Plan A oder Plan B?

Rx-Versand: Union erhöht Druck auf Spahn, ABDA beruft Sondersitzung ein

Berlin - 28.09.2018, 16:15 Uhr

Wohin geht die Reise? Die ABDA um Präsident Friedemann Schmidt hat vor dem Apothekertag noch wichtige Entscheidungen zu treffen – und muss sich womöglich auf unschöne Nachrichten vom Minister vorbereiten. (s/Foto: Schelbert)

Wohin geht die Reise? Die ABDA um Präsident Friedemann Schmidt hat vor dem Apothekertag noch wichtige Entscheidungen zu treffen – und muss sich womöglich auf unschöne Nachrichten vom Minister vorbereiten. (s/Foto: Schelbert)


Der Versandhandelskonflikt nimmt an Fahrt auf. Nach Informationen von DAZ.online war die ABDA-Spitze zuletzt mindestens zu einem weiteren Treffen bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – es sollen diverse Szenarien besprochen worden sein. Die ABDA hat nun sehr spontan eine außerordentliche Sitzung aller Kammer- und Verbandsvertreter einberufen. Wo die Reise hingeht, ist noch nicht ganz klar. Eines steht aber fest: Das Rx-Versandverbot ist noch immer nicht tot – auch weil die Unionsfraktion im Bundestag beharrlich dafür kämpft.

Seit fast zwei Jahren dürfen die sogenannten EU-Versender, also DocMorris, Shop Apotheke und Co., Kunden in Deutschland unbegrenzt Rx-Boni anbieten. Im Oktober 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich ausländische Versender nicht an die hierzulande geltende Rx-Preisbindung halten müssen. Eine Reaktion des Gesetzgebers auf dieses Urteil gibt es nach wie vor nicht. Das könnte sich bald ändern. Dass der Versandhandelskonflikt nun Fahrt aufnimmt, liegt vor allem an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) selbst: Der hatte nämlich mehrfach in aller Öffentlichkeit versprochen, dass er bis zum Deutschen Apothekertag (DAT) am 9. Oktober in München eine Lösung vorstellen will. Aus seinen Ankündigungen ging auch hervor: Das im Koalitionsvertrag angekündigte Rx-Versandverbot mag Spahn nicht, trotzdem wolle er Rx-Rabatte in Deutschland nicht zulassen.

Nach Informationen von DAZ.online haben zuletzt erneute Gespräche mit der ABDA-Spitze im Bundesgesundheitsministerium (BMG) stattgefunden. Noch immer sind keine Details bekannt, beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. Dem Vernehmen nach soll Spahn den Apothekern nun aber zwei Pläne vorgestellt haben: Einer davon soll nach wie vor das Rx-Versandverbot sein. Der andere Lösungsweg ist noch unbekannt – es soll sich aber um einen „liberaleren“ Ansatz handeln. Dass die ABDA und das BMG sich nun für einen von zwei Wegen entscheiden müssen, hatte auch schon Karin Maag (CDU), die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, am gestrigen Donnerstag bei der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) angedeutet: Es gebe einen „Plan A“ und einen „Plan B“ und man müsse nun sehen, für welche Variante sich „die Beteiligten“ nun entscheiden.

ABDA beruft außerordentliche Sitzung des Gesamtvorstandes ein

Dass auf Apothekerseite eine wichtige Entscheidung ansteht, spürt man auch in den Kreisen der Standesvertretung der Pharmazeuten. Denn die ABDA hat am gestrigen Donnerstag eine Einladung an alle Kammern und Verbände verschickt, die verdeutlicht, wie brisant die Situation ist: Am 4. Oktober soll bei der ABDA eine außerordentliche Sitzung des Gesamtvorstandes stattfinden, dem Vertreter aus allen 34 Mitgliedsorganisationen angehören. Einziger Tagesordnungspunkt, für den übrigens sechs Stunden angesetzt sind: die aktuelle politische Lage. Welche Beschlüsse die Apotheker dort fassen müssen oder wollen, ist unklar. Ein ABDA-Sprecher wollte keine Details zur Sitzung verraten. Die sehr plötzlich erfolgte Einladung hat aber auch sicherlich mit dem DAT zu tun, der nur wenige Tage später in München beginnt und auf dem Spahn Lösungen im Versandhandelskonflikt präsentieren will. Die Verbands- und Kammerfürsten werden sich voraussichtlich Reaktionen auf Spahns Rede zurechtlegen.

