DAZ.online-Wahlcheck (Teil 2)

Was sagen die Parteien in Hessen zum Versandhandel und zur Rx-Preisbindung?

Berlin - 24.10.2018, 07:00 Uhr

In Hessen finden am Sonntag Landtagswahlen statt. Was können Apotheken von den Parteien erwarten? (Foto: Patrick Daxenbichler, Stimmzettel: RRF / stock.adobe.com)

In Hessen finden am Sonntag Landtagswahlen statt. Was können Apotheken von den Parteien erwarten? (Foto: Patrick Daxenbichler, Stimmzettel: RRF / stock.adobe.com)


Mit der Neuwahl des hessischen Landtages am kommenden Sonntag geht es auch um die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Für die Apotheker ist das nicht unwichtig, schließlich müssen alle Bundesgesetze – also auch das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Gesetzpaket für den Apothekenmarkt – durch die Länderkammer. Im zweiten Teil des DAZ.online-Wahlchecks haben wir die großen Parteien in Hessen daher nach deren Meinung zu den Themenbereichen Rx-Preisbindung und Versandhandel befragt.

Wie steht die CDU zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

CDU: Wir von der CDU Hessen sind der Auffassung, dass der Grundsatz der Gleichpreisigkeit im Gesundheitswesen möglichst beibehalten werden sollte – das spricht für die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Bei Aufhebung dieser Preisbindung wären Apotheken in ländlichen Gebieten benachteiligt, da sie einen hohen Anteil an Rx-Präparaten (verschreibungspflichtige bzw. rezeptpflichtige Medikamente) abgeben und aufgrund ihrer Größe meist nicht viele Bonuszahlungen gewähren können. Dies wiederum hätte Nachteile für ältere, weniger mobile Patienten, da sie sich nicht an die günstigsten Apotheken wenden können.

Wie steht die CDU zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

CDU: Zu unserem Bedauern muss der Versandhandel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – aufgrund europarechtlicher Vorgaben (freier Warenverkehr) – erlaubt werden. Die Ausdehnung auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist im Jahr 2004 in vorauseilendem Gehorsam erfolgt. Das Urteil des EuGH aus dem Jahr 2004, das Ausnahmen für diese Arzneimittel zulässt, lag noch nicht vor. Wir als CDU Hessen setzen uns für die Apotheke vor Ort ein, weil sie einen wichtigen Versorgungs- und Beratungsauftrag erfüllt und den Patienten mit seiner Krankheitsgeschichte kennt. Deshalb sprechen wir uns auch für das Versandhandelsverbot rezeptpflichtiger Medikamente aus. Die Apotheke vor Ort trägt nicht nur im ländlichen Raum, aber hier besonders, zur Patientensicherheit bei. Zum einen kann beim persönlichen Kontakt in der Apotheke die Aufklärung über Risiken besser erfolgen und negative Interaktionen verschiedener Medikamente werden eher entdeckt, zum anderen besteht gerade – insbesondere in ländlichen Gebieten – ein enger Kontakt zwischen der Apotheke vor Ort und den dort niedergelassenen Ärzten, was einen schnelleren und direkteren Austausch zum Wohle der Patienten begünstigt.

Ein Rx-Versandverbot würde von der CDU Hessen aus vollster Überzeugung unterstützt werden.



Was sagt die SPD zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

SPD: Wir wollen die Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel erhalten. Unseres Erachtens wäre es erstrebenswert, dass sich auch im EU-Ausland niedergelassene Versandapotheken an die Preisbindung halten müssen.

Was sagt die SPD zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

SPD: Wir sehen den Versandhandel als Ergänzung zur inhabergeführten Apotheke vor Ort. Bereits jetzt besitzt ein relevanter Teil der Apotheken eine Versandhandelserlaubnis, nutzt also diesen Vertriebsweg. Dennoch ist für uns die Apotheke vor Ort nach wie vor der beste Weg zur sicheren Versorgung mit Medikamenten.

Wir sind gespannt, welche Vorschläge der zuständige Gesundheitsminister Spahn (CDU) hierzu machen wird und werden diese dann bewerten, wenn sie vorliegen. U.E. wäre es statt eines Verbotes sinnvoller, wenn sich noch mehr inhabergeführte Apotheken am Versandhandel beteiligen.


