Innovationsreport 2018

TK: Industrie forscht an der falschen Stelle

Berlin - 24.10.2018, 17:20 Uhr

TK-Chef Jens Baas, Gerd Glaeske und Wolf-Dieter Ludwig stellten am heutigen Mittwoch den TK-Innovationsreport 2018 vor. (Foto: TK)

TK-Chef Jens Baas, Gerd Glaeske und Wolf-Dieter Ludwig stellten am heutigen Mittwoch den TK-Innovationsreport 2018 vor. (Foto: TK)


Der neue Innovationsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hat eine verhalten positive Botschaft: Die neuen Arzneimittel des Jahres 2015 schnitten in der Bewertung besser ab und kosteten etwas weniger als die Neueinführungen des Vorjahres. Dennoch sieht TK-Chef Jens Baas die Kosten für Arzneimittel in den kommenden Jahren aus dem Ruder laufen, werden jetzt nicht die bestehenden Schlupflöcher gestopft. Dabei gibt es durchaus noch Krankheiten, in denen eine Unterversorgung zu beklagen ist, wie der aktuelle Report zeigt: etwa bei Demenz.

Der Innovationsreport 2018, den die Techniker Krankenkasse (TK) am heutigen Mittwoch vorgestellt hat, wirft einen Blick auf die 32 Arzneimittel-Neueinführungen des Jahres 2015 (eigentlich waren es zwar 37, doch fünf davon laut TK nicht für die ambulante Versorgung relevant). Was sind das für Präparate? Wie steht es um ihren Zusatznutzen für die Patienten, wie setzen sie sich in der Versorgung durch und was kosten sie mittlerweile? Die TK nimmt hier eine gewisse „Spätbewertung“ vor, die das 2011 eingeführte Verfahren der frühen Nutzenbewertung nicht vorsieht.

In diesem nun im sechsten Jahr erschienenen Report konnten mithilfe des gewohnten Bewertungsschemas in der Gesamtbewertung zum ersten Mal sieben „grüne Ampeln“ vergeben werden: vier gab es für „normale“ Innovationen (Ceritinib/Zykadia®, Cobimetinib/Cotellic®, Secukinumab/ Cosentyx® und Trametinib/ Mekinist®), drei für die gesondert betrachteten Orphan Drugs (Blinatumomab/ Blincyto®, Kyprolis® und Lumacaftor/Ivacaftor/Orkambi®). Die Wissenschaftler vom Socium Forschungszentrum an der Universität Bremen vergaben zudem 15 Arzneimitteln eine gelbe und zehn eine rote Ampel. Das ist vergleichsweise gut: Im Vorjahr leuchteten nur 17 gelbe und 15 rote Ampeln. In den Jahren zuvor sah es auch nicht viel besser aus.


Glaeske: Spätbewertung notwendig

„Fortschritte sehen wir im Bereich der Krebstherapie der akuten lymphatischen Leukämie und des multiplen Myeloms. Auch bei der Behandlung der Mukoviszidose zeigt ein Medikament einen deutlichen Zusatznutzen“, erklärte Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen. Bedenklich sei allerdings, dass erneut einige negativ bewertete Präparate ihren Weg bereits in medizinische Leitlinien gefunden haben. Insgesamt befinden sich 28 der 32 bewerteten Arzneimittel in Leitlinien. Zudem seien für die neuen Präparate bereits sechs Rote-Hand und acht Blaue-Hand-Briefe verschickt worden – dies zeige, wie wichtig eine sorgfältige Beobachtung neuer Arzneimittel im Versorgungsalltag sei, so Glaeske. Auch, dass nur drei von insgesamt elf Orphan Drugs eine grüne Ampel erhielten, findet er enttäuschend. Er kann nach wie vor nicht verstehen, dass die Präparate nicht – wie in anderen Ländern auch – ein ganz normales Frühbewertungsverfahren durchlaufen. Nach den gegenwärtigen AMNOG-Regeln wird ihnen ein Zusatznutzen automatisch unterstellt.

Immuntherapeutika im Fokus

Der Report zeigt zudem, dass der geringste Teil der untersuchten Arzneimittel  günstiger als die zweckmäßige Vergleichstherapie ist. Nur zwei der neuen Arzneimittel erhielten eine grüne „Kostenampel“, während sie bei 13 Wirkstoffen gelb und bei fünf Wirkstoffen rot zeigt. Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und wie Glaeske Herausgeber des TK-Innovationsreports, erklärte, dass erneut vor allem die onkologischen Wirkstoffe sehr teuer sind. Und unter den 32 bewerteten Arzneimitteln waren zwölf onkologische. „Wir wissen, dass diese hohen Preise weder die Kosten für Forschung und Entwicklung noch den Zusatznutzen widerspiegeln, sondern die Bereitschaft des Marktes (in den Industrienationen) derartig hohe Preise zu bezahlen“, sagt der Onkologe Ludwig. Besonders im Fokus der Pharmaindustrie stünden derzeit Immuntherapeutika, die insbesondere bei Krebserkrankungen inzwischen auch in Kombinationen eingesetzt werden und sehr hohe Kosten verursachen, ohne dass aussagekräftige Langzeitergebnisse zu ihrer Wirksamkeit und Sicherheit vorlägen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Irgenwas unklar - einfach Glaeske fragen

von Ratatosk am 25.10.2018 um 10:45 Uhr

Egal was in der Welt geforscht oder sonstwie gemacht wird, unser Glaeske weiß alles und alles besser. Warum macht man eigentlich noch Forschung, man kann doch gleich den Gläese fragen. Zusatznutzen ? was solls, definieren wir so, daß es die auftraggebende Kasse freut.
Grotesk auch der Hinweis auf hohe Kosten in Industrienationen ! ja sollen denn arme Länder wie Eritrea oder Sudan teure Forschung stemmen ?

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