„Datenklau“ aus dem Bundesgesundheitsministerium

Bellartz-Anwalt wirft Gericht „Taschenspielertricks“ vor

Berlin - 05.10.2018, 16:30 Uhr

Bellartz-Anwalt Carsten Wegner hat sich auf die Staatsanwaltschaft eingeschossen. (b / Foto: Külker)

Bellartz-Anwalt Carsten Wegner hat sich auf die Staatsanwaltschaft eingeschossen. (b / Foto: Külker)


Im Strafprozess gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. weist die 1. Strafkammer des Berliner Landgerichts zwar weiterhin sämtliche Anträge des Bellartz-Verteidigers auf weitere Zeugenvernehmungen ab. Sie räumt aber ein, dass es „erhebliche“ Verfehlungen bei den Ermittlungen gegeben habe. 

Im Strafprozess gegen Ex-ABDA-Sprecher und Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. arbeitet Bellartz-Anwalt Carsten Wegner weiterhin mit der Strategie, seinen Mandanten als Opfer einer Straftat darzustellen. Niemals sei Bellartz ein Lobbyist gewesen, betont er immer wieder. Und während die Redaktionscomputer von Apotheke Adhoc während der Ermittlungen umfassend „gespiegelt“ worden seien, habe die Staatsanwaltschaft anderen Medien Informationen zulasten seines Mandanten durchgestochen. Es gebe offenbar einen Journalismus erster und zweiter Klasse, kritisierte Wegner nicht das erste Mal in diesem Prozess. Doch in den eigenen Reihen räume die Staatsanwaltschaft nicht auf. Schon gar nicht seien wegen der „Durchstechereien“ Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Und die Strafkammer bleibe untätig, so der Vorwurf des Anwalts. Er beantragte daraufhin am heutigen Prozesstag erneut die Vernehmung verschiedener Staatsanwälte als Zeugen.

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Doch das Gericht wies erst einmal in schon gewohnter Manier die bereits früher gestellten Beweisanträge Wegners zurück. Es bleibt der Überzeugung, dass die Vernehmung des zunächst ermittelnden Staatsanwaltes keine Tatsachen zutage fördern könnte, die nicht schon bewiesen seien oder sonst von Bedeutung wären. Allerdings betonte der Vorsitzende Richter auch, dass die Ablehnung dieser Anträge keine Billigung der ermittlerischen Verfehlungen zum Ausdruck bringen solle. Diese sehe die Kammer durchaus als erheblich an – und sie könnten im Schuldspruch auch strafmildernd berücksichtigt werden.

Anklagepunkte könnten bröckeln

Bei einem sogenannten Rechtsgespräch unterbreitete der Vorsitzende Richter dann einige Vorschläge zur Verfahrenseinstellung beziehungsweise -beschränkung. Wie bereits im März schlug er vor, nur noch zwei der vierzig gemeinsam angeklagten Fälle von „Datendiebstahl“ weiterzuverfolgen. Nämlich solche, die sich auf persönliche E-Mail-Fächer, etwa von Staatssekretären und Abteilungsleitern, beschränken. Auch von der Verfolgung wegen Verstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz könne abgesehen werden. Zumindest mit der Maßgabe, dass die bereits festgestellten Tatsachen im Verfahren weiterhin bei der Schuld- und Rechtsfolgenfrage berücksichtigt werden könnten.

Wegner: Kein Schaden für das Bundesgesundheitsministerium

Beschlossen wurde zu diesen Vorschlägen noch nichts. Wegner machte aber umgehend deutlich, dass das für ihn nur „Taschenspielertricks“ seien. „Das geht so nicht!“, erklärte er dem Gericht echauffiert. Es handele sich bei den dann eingestellten 38 Anklagepunkten um „klare Freispruchfälle“ – diese dann später in der Strafzumessung wieder berücksichtigen zu wollen, ist für ihn ein Unding.

Wegner stellte überdies erneut Anträge auf weitere Zeugenvernehmungen, insbesondere Staatsanwalt Roland Hennicke solle in den Zeugenstand berufen werden, ebenso die beiden früheren Gesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP). Letztere sollen insbesondere bezeugen, dass dem Bundesgesundheitsministerium durch den mutmaßlichen „Datendiebstahl“ keinerlei Schaden entstanden sei. Das sollen zudem diverse Presseberichte belegen, in denen Bahr mit entsprechenden Aussagen zitiert wird. Der Straftatbestand des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) erfordert zwar gar keinen Schaden – aber Wegner hat mit dieser Argumentation möglicherweise die Strafzumessung im Blick.

Ein Großteil des heutigen Prozesstages nahm überdies ein weiterer Anklagepunkt gegen H. ein, mit dem Bellartz in keinerlei Zusammenhang steht: Auf dem Computer des IT-Fachmanns war kinderpornografisches Material sichergestellt worden, das nun erstmals Thema im Prozess wurde. Gericht und Staatsanwaltschaft nahmen das Material in Augenschein. Im Anschluss schlug der Vorsitzende Richter vor, die weitere Verfolgung auf diese bereits betrachteten Fotos und Filme zu beschränken.

Der Prozess wird am 19. Oktober fortgesetzt. Weitere Termine sind bis in den Dezember hinein anberaumt.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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