Grüne und Linke

Was sagen die Grünen zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Grüne: Nach dem EuGH-Urteil aus dem Oktober 2016 sind wir seit nun mehr zwei Jahren in der Situation, dass ausländische Versandapotheken ihren Kunden Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimitteln je nach Belieben einräumen können und inländische Apotheken weiter an die hiesige Festpreisbindung,  also ohne Boni, gebunden sind. Zurück zur Festpreisbindung für alle können wir jedoch nicht gehen, darüber hatte der EuGH bereits geurteilt. Für uns erscheint es daher sinnvoller, allen Apotheken, begrenzt auf wenige Euro, die Boni-Vergabe zu erlauben, statt weiter in dieser unfairen Situation zu verharren. Darüber hinaus wollen wir, wie bereits (in Teil 1 des Wahlchecks) beschrieben, Maßnahmen ergreifen, die gezielt versorgungsrelevante Apotheken vor Ort unterstützen.

Was sagen die Grünen zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

Grüne: Präsenzapotheken leisten für die Arzneimittelversorgung unverzichtbare Dienste, wie die persönliche Beratung, die kurzfristige Arzneimittelherstellung und das Angebot von Nacht- und Notdiensten, die auch weiterhin flächendeckend und wohnortnah gewährleistet werden müssen. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stellt dabei für bestimmte Patientinnen und Patienten einen zwar nur ergänzenden, aber wichtigen Teil der Gesundheitsversorgung dar. Das gilt insbesondere für Patientinnen und Patienten mit komplexen chronischen und seltenen Erkrankungen.

Aus unserer Sicht ist ein Verbot des Versandhandels europa- und verfassungsrechtlich nicht umsetzbar. Statt die Benachteiligung inländischer Apotheken gegenüber ausländischen Versandapotheken unverzüglich zu beenden, würde durch ein Verbot wertvolle Zeit vertan, denn am Ende hätte ein solches Verbot keinen Bestand vor dem Europäischen Gerichtshof. In der Zwischenzeit wären inländische Apotheken wegen der bestehenden inländischen Preisbindung dem Preisdruck ausländischer Versandapotheken ungeschützt ausgesetzt. Das könnte viele Arbeitsplätze in den Apotheken kosten. Wir halten daher den von uns vorgeschlagenen Weg eines Höchstpreissystems, neben weiteren Maßnahmen, für den richtigen Ansatz, um die Arzneimittelversorgung in Deutschland zu sichern. Außerdem könnte kurzfristig auch ein Sicherstellungszuschlag besser helfen.

Anmerkung der Redaktion: Die Antworten der Grünen lagen uns bei Veröffentlichung noch nicht vor, sie wurden nachträglich ergänzt. 

Was sagt die Linke zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Linke: Die Versorgungsqualität hat für DIE LINKE oberste Priorität. Ein Unterbietungskampf bei Preisen muss zwangsläufig mit Einsparungen bei Personal und damit bei der Beratungsqualität „gegenfinanziert“ werden. Die Versorgung würde sich differenzieren in teure Apotheken mit guter Qualität und Discountapotheken. Das würde auch die flächendeckende Versorgung auf dem Land gefährden. Eine gute Arzneimittelversorgung sollte aber weder vom Geldbeutel der Patientinnen und Patienten, noch vom Wohnort abhängen. Daher lehnt Die Linke alle Bestrebungen, die RX-Preisbindung anzutasten, ab.

Was sagt die Linke zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

Linke: Der Versandhandel spielt nach Ansicht der LINKEN für die Versorgung der Bevölkerung eine problematische Rolle. Die Face-to-face-Beratung ist essentiell, wenn sie tatsächlich verstanden und umgesetzt werden soll. Weder ein Merkblatt, noch eine Telefonberatung (sofern sie überhaupt stattfindet) können den persönlichen Kontakt ersetzen. Auch das Argument, der Versandhandel würde die ländliche Versorgung stützen, überzeugt nicht. Schließlich ist für die Notfall- und Akutversorgung die Apotheke vor Ort notwendig, deren Bestehen durch ein weiteres Wachsen des Versandhandels immer fraglicher wird. Nicht zuletzt haben große Versandhandelsunternehmen im in- und Ausland mit der Idee der heilberuflichen Eigenverantwortlichkeit der Inhaberin bzw. des Inhabers nichts mehr zu tun.

