Auszeichnung in Chemie

Nobelpreis für Enzym-Engineering und die „Väter“ der therapeutischen Antikörper

Stuttgart - 04.10.2018, 11:00 Uhr

Am gestrigen Mittwoch wurden die Chemie-Nobelpreisträger bekanntgegeben. (m / Foto: imago)

Am gestrigen Mittwoch wurden die Chemie-Nobelpreisträger bekanntgegeben. (m / Foto: imago)


2018 werden drei Forscher mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt, weil sie biologische Abläufe so verändert haben, dass sich Biotreibstoffe, Arzneien und vieles mehr umweltfreundlich herstellen lassen. Das wurde am gestrigen Mittwoch bekannt. Ihre Arbeiten hätten den Menschen größten Nutzen gebracht, heißt es vom Nobelkomitee. Die Arbeiten von zwei Preisträgern bildeten zum Beispiel die Grundlage für den Antikörper Adalimumab. 

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu einer Hälfte an die US-Amerikanerin Frances Arnold (62) und zur anderen Hälfte an ihren Landsmann George Smith (77) sowie den Briten Gregory Winter (67). Die drei Forscher haben Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper herzustellen, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm mit. Es sei ihnen gelungen, Kontrolle über die Evolution zu gewinnen und diese Fähigkeit für Zwecke einzusetzen, die der Menschheit größten Nutzen gebracht haben. Arnold ist die fünfte Frau, die den Chemie-Nobelpreis erhält – nach Marie Curie (1911), deren Tochter Irène Joliot-Curie (1935), Dorothy Crowfoot Hodgkin (1964) und Ada Yonath (2009).

Das Leben auf der Erde existiere, weil die Evolution zahlreiche komplexe chemische Probleme durch andauernde genetische Veränderungen gelöst habe, schreibt das Nobelkomitee in seiner Begründung. Die Preisträger hätten sich die Möglichkeiten der Evolution zunutze gemacht und im Labor weiterentwickelt. 

Maßgeschneiderte Enzyme durch Enzym-Engineering

Arnold entwickelte ein Verfahren, das heute als gerichtete Evolution bezeichnet wird. Darunter versteht man die absichtliche Veränderung von Molekülen wie Proteinen oder DNA mit dem Ziel, deren Eigenschaften für bestimmte Zwecke zu optimieren. Arnold, die heute am California Institute of Technology in Pasadena arbeitet, konzentriert sich auf die Eigenschaften von Enzymen. Bei dem Verfahren wird der genetische Bauplan eines Enzyms verändert, so dass Varianten mit anderen Eigenschaften entstehen. Varianten, die eine gewünschte chemische Reaktion besonders gut steuern, werden erneut verändert – bis schließlich ein Enzym mit optimalen Eigenschaften entstanden ist.

Ihre Forschung ermöglicht es heute, maßgeschneiderte Enzyme herzustellen. Diese werden etwa zur Produktion von Arznei- oder Biokraftstoffen genutzt – und zwar häufig umweltfreundlicher als zuvor, wie das Nobelkomitee betont. „Es ist ein grüner Preis, weil man beispielsweise bei der Herstellung von Plastik giftige Zutaten und Schwermetalle durch biologische Moleküle ersetzen kann“, sagte Nobeljuror Heiner Linke.

Forschung war Grundlage für Adalimumab

George Smith entwickelte in den 1980er Jahren an der University of Missouri das sogenannte Phagen-Display: 1985 stellte er in „Science“ ein Verfahren vor, das Bakteriophagen bestimmte Proteinsequenzen auf ihrer Oberfläche präsentieren lässt. Je nach Erbgut zeigen die Phagen verschiedene Proteinteile auf ihrer Hülle. In den Folgejahren griffen andere Forscher den Ansatz auf. Gregory Winter nutzte in Cambridge das Phagen-Display, um gezielt Antikörper für bestimmte Zwecke zu entwickeln. „Diese Errungenschaft war der Ausgangspunkt einer pharmazeutischen Revolution“, schreibt das Nobelkomitee. Winter baute riesige Phagen-Bibliotheken mit verschiedensten Antikörper-Varianten auf, die an unterschiedlichste Strukturen andocken und als medizinische Wirkstoffe genutzt werden können. Daraus ging etwa der humane Antikörper Adalimumab hervor, der an ein entzündungsförderndes Protein bindet. 

2017 waren Joachim Frank, Jacques Dubochet und Richard Henderson geehrt worden für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie. Mit der Technik können Forscher Biomoleküle im Detail untersuchen. Der Schweizer Dubochet, der Deutsch-Amerikaner Frank und der Brite Henderson teilten sich das Preisgeld zu gleichen Teilen.

Mehr zum Thema

Am Montag und Dienstag wurden bereits die Preisträger in Medizin und Physik bekannt gegeben. So ging der Nobelpreis für Physik dieses Jahr zur Hälfte an Arthur Ashkin (USA) sowie an Gérard Mourou (Frankreich) und Donna Strickland (Kanada). Arthur Ashkin bekommt den Preis für die Entwicklung optischer Pinzetten und ihre Anwendung in biologischen Systemen. Gérard Mourou und Donna Strickland erhalten die Auszeichnung für ihre Methode zur Erzeugung von hochintensiven, ultra-kurzen optischen Pulsen.  

Den Nobelpreis für Medizin bekommen James Allison und Tasuku Honjo. Sie werden ausgezeichnet für ihre Forschung auf dem Gebiet der Immuntherapien gegen Krebs. Auf Basis ihrer Arbeiten ist eine ganz neue Wirkstoffklasse entstanden: Die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, die bereits seit einigen Jahren Eingang in die Krebstherapie gefunden haben. Die Idee dahinter ist folgende: Die Bremse, die bei vielen Krebserkrankungen verhindert, dass der Tumor vom eigenen Immunsystem bekämpft wird, soll aufgehoben werden. So soll die Abwehr gegen die Krebszellen aktiviert werden. Und eben diese „Bremsen“ haben die aktuellen Nobelpreisträger entdeckt, beziehungsweise erforscht. Eine ganze Reihe von Wirkstoffen hat bereits die Marktreife erlangt.

Chemie-Nobelpreis: Die Preisträger der vergangenen Jahre 

2016: Jean-Pierre Sauvage (Frankreich), Sir James Fraser Stoddart (Großbritannien) und Bernard L. Feringa (Niederlande) für die Entwicklng extrem kleiner molekularer Maschinen, die wie künstliche Muskeln funktionieren

2015: Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei) für ihre Untersuchungen zu den DNA-Reperatur-Mechanismen der Zellen

2014: Stefan Hell (Deutschland), Eric Betzig und William Moerner (beide USA) für ihre Entwicklungen in der hochauflösenden Lichtmikroskopie

2013: Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel (alle USA) für ihre Entwicklung von Computer-Modellen komplexer chemischer Systeme

2012: Robert J. Lefkowitz (USA) und Brian K. Kobilka (USA) für die Entdeckung der Wirkungsweise G-Protein-gekoppelter Rezeptoren in Zellen

2011: Dan Shechtman (Israel) für die Entdeckung der Quasikristalle

2010: Richard F. Heck (USA), Ei-ichi Negishi (Japan) und Akira Suzuki (Japan) für die Verbindung von Kohlenstoffatomen zu komplexen Molekülen

2009: Venkatraman Ramakrishnan (USA), Thomas A. Steitz (USA) und Ada E. Jonath (Israel) für die Strukturaufklärung der Ribosomen

2008: Der in den USA forschende Japaner Osamu Shimomura und die beiden US-Amerikaner Martin Chalfie und Roger Tsien für die Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins GFP



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