DAZ.online-Wahlcheck (Teil 2)

Was sagen die Bayern-Parteien zum Versandhandel und zur Rx-Preisbindung?

Berlin - 10.10.2018, 07:00 Uhr

Bayern: Was halten CSU, SPD, Grüne, Linke, AfD, FDP und Freie Wähler vom Arzneimittelversandhandel? (Foto Karton: nikbu | Stimmzettel: Wolfgang / stock.adobe.com)

Bayern: Was halten CSU, SPD, Grüne, Linke, AfD, FDP und Freie Wähler vom Arzneimittelversandhandel? (Foto Karton: nikbu | Stimmzettel: Wolfgang / stock.adobe.com)


Wenn die bayerischen Wahlberechtigten am kommenden Sonntag einen neuen Landtag wählen, geht es indirekt auch um die bayerische Besetzung im Bundesrat. Für die Apotheker ist diese nicht zu vernachlässigen – ein Rx-Versandverbot müsste von den Ländern beispielsweise bestätigt werden. Im zweiten Teil des DAZ.online-Wahlchecks haben wir die großen Parteien im Freistaat nach deren Meinung zu den Themenbereichen Rx-Preisbindung und Versandhandel befragt.

Wie steht die CSU zu Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

CSU: Aus Sicht der CSU ist es nicht zielführend, deshalb deutschen Apotheken die Möglichkeiten von Boni und Rabatten einzuräumen. Einen daraus resultierenden Preiskampf könnten nur Versandhandelsapotheken gewinnen, aber nicht die Apotheken in Stadtrandlagen und ländlichen Gebieten. Letztere würden ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren. Befürworter des Versandhandels haben bisher nicht dargelegt, wie beispielsweise Nacht- und Notdienste in ländlichen Regionen durch denselben sichergestellt werden können. Unklar ist auch, wie die patientenindividuelle Herstellung von Arzneimitteln gewährleistet werden soll, wenn die Apotheke vor Ort aus wirtschaftlichen Gründen schließen muss.

Wie steht die CSU zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

CSU: Die CSU steht für eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung. Dazu gehören insbesondere auch Apotheken in Stadt und Land gleichermaßen. Die freiberuflichen Apotheker tragen nicht nur einen wichtigen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes bei. Sie sind wichtig für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Die von einem entsprechend ausgebildeten Apotheker verantwortungsvoll geführte Apotheke vor Ort ist aus unserer Sicht unersetzlich. Gerade bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist es besonders wichtig, dass der Apotheker den Patienten, den er im Idealfall schon lange gut kennt, über mögliche Wechselwirkungen der Arzneimittel untereinander aufklärt und Hinweise zur Einnahme gibt. Die Patientensicherheit in Deutschland genießt höchste Priorität. Insbesondere bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln bedarf es einer qualifizierten Beratung. Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker zeichnen sich durch ein überdurchschnittlich hohes Ausbildungsniveau aus. Nur sie gewährleisten eine qualitativ hochwertige Beratung und somit eine größtmögliche Patientensicherheit. Im Rahmen einer weltweiten anonymen Internet-Bestellung kann diese nicht im gleichen Maße garantiert werden.

Die CSU lehnt den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ab und hat sich in den Koalitionsverhandlungen erfolgreich für das Verbot des Versandhandels eingesetzt, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung rund um die Uhr zu erhalten – auch in Notfällen und mit in der Apotheke angefertigten Rezepturen bei persönlicher Beratung. Dies kann keine Versandapotheke leisten!

SPD, Freie Wähler, Grüne und AfD

Was sagt die SPD zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

BayernSPD: Wir wollen die Apothekenversorgung insgesamt verbessern, die möglichen Rabatte begrenzen und die Beratung durch die Apotheker höher vergüten. Viele Menschen wünschen sich mehr Informationen in der Apotheke über die verschriebenen Medikamente. Bisher wird die dementsprechende Qualifikation der Apotheker jedoch nur unzureichend genutzt. Auch die Notdienste müssen nach unserer Ansicht besser bezahlt werden.

Was sagt die SPD zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

BayernSPD: Um die Apotheken vor Ort zu stärken, will die Bundesregierung ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beschließen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass den Apotheken die für sie wirtschaftlich zentralen Umsätze mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erhalten bleiben. Versandapotheken, die die personal- und zeitaufwendigen Dienstleistungen einer öffentlichen Apotheke nicht erbringen, sollen keine ungerechtfertigten wirtschaftlichen Vorteile erhalten. Wir vertreten dazu eine differenzierte Position: Die Bürger wollen auf die Möglichkeiten des Versandhandels im digitalen Zeitalter nicht mehr verzichten. Diese Entwicklung ist unumkehrbar. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichthofes, ausländischen Versandapotheken Rezeptboni zu erlauben, könnte ein Preiswettbewerb drohen, der einige Apotheken in ihrer Existenz bedroht. Angemessener als ein Verbot des Rx-Versands ist jedoch, darauf mit sozialrechtlich definierten Rahmenbedingungen für Boni und Rabatte zu reagieren, um einen fairen Wettbewerb von niedergelassenen Apotheken und Versandapotheken zu gewährleisten.