Dass das Rx-Versandverbot, das monatelang totgesagt und vom Minister selbst als B-Ware hingestellt wurde, immer noch im Spiel ist, wird aber gerade in diesen Tagen klar. Denn der Druck auf Spahn ist in dieser Sache hoch: Immer wieder wird er aus den eigenen Reihen daran erinnert, dass es einen Koalitionsvertrag gibt, in dem das Verbot enthalten ist. Immer wieder sprechen sich Unionspolitiker vehement für das Verbot aus. Erst gestern erklärte Maag öffentlich, dass sie es nach wie vor für die beste Lösung halte und sie den „unguten Wettbewerb“ mit den Versendern zu Ungunsten der Apotheker und somit der Einzelhandelsstruktur beenden will – mit dem Rx-Versandverbot. Nur wenn es berechtigte Einwände gebe, müssten andere Lösungen her, so Maag.

CDU/CSU-Fraktion fordert Spahn zum Handeln auf

Nach Informationen von DAZ.online musste sich Spahn erst vor wenigen Tagen deutliche Worte von den Gesundheitspolitikern der CDU/CSU-Arbeitsgruppe anhören. Insbesondere Abgeordnete aus ländlichen Regionen sollen Spahn aufgefordert haben, das Rx-Versandverbot prioritär zu behandeln und nach fast zwei Jahren Stillstand endlich eine Lösung zu präsentieren. In der Fraktion ist man offenbar auch sehr verstimmt darüber, dass Spahn seine große Lösung auf dem DAT mitteilen will – und nicht zuerst in den eigenen Fraktionsreihen.

DAZ.online hat sich in der Unionsfraktion umgehört. Insbesondere der CDU-Gesundheitsexperte Dietrich Monstadt aus Mecklenburg-Vorpommern ist verärgert über den Verlauf der Debatte. Gegenüber DAZ.online erklärte er: „Die Regierung lässt uns in dieser Angelegenheit seit Monaten hängen. Wir haben uns in dieser Woche nochmals dafür ausgesprochen, dass wir nicht durch eine Pressemitteilung auf dem Apothekertag oder ein Interview auf eine Lösung im Versandhandelskonflikt aufmerksam gemacht werden wollen. Wir als Parlamentarier möchten die Infos vom BMG bitte vor dem Apothekertag bekommen.“

Monstadt (CDU): Ich habe keine bessere Lösung als das Verbot gesehen

Nochmals erklärte Monstadt auch, warum er und seine Fraktionskollegen weiterhin das Rx-Versandverbot präferieren – obwohl Minister Spahn dieses mehrfach als juristisch schwer umsetzbar bezeichnete. Monstadt dazu: „Ich habe bislang keine andere Lösung als das Rx-Versandverbot gesehen, die besser wäre. Das Problem mit den Rx-Boni der EU-Versender ist doch, dass sich einige Versicherte auf Kosten der Gemeinschaft einen Vorteil erwirtschaften, und das geht nicht. Es kann außerdem nicht sein, dass ausländische Konzerne sich bereichern, während deutsche Patienten benachteiligt werden. Da wir auf ausländische Apotheken als Gesetzgeber keinen Zugriff haben, ist das komplette Rx-Versandverbot für mich die einzige Lösung. Zudem gehe ich davon aus, dass die Regierung alles daran setzt, den Koalitionsvertrag, den ich an dieser Stelle mitverhandelt habe, umzusetzen.“

Dem Vernehmen nach hat die Fraktion Spahn nun darum gebeten, bis zum DAT zunächst in den eigenen Reihen für Aufklärung zu sorgen – und dann auf dem DAT eine Lösung zu präsentieren. Monstadt wollte dies zwar nicht bestätigen. Allerdings erklärte er nochmals, dass das Rx-Versandverbot aus seiner Sicht noch längst nicht aufgegeben ist. „Wir haben der ABDA erst heute Morgen signalisiert, dass wir in der AG Gesundheit geschlossen hinter dem Koalitionsvertrag stehen. Es geht darum, die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung mit den Apotheken nicht zu verlieren. Wie kann ich als Politiker es zulassen, dass die Auslieferung von Medikamenten im Versandhandel – etwa durch die Nicht-Einhaltung der Kühlkette – unsicher ist?“  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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10 Kommentare

Hää...

von Hubert kaps am 29.09.2018 um 8:37 Uhr

Wenn ich das alles recht verstehe, gibt es zwei Pläne. Die möge der Minister bitte vorstellen (incl. den Vertretern der Fachausschüsse in Berlin) und dann diskutieren wir, welcher Plan der bessere ist, das beste AM-Distributionssystem der Welt zu erhalten. Wir sind doch hier nicht am Kindergeburtstag, wo der Onkel den gespannten Kinderaugen verrät, ob es in den Zoo oder doch wieder auf den Spielplatz geht...

