Stationäre Läden in der Innenstadt

Wenn Online-Händler offline fremdgehen

Stuttgart - 04.10.2018, 07:00 Uhr

In den USA betreibt Amazon seit einiger Zeit Buchläden vor Ort. Viele alteingesessene Buchhändler konnten zuvor der Konkurrenz durch den Online-Riesen nicht standhalten. ( r / Foto: imago)

In den USA betreibt Amazon seit einiger Zeit Buchläden vor Ort. Viele alteingesessene Buchhändler konnten zuvor der Konkurrenz durch den Online-Riesen nicht standhalten. ( r / Foto: imago)


Welches Ziel verfolgen die Online-Händler? 

Und vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass es auch die „reinen“ Onliner in diesen Bereich drängt. Einer Studie des EHI Retail Institute e. V. (EHI) haben 57 Prozent der 1.000 umsatzstärksten Onlineshops auch stationäre Läden. Darunter, neben den bereits genannten Zalando und notebooksbilliger.de, Amazon, Misterspex.de, About.you.de oder Home24.de. Auch Ebay betrieb 2013 einen Pop-up Store in Berlin, in dem übrigens via Paypal bezahlt werden konnte. 

Das allen gemeinsame Motiv ist wohl Umsatzsteigerung. Denn laut „e-etailment“  belegen Studien, dass Omnichannel-Kunden mehr Umsatz generieren als rein stationäre oder reine Online-Kunden. Die Strategien und Konzepte unterscheiden sich je nach Unternehmen und reichen von Präsenz zeigen bis Retouren vermeiden. Zudem bedeuten viele Verkaufsstellen erhöhte Sichtbarkeit, Bekanntheitsgrad und Glaubwürdigkeit sowie eine größere Chance auf Impulskäufe, schreibt „e-tailment“. Und auch Onlineriesen wie Amazon, deren Bekanntheitsgrad man nicht mehr steigern müsse, erscheine ein stationärer Auftritt aus Marketingsicht lohnenswert, heißt es weiter. Die Unternehmen hätten regelrecht Fans, die die Marke auch offline erleben wollten. Und ganz ohne direkten Eigennutz scheint das für die Unternehmen wohl auch nicht: Sie können so ihre Kunden im Laden kennenlernen und ihre Daten verfeinern. 

Verschiedene Strategien

Und je nach Strategie unterscheiden sich die Ladenkonzepte, zum Teil sogar bei ein und demselben Händler. So betreibt zum Beispiel Zalando Outlets, in denen Restposten und Auslaufware angeboten werden, aber eben auch besagten Beauty-Store mit hochwertiger Kosmetik. Versender, die Waren mit hohem Retourenanteil anbieten, wie Möbel oder Mode, betreiben sogenannte Showrooms – Home24 inzwischen sieben. Zwar lässt sich heutzutage mittels Augmented-Reality simulieren wie das neue Sofa im eigenen Wohnzimmer aussehen wird – Ikea bietet das zum Beispiel an, aber Probesitzen geht halt doch nur offline. Dasselbe gilt fürs Anprobieren oder wie sich ein Stoff tatsächlich anfühlt.

Große Lagerflächen wie bei klassischen Möbelhäusern oder Großmärkten, die jedes Model in allen möglichen Farb- und Größenkombination an Lager haben, braucht es dafür nicht. So verfügt beispielsweise der im August in Frankfurt eröffnete Home24-Showroom über 450m2 im Gegensatz zu oft mehreren 10.000m2 der klassischen Möbelhäuser, die dann aber auch nicht inmitten der Innenstädte, sondern auf der grünen Wiese stehen und nur mit dem Auto erreichbar sind. In den Showrooms finden sich von allen Produktvarianten Muster, dazu wird in nettem Ambiente ausführlich beraten. Der Kunde bestellt dann im Laden – nach Anprobe und Beratung – und bekommt seine Bestellung zeitnah nach Hause geliefert. Sozusagen das Beste aus allen Welten.

Zudem nutzen Händler die Läden und Showrooms als dezentrale Warenlager. Das ermöglicht einen schnellen Versand von Schnelldrehern im städtischen Raum oder Click-and-collect-Modelle und raubt dem stationären Handel somit einen großen Vorteil gegenüber dem reinen Versandhandel.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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