Diskussion zum Apothekenhonorar

„Wir subventionieren doch die Kassen mit unserer OTC-Abgabe“

München - 10.10.2018, 10:15 Uhr

DAZ-Honorarexperte und Apotheker Thomas Müller-Bohn, Kammerpräsidentin Magdalene Linz, DAZ-Herausgeber Benjamin Wessinger und Apothekenrechtsexperte Dr. Heinz-Uwe Dettling (v.li.n.re.) diskutierten über das Apothekenhonorar. (Foto: Widmann)

DAZ-Honorarexperte und Apotheker Thomas Müller-Bohn, Kammerpräsidentin Magdalene Linz, DAZ-Herausgeber Benjamin Wessinger und Apothekenrechtsexperte Dr. Heinz-Uwe Dettling (v.li.n.re.) diskutierten über das Apothekenhonorar. (Foto: Widmann)


Endlich mal ohne Scheuklappen über das 2HM-Gutachten und die Zukunft des Apothekenhonorars reden. Das dachten sich die Noweda und der Deutsche Apotheker Verlag und veranstalteten am gestrigen Dienstagabend in München eine Diskussion, bei der es genau darum ging. Geladen waren neben Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz auch DAZ-Honorarexperte und Apotheker Thomas Müller-Bohn sowie Apothekenrechtsexperte Dr. Heinz-Uwe Dettling. Alle drei waren sich einig: Es gibt kluge Ideen, das Honorar zu verändern – im 2HM-Gutachten stehen diese aber nicht.

Grundlage für die Diskussion waren zwei Bücher, die in den vergangenen Monaten im Deutschen Apotheker Verlag erschienen sind. Einerseits ging es um ein Kompendium sieben verschiedener Beiträge zum Apothekenhonorar, das von Honorarexperte Müller-Bohn zusammengetragen wurde. „In dem Buch wird nicht nur zurück, also auf das 2HM-Gutachten geschaut, sondern auch nach vorne, auf neue Honorierungsmodelle“, erklärte Müller-Bohn, der das Kompendium vor der Diskussion kurz vorstellte. Was aber das Gutachten betrifft, so ist der entscheidende Fehler der Gutachter laut Müller-Bohn, dass die im Gutachten vorgesehene Kürzung des Fixhonorars für Rx-Arzneimittel durch Preiserhöhungen bei OTC-Präparaten finanziert werden soll. „Man hätte das Apothekenhonorar auch anders umlegen und berechnen können und wäre auf eine notwendige Erhöhung in Höhe von einer Milliarde Euro gekommen, statt auf eine Absenkung“, so der DAZ-Experte. Denn sein Credo ist: „Die Apotheke bringt mehr als sie kostet.“

Dettling hatte gemeinsam mit Prof. Dr. Uwe May und Cosima Bauer und im Auftrag der Noweda ein Gutachten zum Honorar erstellt und dieses als Buch herausgegeben. Als Jurist habe er sich den juristischen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gewidmet. Zu Beginn seiner Buchvorstellung erinnerte er an das Arzneimittelgesetz, in dem festgehalten ist: „Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung.“ Mit Bezug auf das Honorargutachten sagte Dettling: „Das 2HM-Gutachten ist so geschrieben, als ob in diesem Paragrafen nur die Interessen der Krankenkassen aufgeführt wären.“ Er nannte die Schlussfolgerungen im Gutachten „juristisch falsch, laienhaft und in sich widersprüchlich“ – schließlich geben die Gutachter zu, dass tausende Apotheken wirtschaftlich bedroht sind und wollen trotzdem drastische Einschnitte vornehmen.

Dettling: Steuerfinanzierter Apothekenfonds

Was die Überarbeitung des Honorarsystems betrifft, schlägt Dettling in seinem Buch drei Maßnahmen vor: Einen staatlichen, also mit Steuermitteln finanzierten Unterstützungsfonds für Solitärapotheken (ohne weitere Apotheken im Umkreis von fünf Kilometern), aus dem „Infrastruktur-Boni“ für Abgaben in der Apotheke vor Ort gezahlt werden. Damit sollten Krankenkassen oder Patienten für die Inanspruchnahme der Beratung honoriert werden, sodass Patienten wiederum in der Apotheke Preise bezahlen könnten, mit denen auch die Beratung zu OTC-Arzneimitteln finanziert werden kann. Außerdem soll der Kassenabschlag abgeschafft werden. Und: Dettling, Bauer und May fordern eine politische Klarstellung, dass die Quersubventionierung von OTC-Arzneimitteln aus den Rx-Tarifen für den Verbraucherschutz notwendig und ausdrücklich gewünscht ist.