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AW: Kindergeburtstag ...

von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2018 um 16:07 Uhr

Doch! ....Sind Sie dabei?
Ich denke, es gibt weiterhin die Geisterbahn in Endlosschleife - und zum krönenden Abschluss: das Kettenkarussell (ohne Ausstieg!)
Und übrigens:
An welche „Diskussion“ hatten Sie gedacht ....?
P. S. Ich sitze im Block Westfalen-Lippe. Sehen wir uns?

Die Präsentation des Scherbenhaufens

von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2018 um 7:50 Uhr

Friedemann Schmidt hat sich offensichtlich abkochen lassen und verzockt, präsentiert damit vorab seinen ABDA-Mitgliedern - und das sind ja bekanntlich nicht wir people an der Basis – noch auf den letzten Drücker seinen Scherbenhaufen und hofft offenbar so, durch seine Vasallen auf dem DAT in München wenigstens die heftigsten Wogen glätten zu können.
Die Delegierten (in Westfalen-Lippe trifft man sich bereits am 2. Oktober) gehen also bestens vorbereitet nach München, wo sie im vollständigen Sinne des Wortes „sprachlos“ (?! wobei ich hoffe: nicht hirnlos!) den Worten von Schmidt und Spahn als mundtote Zuhörer folgen dürfen.
P. S. Mein Schreiben an die ABDA hinsichtlich einer Diskussion mit Jens Spahn wurde im übrigen bis heute nicht beantwortet…

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Koaltionsvertrag

von Conny am 28.09.2018 um 20:05 Uhr

Das grosse Geld gibt es für Spahn nur, wenn er seinen Kumpel Max Müller nicht verärgert. Meine Prognose: Eher pflegt Spahn seine Eltern als das er das RX Versandtverbot verkündigt.

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AW: Koaltionsvertrag

von Frank ebert am 28.09.2018 um 20:31 Uhr

Wird so unter der Hand erzählt. Merkel: „Und du, Jens, kannst Du überhaupt irgendwas ? Welches Ministerium soll ich dir bitte geben ? „. Seehofer niesst. Spahn : „Gesundheit“ Merkel:“ Gut , meinetwegen.“

AW: Koaltionsvertrag

von Dominik Müller am 01.10.2018 um 9:37 Uhr

Genau so ist es und nicht anders. Der gehört wegen Befangenheit weg!!!!!

Sondersitzung ABDA

von Christiane Patzelt am 28.09.2018 um 19:00 Uhr

Um Himmels Willen!! Ein breites Kreuz und die Heldenpose will ich sehen, wenn uns Herr Spahn einheizen wird!
Bitte keine Jammernummer,
bitte kein "es hätte schlimmer...." - euch sterben die Apotheken im Akkord! Jetzt habt mal alle 34 Vorsitzenden nen festen Handschlag und nen entschlossenen Gesichtsausdruck und vor allem : KÄMPFT MAL ALLE ZUSAMMEN FÜR UNS HIER DRAUSSEN!!!!

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Friß oder stirb ?

von gabriela aures am 28.09.2018 um 17:10 Uhr

Das soll die Lösung sein ?
Die „Beteiligten“ sollen sich für A oder B entscheiden ?
Und das sollen echte Alternativen sein ?
Unterstellt man, daß das RX-VV Plan A ist, dann verwundert wiederum diese Aussage von Frau Maag :
„Erst gestern erklärte Maag öffentlich, dass sie es nach wie vor für die beste Lösung halte und sie den „unguten Wettbewerb“ mit den Versendern zu Ungunsten der Apotheker und somit der Einzelhandelsstruktur beenden will – mit dem Rx-Versandverbot. Nur wenn es berechtigte Einwände gebe, müssten andere Lösungen her, so Maag.“
Das heißt ganz klar, es hat sich die letzten 24 Monate niemand ernsthaft mit dem RX-VV und etwaigen Einwänden beschäftigt , sonst wären diese Fragen bereits abgearbeitet !

Sollte die Apothekerschaft also Option A wählen, kommen weitere Monate und Jahre von juristischem Eiertanz PLUS Notifizierungsverfahren im Anschluß auf uns zu - mindestens also weitere 2-3 Jahre Stillstand.
Und ohne Erfolgsgarantie.