Aus den vorgenannten Gründen ist die bestehende Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Apotheken nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nur ein weiteres dringendes Argument, den Versandhandel soweit wie europarechtlich möglich einzugrenzen. Die Bundestagsfraktion hat dies auch immer wieder auch durch parlamentarische Initiativen deutlich gemacht. Leider hatten wir das gesammelte Haus aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP gegen uns. Auch später war der Union war das Verbot des RX-Versandhandels nicht so wichtig, dass sie die rechnerische Mehrheit für einen entsprechenden Beschluss genutzt hätte. Wir erwarten nun, dass der Beschluss des Koalitionsvertrags umgesetzt wird, denn eine wirkgleiche Regelung hat die Bundesregierung entgegen allen Ankündigungen noch immer nicht vorgelegt.


FDP und AfD

Was sagt die FDP zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

FDP: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 die Preisbindung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als mit der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar angesehen. Diese Entscheidung ist laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. November 2016 nicht bindend. Insofern werden wir Freien Demokraten eine endgültige gerichtliche Entscheidung zur Frage der Preisbindung abwarten. Unabhängig davon streben wir faire Rahmenbedingungen für die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zwischen inhabergeführten Apotheken in Deutschland und in- und ausländischen Versandapotheken an. Es kann nicht sein, dass für inländische und ausländische Apotheken unterschiedliche Regeln gelten.

Zu Rx-Boni von deutschen Apotheken:

Prinzipiell schon, allerdings nicht ausschließlich für ausländische Versandapotheken. Hier gilt es, wie bereits erwähnt, die abschließende gerichtliche Entscheidung abzuwarten.

Was sagt die FDP zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

FDP: Jede Patientin und jeder Patient sollte die Wahlfreiheit haben, von wem er sein rezeptpflichtiges Arzneimittel bezieht. Nicht zuletzt deshalb lehnen wir ein pauschales Versandhandelsverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ab. Hinzu kommen verfassungsrechtliche Bedenken, weil die Frage der Preisbindung noch nicht abschließend geklärt ist. Davon unberührt bleibt unsere Forderung nach fairen Rahmenbedingungen für die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zwischen inhabergeführten Apotheken in Deutschland und in- und ausländischen Versandapotheken.


Was sagt die AfD zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Gar nichts. Die AfD Hessen teilte mit, dass sie sich mit dieser „spezifischen Materie“ bislang nicht befasst habe.

Was sagt die AfD zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

s. oben



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Rückblick auf ein brisantes Jahr für die deutschen Apotheken

Ein Jahr EuGH-Urteil

Werbegaben aus Apotheken

Was sagt die Politik zum BGH-Urteil?

EuGH-Urteil zur Preisbindung für EU-Ausländische Apotheken

Reaktionen im Live-Ticker

Parteipositionen zur Bundestagswahl

Wahlprüfsteine (V): Rx-Preisbindung und Versandhandel

Interview Kordula Schulz-Asche (Grüne)

„Ich habe noch nie bei einer Versandapotheke bestellt“

1 Kommentar

Statement der Parteien zur Hessenwahl

von Dr. Detlef Eichberg am 24.10.2018 um 8:15 Uhr

Als Inhaber des blond-mentalen Jagdscheins kann ich zu der Worthülserei nur kommentieren: Bla, blabla, blablabla. Da kommen mir die beiden Statement-verweigernden Parteien fast authentischer rüber - indem man sich denen gegenüber als Wähler ebenfalls verweigert. Aber zu den erfolgten Absonderungen der Blabla-Parteien kann ich mit Karl Valentin für den 28.10. nur zu Protokoll geben "Tun hab ich schon wollen, aber trau´n hab ich mich nicht dürfen". Ich geh mal unseren Dackel fragen. Der ist ZEN-Meister.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.