Baloxavir in Xofluza 

FDA lässt neues Mittel gegen Grippe zu

Stuttgart / USA - 25.10.2018, 13:00 Uhr

Die FDA hat in einem beschleunigten Verfahren Baloxavir in XofluzaTM zugelassen. (Foto: Tatiana Shepeleva / stock.adobe.com)

Die FDA hat in einem beschleunigten Verfahren Baloxavir in XofluzaTM zugelassen. (Foto: Tatiana Shepeleva / stock.adobe.com)


Roche hat die Zulassung für ein neues Arzneimittel gegen Influenza erhalten. In einem beschleunigten Verfahren ließ die FDA Baloxavir in XofluzaTM zu – und zwar zur Behandlung akuter unkomplizierter Grippeerkrankungen ab einem Alter von zwölf Jahren. Was macht Baloxavir besonders? Gibt es Hinweise auf Resistenzen? Und was kostet XofluzaTM?

Es ging schneller als gedacht: Roche hat am 24. Oktober 2018 die FDA-Zulassung für Baloxavir erhalten. Noch im Sommer dieses Jahres rechnete der Schweizer Pharmakonzern mit einem positiven FDA-Bescheid für XofluzaTM erst um die Weihnachtszeit. Somit hat das beschleunigte Zulassungsverfahren von Baloxavir in den Vereinigten Staaten funktioniert – fast zeitgleich zum Startpunkt der neuen Grippesaison 2018/19 in der nördlichen Hemisphäre. Bis dato war Baloxavir ausschließlich in Japan zugelassen, und zwar seit Februar 2018. Roches neues Grippe-Arzneimittel ist indiziert zur Therapie der akuten, unkomplizierten Influenza ab einem Alter von zwölf Jahren.

Was kostet Baloxavir?

Laut Medienberichten soll der Preis einer Baloxavirtherapie bei 150 US-Dollar liegen, unabhängig davon, ob der Patient 40 mg (eine Kapsel) oder 80 mg (zwei Kapseln) Baloxavir benötigt. Branchenberichten zufolge will Genentech, eine Tochter von Roche, die Baloxavir in den USA vermarkten wird, ausgewählten Patienten Coupons für die bevorstehende Grippesaison zur Verfügung stellen. Diese sollen Patienten, deren Krankenversicherung die Kosten für Baloxavir nicht übernimmt, günstigeren Zugang zu XofluzaTM ermöglichen. Die Rede ist von 60 US-Dollar. So hatten Experten wohl laut Medienberichten vorausgesagt, dass XofluzaTM es schwer haben wird und, dass die Preisgestaltung wahrscheinlich eine Rolle spielen wird, wie groß die Marktakzeptanz von XofluzaTM sein wird.

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Was ist das Besondere an Xofluza?

Zwei Punkte machen Baloxavir im Besonderen innovativ in der Therapie der Influenza. Das erste Alleinstellungsmerkmal von XofluzaTM ist, dass Baloxavir als Endonuklease-Inhibitor einen gänzlich neuen Wirkansatz verfolgt. Das therapeutische Spektrum ist ansonsten überschaubar: mit dem Uncoatinghemmstoff Amantadin (wirkt nur bei Influenza A und findet kaum noch Anwendung) und den Neuraminidasehemmstoffen Oseltamivir in Tamiflu® (Roche), Zanamivir in Relenza® (GlaxoSmithKline) und seit der EMA-Zulassung von Peramivir in Alpivab® (Biochryst Pahrmaceuticals) im April dieses Jahres. Peramivir steht in den USA seit 2014 zur Verfügung, der Handelsname dort ist Rabivab.
Der zweite Punkt, der Baloxavir besonders macht, ist die Therapiedauer. Diese ist, verglichen mit anderen Antiviralia, drastisch verkürzt – Baloxavir nehmen Patienten nur als eine einmalige Dosis ein.

Resistenzen unter Baloxavir?

Single-Dose-Regime haben fraglos Vorteile, wenn es um die Adhärenz der Patienten geht. Dieses Argument führt auch Roche gern ins Feld. Allerdings hat die zulassungsrelevante Phase-III-Studie Capstone-1 (multizentrisch: USA und Japan, randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert), veröffentlicht im New England Journal of Medicine im September 2018, die hoffnungsvollen Aussichten etwas getrübt.