Oder „wir“ ( also mehr so die ABDA und der Gesamtvorstand als Gralshüter ) wählen die öffentlich unbekannte Variante B.

Die einsame Entscheidung einiger weniger, deren Auswirkungen aber knapp 20.000 Betriebe und 150.000 Arbeitsplätze betreffen !
Und das Ganze wird dann am DAT präsentiert.
Fertig.
Alternativlos, denn nachträgliche Diskussionen und/oder Korrekturen des Handels sind vermutlich nicht vorgesehen.

Die einzige, aber verzweifelte Hoffnung, die bleibt :
die ABDA hat verstanden, hoch gepokert und besser gespielt als sonst.

In 2 Wochen werden wir es sehen und hören.

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AW: Friß oder stirb

von Christiane Patzelt am 28.09.2018 um 18:55 Uhr

Na meine Liebe, wir 2 sind ja nun schon lang genug Clowns in der Arena "Apotheke", wir wissen doch, was in der Jack-in-the-Box aka Plan B drin ist:

Wenn das RX-Versandverbot kommt, geht der komplette OTC- Markt in den Supermarkt/Discount/Drogieriemarkt whatever...oder was meinste kümmern sich jetzt alle um digital erhältliche Beipackzettel und bunte Bilder auch für Analphabeten auf OTC-Packungen...warum will uns die Industrie einschaukeln auf den Song "hab die Patientendaten bitte viel lieber als eure doofe Pharmazie". Angeblich denkt ja jetzt jeder mit Modem oder Internetzugang, er kann 5 Jahre Studium und 3 Staatsexamen ersetzen....da schwillt mir der Kamm vor soviel "vox populi" --ich erlebe im Alltag andauernd die krudesten Sachen, weil die Leute jetzt alle Apotheker und Arzt können....aber hey, die volkswirtschaftlichen Kosten für soviel Ignoranz sollen jetzt gerade mal nicht das Problem sein!

Fakt ist:
Apotheke ist Heimat!
Mit beiden Plänen geht die Apotheke kaputt!
Ohne Honorarplus sowieso!
Jede geschlossene Apotheke ab 2017 geht auf Kosten von Spahn und ich werde ihn auf seinem Weg zum Bundeskanzler nie vergessen lassen, dass er in 2 Wochen ein Stück Heimat kaputt macht!

Wähler sind ja auch nicht blöde, wer wählt denn Jemanden zum Bundeskanzler, der die Gesundheitsversorgung zum Ausverkauf preis gibt? Wir haben gerade eine Kanzlerin, die sehr schwach in der Innenpolitik ist - da braucht es nicht noch einen, der seine Heimat kaputt spart....

Wir bleiben Multiplikatoren, wir können Wahlkampf, wir haben die Patienten auf unserer Seite auch wenn die bots von manch Versendern in den Sozialmedien beharrlich etwas Anderes behaupten! Macht Spahn Politik gegen die Apotheken, macht Spahn Politik gegen seine Wähler - kann er ja mal machen....

AW: Friß oder stirb

von Peter Lahr am 01.10.2018 um 10:07 Uhr

@Fr. Patzelt

Würden sämtliche OTC Produkte in den Supermarkt wandern dürfte das an vorderster Front den Kassen nicht passen.
Die Quersubvention durch OTC ist bei uns schliesslich im Vergleich zu den Ärzten IMMER der Knackpunkt wenn es um das Honorar geht und fest eingepreist. Man stelle sich mal vor, das fiele weg, eieiei, Versorgungsauftrag wäre dann ausschließlich RX und Rezeptur. Wie war das, die durchschnittliche Apotheke macht 80 000 Teilbetriebsergebnis RX und 56 000 OTC und Freiwahl? Durchschnittliche 56 000 mal durchschnittlichen 20 000 Apotheken wären dann rein von Gesetzesseite 1,12 Mrd Mehrkosten für die Kassen und diese dann auf einmal zwingendermaßen mit jährlichem Anpassungsbedarf äquivalent zu den Ärzten, durchschnittlich so 3% im Jahr und nicht mehr bloss 3% in 10 Jahren. Der netto Zwangsrabatt läge ziemlich exakt auf den sofort zu kompensierenden 1,49 würde OTC eine komplette Freigabe erfahren. Die verursachten Schäden durch Mehrkonsum weil OTC dann auf der Stufe von Tütensuppen und Bonbons rangiert noch nicht inbegriffen.

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