef Wolfgang Eßer vor dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt.

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Seit einer Gesetzesänderung 2015 sind auch medizinische Versorgungszentren mit Ärzten aus nur einer Fachrichtung erlaubt – etwa, um zahnärztliche Behandlungen anzubieten. Finanzinvestoren nutzen nun einen Kniff: Sie kaufen teils finanzschwache Kliniken und verwenden diese als Vehikel, um Versorgungszentren zu gründen und viele Zahnärzte anzuschließen – auch in anderen Gegenden. Sie haben klare Renditeziele und suchen nach einigen Jahren oft den Verkauf.

„Es gibt einen klaren Trend zu Finanzinvestoren in der Zahnarztbranche“, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. Ihr Marktanteil sei bisher aber klein. Die Investoren profitierten davon, dass eigene Praxen für junge Zahnärzte zunehmend als unattraktiv empfunden werden. „Viele scheuen die hohen Investitionen eines Kaufs und das Risiko der Selbstständigkeit, ziehen einen Angestelltenvertrag vor.“

Denn der Kauf einer Praxis kostet Hunderttausende Euro, und das mühsame Abrechnen von Zahnersatz, Spangen oder Vorsorgekontrollen mit den Krankenkassen schreckt viele junge Ärzte ab. Andere, die ihre Praxen verkaufen möchten, finden wiederum kaum Abnehmer. Die Zahl der angestellten Zahnärzte bei den Versorgungszentren sei so allein 2017 um gut 70 Prozent auf 1350 gestiegen, erklärt die KZBV.

Sind MVZ unter Kammerführung die Lösung?

Die KZBV kritisiert, dass sich die Versorgungszentren auf Städte konzentrierten. Es drohe damit ein Ärztemangel auf dem Land. Der Bundesverband nachhaltiger Zahnheilkunde, der sich als Interessensvertreter der Versorgungszentren sieht, weist das zurück. Investoren seien als Teil der Versorgung unverzichtbar. Ebenso wie Apotheker und Hausärzte haben Zahnärzte das Problem, keine Nachfolger mehr zu finden, so wie zum Beispiel Rolf Hofmann (61), Zahnarzt in Breuberg im Odenwald. Er sucht seit fünf Jahren einen Entlastungs- oder Ausbildungsassistenten, auch mit der Maßgabe, dass die Praxis dann übernommen wird. In der Zahnmedizin seien 85 bis 90 Prozent der Studienabgänger Frauen, sagt er gegenüber der dpa. „Die hängen sich natürlich eine Versorgerpraxis mit gut 60 Wochenstunden nicht an den Hals“. In den MVZ fänden die Studienabgänger alles, was sie sich erhofften: freie Arbeitszeitgestaltung, keine Nacht- und Notdienste.

Doch ebenso wie seine Standesvertretung sieht Hofmann die externen Geldgeber kritisch. „Dann läuft das nicht als Versorgerpraxis, sondern die müssten nach Kosten und Nutzen arbeiten, das heißt, es gibt eine gewisse Rosinenpickerei“. Dann werde am Zahn keine Wurzelbehandlung mehr über zweieinhalb oder drei Stunden gemacht, sondern der Zahn entfernt und ein Implantat gesetzt, befürchtet er.

Sieben aktive Finanzinvestoren in der Branche

Hofmann hat sich nun mit seiner Zanhärztekammer überlegt, selbst ein MVZ aufzubauen, finanziert von der Apotheker- und Ärztebank. Die Praxen im Umkreis, deren Inhaber demnächst aufhören wollen, sollen sich einbringen. Das Ganze soll unter Führung der Landeszahnärztekammer laufen. „Damit haben wir die Möglichkeit, junge Zahnärzte auch zu beschäftigen, sie in das ganze ‚Geschäft‘ einzuführen und sie haben das, was sie sich unter Work-Life-Balance vorstellen, sie können stundenweise arbeiten, sie können in Schichten arbeiten, Kinder kriegen und auch mal zwischendurch krank werden“, so Hofmann.

In einer Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, zählt die KZBV sieben aktive Finanzinvestoren hierzulande. Darunter sind der Fonds Nordic Capital, der die Kölner Praxis-Gruppe „Zahnstation“ kaufte und die Frankfurter Quadriga Capital, Besitzer der „Zahnärztliche Tageskliniken Dr. Eichenseer“. Auch die Kaffee-Dynastie Jacobs mischt über ihre Investment-Holding mit – unter der Marke „Colosseum Dental Group“.

Die Zahnärzte-Vereinigung würde Investoren gern gesetzlich verboten sehen. Davon ist in einem aktuellen Gesetzentwurf im Bundesrat aber keine Rede. Die KZBV fordert nun, dass nur jene Kollegen Versorgungszentren gründen dürfen, die schon zahnärztliche Erfahrung haben, und dass die Zentren regional beschränkt bleiben.




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