Baloxavir verkürzt Krankheitssymptome um einen Tag

Capstone-1 evaluierte die Sicherheit und Wirksamkeit von Baloxavir an 1.436 Patienten ohne Begleiterkrankungen ab einem Alter von zwölf Jahren. Die Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert: Gruppe eins erhielt Baloxavir, abhängig vom Körpergewicht in einer einmaligen Dosierung von 40 mg oder 80 mg. Patienten der Gruppe zwei nahmen zweimal täglich 75 mg Oseltamivir für fünf Tage und die letzte Gruppe erhielt Placebo. 

Capstone-1 erreichte seinen primären Endpunkt – die Zeitspanne bis zur Besserung der Symptome. Bis zum Abklingen der Symptome vergingen bei den mit Baloxavir behandelten Grippepatienten 53,7 Stunden, in der Oseltamivir-Gruppe 53,8 Stunden und in der Placebo-Gruppe 80,2 Stunden. Verglichen mit Placebo konnte Baloxavir somit die Dauer der Krankheitssymptome um einen Tag verkürzen. Allerdings machten die Forscher auch eine weiter Beobachtung: So entwickelten sich in der Capstone-1-Studie bei 9,7 Prozent der Baloxavir-Patienten Mutationen, die für ein geringeres Ansprechen auf Baloxavir sorgten. Die klinischen Auswirkungen dieser Escape-Mutanten sind bislang nicht bekannt.

Weniger Nebenwirkungen unter Baloxavir als unter Placebo

Laut Roche ist Baloxavir vergleichbar gut verträglich wie Placebo. In der Studie war es sogar besser, denn die Placebogruppe berichtete über mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen als die Baloxavirgruppe. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Diarrhö, Bronchitis, Übelkeit und Sinusitis.

Capstone-2: Baloxavir bei Risikopatienten

Roche hat Baloxavir auch an Risikopatienten in einer weiteren Phase-III-Studie, Capstone-2, geprüft. Die Grippepatienten litten zusätzlich beispielsweise an Diabetes mellitus, Asthma oder COPD, cystischer Fibrose, Herz-Kreislauferkrankungen wie einer koronaren Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz. Patienten mit Begleiterkrankungen oder älter als 65 Jahre haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer Influenzaerkrankung. Wie bei Capstone-1 erhielten die Capstone-2-Patienten entweder Baloxavir, abhängig vom Körpergewicht in einer einmaligen Dosierung von 40 mg oder 80 mg oder zweimal täglich 75 mg Oseltamivir für fünf Tage oder Placebo. Der primäre Endpunkt, die Zeit bis zur Besserung der Grippesymptome, wurde erreicht und Baloxavir zeigte laut Roche eine bessere Wirksamkeit als Placebo.

Wie wirkt Baloxavir?

Wie wirkt Baloxavir marboxil?

Baloxavir marboxil nutzt als Virustatikum einen bei Influenzaviren bislang nicht therapeutisch verwendeten Angriffspunkt: Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszykus des Influenzavirus.

Influenzaviren werden mittels Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Anschließend erfolgt die Freisetzung des viralen Ribonukleoproteins ins Zytosol und in der Folge der Import in den Nucleus. Dort findet – neben der Replikation viraler RNA – die Transkription des Influenzagenoms in virale mRNA statt.

Ohne CAP, keine mRNA der Influenzaviren

Diese Transkription kann jedoch nicht ohne „Kappen“ beginnen. Diese sogenannte CAP-Struktur dient als Primer, als Erkennungssequenz, für die virale RNA-Polymerase. Woher stammt diese CAP-Sequenz? Da Viren bekanntermaßen eine recht reduzierte Ausstattung besitzen, „stiehlt“ die virale Endonuclease diese CAP-Strukturen von der Wirtszelle, sprich der zellulären mRNA. 
Zur Erinnerung: Eine Endonuklease schneidet DNA oder – wie im Falle von Influenzaviren – RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges und schafft somit Mehrfachnukleotide als Spaltprodukt.

Baloxavir verhindert virale Proteinbiosynthese

Hier greift Baloxavir marboxil ein: Es hemmt diese CAP-abhängige Endonuklease. Diese 5’-Kappen sind jedoch für mehrere Prozesse bedeutend: Sie schützen zum einen die mRNA vor dem Abbau. Zum anderen sind sie wichtig für den Transport der mRNA aus dem Zellkern hin zum Ribosom, wo die Proteinbiosynthese stattfindet. Somit resultiert als Effekt eine CAP-abhängige Endonuklease-Hemmung und eine Proteinbiosynthese aus der viralen mRNA ist nicht möglich.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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