Linz: Wir hätten das Gutachten öffentlich kritisieren müssen

Kammerpräsidentin Magdalene Linz sprach über die politischen Auswirkungen des Honorargutachtens und wie das Papier innerhalb der Apothekerschaft behandelt wurde. Sie erinnerte daran, dass das Gutachten schon bald im Wirtschaftsausschuss des Bundestages besprochen wird. Erst dann werde sich zeigen, ob die Strategie der ABDA, das Gutachten öffentlich zu ignorieren, aufgegangen ist. Allerdings wies sie auch darauf hin: „Die Hoffnung der ABDA hat sich eigentlich jetzt schon erledigt, denn das Gutachten wurde aufgegriffen, der GKV-Spitzenverband hat in seinem Positionspapier weite Teile des 2HM-Gutachtens übernommen.“ Sie persönlich habe sich schon früh gegen diese Taktik der ABDA ausgesprochen und sich darüber beschwert, dass die Kammern und Verbände auch erst im März überhaupt über das weitere Vorgehen informiert worden waren. Die Kammerpräsidentin sagte: „Wer weiß – vielleicht hätte der GKV-Spitzenverband sein Positionspapier ja gar nicht herausgegeben, wenn wir vorher schon öffentlich festgestellt hätten, dass es fehlerhaft ist.“ Inhaltlich ließ Linz aber auch kein gutes Haar an dem Papier. Zum Vorschlag der Gutachter, das Fixhonorar abzusenken, um die OTC-Abgabe nicht länger zu quersubventionieren, sagte sie: „Wir subventionieren doch die Kassen durch unsere OTC-Abgabe. Die Kassen sparen durch Selbstmedikation.“

Lässt sich das EuGH-Urteil zurückdrehen?

Gemeinsam mit Moderator Dr. Benjamin Wessinger, DAZ-Herausgeber und Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, sprachen Dettling, Müller-Bohn und Linz auch über die Konsequenzen, die das Gutachten im Falle einer Umsetzung hätte. Müller-Bohn fand klare Worte dafür: „Das würde bedeuten, dass sich das Rx-Geschäft gar nicht mehr lohnt. Nur Apotheken, die einen starken OTC-Anteil haben, wären überlebensfähig. Diese Apotheken befinden sich meistens in städtischen Gebieten – zuerst würden also kleinere Apotheken auf dem Land schließen – die flächendeckende Versorgung wäre bedroht.

Auch über das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung und seine Folgen wurde gesprochen. Immer wieder wurde Dettling aus dem Publikum gefragt, ob es einen Weg gebe, das Urteil wieder „zurückzudrehen“. Seine Antwort: „Politisch geht das nicht, die einzige Möglichkeit wäre ein neues Gerichtsverfahren. Die Bundesregierung müsste dem EuGH den Fall samt neuer wissenschaftlicher Daten erneut vorlegen. Aus diesen Daten müsste hervorgehen, dass die Gleichpreisigkeit sich positiv auf die flächendeckende Versorgung auswirkt.“ Interessant war auch, dass der Jurist Dettling einen der von der Politik diskutierten Lösungsansätze als „nicht machbar“ bezeichnete: Immer wieder hatten sowohl die SPD als auch einzelne Uniosnpolitiker vorgeschlagen, einen Boni-Deckel oder ein Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch V – und eben nicht in der Arzneimittelpreisverordnung – zu verankern. Die Hoffnung: Wenn es im Sozialrecht steht, kann es europarechtlich nicht mehr angegriffen werden. Dettling kommentierte: „Das wird nicht gehen, denn es geht um die Regelung als solches, die unionsrechtskonform sein muss. Es wäre ja zu schön, wenn man das Unionsrecht einfach umgehen könnte, indem man Gesetze einfach transportiert.“

Linz: Beratungsleistungen sollen Satzungsleistungen werden

Was die eventuelle Umgestaltung des Honorarsystems betrifft, hat Kammerpräsidentin Linz noch keinen „persönlichen Favoriten“. Mit Blick auf die Entscheidung des ABDA-Gesamtvorstandes, auch über Alternativen zum Rx-Versandverbot zu sprechen, sagte sie aber: „Es ist wichtig, dass wir jetzt über neue Honorierungsmodelle sprechen. Denn wir müssen ehrlich sein: Dass das Rx-Versandverbot, selbst wenn Spahn es umsetzen will, überhaupt durchkommt, ist noch lange nicht gesagt.“ Die Kammerpräsidentin stellte allerdings klar, dass zusätzliche Honorare – etwa für Beratungsleistungen – nur zusätzlich zum Fixhonorar gezahlt werden müssten. Sie sprach sich auch dafür aus, dass diese neuen Leistungen als Satzungsleistungen der Kassen verankert werden. Schließlich müsse klar sein, dass die Patienten auch einen Anspruch darauf haben.

Dettling machte sich nochmals stark für sein steuerfinanziertes Fondsmodell. „Wir sind sehr für eine Anreizwirkung, damit nicht die Krankenkassen zahlen müssen. Die einfache Denke der Krankenkassen, mit Hinweisen auf nötige Einsparungen im Sinne der Solidargemeinschaft, wird ein zusätzliches Honorar sonst nie zulassen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Ergänzend....

von gabriela aures am 10.10.2018 um 10:51 Uhr

..möchte ich mal noch Folgendes in Erinnerung rufen :

Die ABDA leistet sich seit 2011 eine AG Honorar !
Doch selbst das Urteil von 2016 und die wiederholten Aufforderungen von Seiten der Politik sind und waren ganz offensichtlich absolut keine Gründe für eben diese AG, mal den Arsch zu bewegen !

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Alles lau . . .

von Uwe Hansmann am 10.10.2018 um 14:11 Uhr

Frei nach Herbert Wehner: „ Der Präsident badet gerne lau“

Magdalene Linz hat mit Ihren Forderungen nach zusätzlichem Honorar für Dienstleistungen recht und Sie hat rechtzeitig auf das missliche Gutachtengebahren der Standesführung hingewiesen - viele andere auch. Jetzt hat man sich durch Nichtkommentierung in die Ecke drängen lassen und Spahn wird genüsslich alle Register ziehen. Nix werden wir bekommen, gar nix.

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