Was sagen die Freien Wähler zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Freie Wähler: Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel dient dem Schutz des Patienten, der im Krankheitsfall nur schwerlich in der Lage ist Preise zu vergleichen, um das günstigste Angebot auszuwählen. Für ihn muss vielmehr die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu einem fixen Preis gewährleistet sein – egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Ebenso muss sich der Apotheker in weniger dicht besiedelten Regionen auf einen festen Preis verlassen können, ohne mit Großanbietern im Wettbewerb zu stehen. Boni und Rabatten stehen wir Freien Wähler deshalb sehr kritisch gegenüber.

Wettbewerb kann im Segment der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel stattfinden und vor allem natürlich auch bei Beratungs- und Informationsangeboten.

Was sagen die Freien Wähler zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

Freie Wähler: Der Versandhandel erfreute sich zunächst großer Beliebtheit bei den Verbrauchern. Wir Freie Wähler sehen jedoch auch die Probleme, die durch die fehlende Beratung durch Apotheker vor Ort entstehen können. Insofern sollte sich der Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränken. Dies ist auch geboten, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Aufgrund eines EuGH-Urteils dürfen Versandapotheken anderer EU-Mitgliedstaaten nämlich Rabatte auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren, für inländische Apotheken ist dies aufgrund der Arzneimittelpreisbindung untersagt. Um insofern gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, muss ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten. Auf die Antwort zur Bedeutung der Apotheke vor Ort verweise ich ausdrücklich.

Da Versandapotheken anderer EU-Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH nicht an die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gebunden sind, sind die inländischen Apotheken insofern benachteiligt. Gerade für kleinere Apotheken kann sich dies existenzbedrohend auswirken. Die inhabergeführten Apotheken erfüllen als erste Ansprechpartner für alle Gesundheitsfragen eine bedeutende Aufgabe vor Ort und dies zu 24 Stunden am Tag und 365 Tagen im Jahr. Aus diesem Grund unterstützen wir das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Was sagen die Grünen zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Durch ein Urteil des EuGH ist eine Benachteiligung der inländischen Apotheken entstanden, weil diese im Gegensatz zu den ausländischen Versandapotheken ihren Patientinnen und Patienten keine Boni anbieten dürfen. Wir schlagen deshalb vor, Rabatte in einem begrenzten Umfang zu ermöglichen und zudem zusätzlich zum Notdienstzuschlag einen Sicherstellungszuschlag insbesondere für Apotheken in dünn besiedelten Regionen aufzulegen, damit etwaige Wettbewerbsnachteile kompensiert werden können.

Was sagen die Freien Wähler zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

Der Versandhandel kann eine Ergänzung zur Versorgung mit stationären Apotheken sein, diese aber nicht ersetzen. Beim Rx-Versandverbot handelt es sich um ein Thema der Bundespolitik, es gibt dazu keinen Beschluss in Bayern.

Was sagt die AfD zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

AfD Bayern: Die Preisbindung bei Arzneimittelpreisen dient zur Sicherung des Bestandes von Apotheken. Boni und Preisrabatte würden einen Preiskampf zwischen Apotheken bedeuten, wobei die nicht so umsatzstarken den Nachteil der Umsatzeinbußen hinnehmen müssten – im Extremfall bis zur Aufgabe der Apotheke und somit zu Lasten der Versorgung. Boni und Preisrabatte sind seitens des Arzneimittelgroßhandels gang und gäbe, so dass hier eine Marktkonzentrierung stattfindet bzw. stattgefunden hat, die wir bei den Apotheken vermeiden wollen.

Was sagt die AfD zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

AfD Bayern: Im Digitalen Zeitalter wird diese Vertriebsform weiterhin zunehmen. Es wird eine völlig neue Vertriebsstrategie vonnöten sein, auch in Bezug auf die Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen und pharmakologischen Produkten.

Wir stehen grundsätzlich zu diesem Verbot, eben um die Konzernkonzentration zu vermeiden und die Versorgungssicherheit in ländlichen Gebieten sicherzustellen.

FDP Bayern und Linke

Was sagt die FDP Bayern zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

FDP: Der nationale Gesetzgeber hat die Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel trotz ihrer mittelbar wettbewerbsbeschränkten Wirkung als ein notwendiges Mittel des Patientenschutzes angesehen. Ähnliche Regelungen zur Vergütung finden sich u.a. bei Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in unterschiedlicher Ausprägung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 die Preisbindung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als mit der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar angesehen. Der Bundesgerichtshof wiederum hat in einer Entscheidung vom 24. November 2016 in einem parallelen Verfahren zur Gewährung von Rabatten entschieden, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen die Entscheidung des EuGH nicht bindend ist, die tragenden Erwägungen des nationalen Gesetzgebers zur Notwendigkeit der Preisbindung aufgeklärt werden müssten und erst dann gegebenenfalls nochmals eine Vorlage an den EuGH erfolgen kann. Zunächst werden wir Freie Demokraten daher als Rechtstaatspartei eine endgültige gerichtliche Entscheidung zur Frage der Preisbindung abwarten.

Wir setzen uns jedoch für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen inländischen und ausländischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken ein. Daher kommt nach abschließender gerichtlicher Entscheidung die Möglichkeit der Gewährung von Rabatten ausschließlich für ausländische Versandapotheken nicht in Betracht. Zudem muss im Hinblick auf gesetzlich Krankenversicherte geklärt werden, ob Rabatte den Patientinnen und Patienten zufließen dürfen oder ob dies nicht vielmehr dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung widerspricht.

Was sagt die FDP Bayern zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

FDP: Der  Versandhandel  von  Arzneimitteln  stellt  für  uns eine legitime Versorgungsmöglichkeit der Bevölkerung mit Arzneimitteln dar. Wir setzen uns daher für die Schaffung eines ordnungspolitischen Rahmens ein, der einen fairen Wettbewerb im Bereich der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellt. Für uns steht dabei Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger, wo sie ihre zum Teil lebensnotwendigen  Arzneimittel beziehen, und die Sicherheit und Qualität der Arzneimittelversorgung als Gewähr für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nach unserer Überzeugung wegen seines derzeitig sehr geringen Marktanteils nicht die Ursache für die Schließung von Apotheken und die Gefährdung der Arzneimittelversorgung in ländlichen Bereichen.

Wir Freie Demokraten lehnen das im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ab. Wir haben erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken mit einem Versandhandelsverbot für RX die bisher gerichtlich noch nicht abschließend geklärte Frage der Preisbindung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erreichen. Wir sehen daher die ganz erhebliche Gefahr, dass eine solche Regelung innerhalb von zwei bis drei Jahren durch das Bundesverfassungsgericht oder den EuGH gekippt würde.

Was sagen die Linken zur Rx-Preisbindung, Rx-Boni und dem EuGH-Urteil?

Die Linke: Ein Preiskampf führt zugleich zu einem Unterbietungswettkampf beim Personal und der Beratungsqualität. Patientinnen und Patienten müssen darauf vertrauen können, dass sie in der Apotheke fachkundige Hilfe bekommen. Diese Qualität sollte eingefordert, aber auch mit wirtschaftlicher Sicherheit ermöglicht werden. Die Linke befürwortet daher die Preisbindung mindestens für rezeptpflichtige Arzneimittel.

Die Ungleichbehandlung von aus- und inländischen Versandapotheken nach dem EuGH-Urteil ist nicht tragbar. Die einen dürfen Rabatte gewähren, die den anderen verboten sind. Durch die Untätigkeit der Bundesregierung und der Koalition besteht dieser Zustand nun seit bald 2 Jahren. Ausländische Internetapotheken haben seitdem die Möglichkeit, ihre Position auf dem deutschen Markt zu festigen und es wird immer schwieriger, den Rx-Versandhandel nun noch unterbinden zu können.

Was sagen die Linken zum Versandhandel und dem Rx-Versandverbot?

Linke: Die Linke hat bereits seit dem Jahr 2009 ein Verbot des RX-Versandhandels im Bundestag gefordert, das leider von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen abgelehnt wurde. Präsenzapotheken übernehmen wichtige Aufgaben des Gemeinwohls. Auch halten wir das persönliche Gespräch für eine Voraussetzung einer Beratung, die auch bei den Patientinnen und Patienten ankommt. Der auf das EuGH-Urteil folgende Streit zwischen CDU/CSU und SPD sowie innerhalb der einzelnen Regierungsparteien hat nun einen verhängnisvollen Stillstand zur Folge.

Das Verbot des RX-Versandhandels ist aus unserer Sicht schon deshalb notwendig, weil er keine gute Versorgungsqualität bieten kann. Hinzu kommt: Keine andere der diskutierten Lösungsvarianten beendet die Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Apotheken und die zwischen den Patienten, die im Ausland Rabatte einstecken, und solchen, die zum Beispiel auf eine Vor-Ort-Beratung angewiesen sind und in Zuzahlung entrichten müssen.

* Redaktioneller Hinweis: Die SPD Bayern hat am 10.10.2018 ihre Antworten zur Landtagswahl nachgeliefert. Wir haben die Inhalte daraufhin im Nachhinein eingefügt. (11.10.2018, 11:35)



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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