Barrierefreiheit

Drei Stufen zu viel: Apotheke darf nicht wiedereröffnet werden

Berlin - 20.09.2018, 12:45 Uhr

Die traditionsreiche Pelikan-Apotheke in Düsseldorf steht vor dem Aus, weil drei Stufen am Eingang eine Wiedereröffnung verhindern. (r / Foto: Knell)

Die traditionsreiche Pelikan-Apotheke in Düsseldorf steht vor dem Aus, weil drei Stufen am Eingang eine Wiedereröffnung verhindern. (r / Foto: Knell)


Die alteingesessene Pelikan Apotheke in Düsseldorf steht eventuell vor dem endgültigen Aus. Nachdem der letzte Inhaber die Betriebserlaubnis zurückgegeben hatte, darf die Apotheke wegen fehlender Barrierefreiheit nicht wiedereröffnet werden. Der Grund: Drei Stufen vor der Apotheke. Dr. Dorothee Knell, ehemalige Leiterin der Apotheke und Vermieterin der Räumlichkeiten, berichtet DAZ.online über Gründe, Auswirkungen und Hoffnungen.

Seit drei Monaten ist die Pelikan Apotheke nun schon geschlossen. Die Betriebserlaubnis des bisherigen Inhabers erlosch am 19. Juni 2018 durch Verzicht. Die Vermieterin der ehemaligen Apotheke, die bis 2015 auch Leiterin der Apotheke war, Dr. Dorothee Knell, versucht seitdem die alteingesessene Apotheke zu retten. Doch einer Wiedereröffnung stehen drei Stufen vor dem Eingang zur Offizin im Weg – sie laufen der gesetzlich geforderten Barrierefreiheit zuwider. Knell versucht seither vergeblich, eine Ausnahmeregelung für die historische Apotheke zu erhalten, damit diese von einem neuen Inhaber weitergeführt werden kann.

Team der Pelikan Apotheke (2013): Nina Schmitz (PKA Auszubildende), Dr. Haress Mangal (Apotheker), Hanan El Jamli (PKA), Dr. Dorothee Knell (Apothekerin und Inhaberin bis 2015), Gabriele Scharpenberg (Apothekerin) und Annika Wagner (Apothekerin) (v.li.). (Foto: Knell)

Pelikan Apotheke – Tradition bewahren

Die Pelikan Apotheke wurde 1891 vom Urgroßvater Dorothee Knells gegründet. 1999 ging die Leitung auf die Apothekerin über. „Ich kaufte damals meinem Vater die Apotheke ab und folgte so seinem Wunsch zur Übernahme der Leitung.“ In vierter Generation führte sie anschließend die Familientradition weiter. Schon als Kind hatte sie eine enge Beziehung zu der Apotheke, berichtet Knell im Gespräch mit DAZ.online. Die Original-Einrichtung, die bis zum heutigen Tag in der Apotheke bewundert werden könne, beschreibt sie als „ein wahres Schmuckstückchen“. Auch mit den Vorgängen in der Apotheke habe sie sich schon immer eng verbunden gefühlt.

(Foto: Knell)

Im Februar 2015 verkaufte Knell jedoch aus privaten Gründen die Apotheke – nicht aber die Räume – und gab die Betriebserlaubnis an einen neuen Inhaber weiter. Einen Nachfolger aus der Familie habe es leider nicht gegeben, so Knell. Als Vermieterin blieb sie der Apotheke allerdings weiterhin eng verbunden. Die Pelikan Apotheke wurde von dem neuen Inhaber weitergeführt – bis zum Juni dieses Jahres. Dorothee Knell berichtet DAZ.online von seit April schuldig gebliebenen Mietzahlungen. Daraufhin habe sie das Mietverhältnis fristlos kündigen müssen. Der Inhaber verzichtete in der Folge auf die Betriebserlaubnis – ein Schritt mit weitreichenden Folgen für die Apotheke.  

Fehlende Barrierefreiheit verhindert Wiederöffnung der Apotheke

Apothekerin Knell würde die Apothekentradition der Pelikan Apotheke gerne weitergeführt sehen. Dementsprechend wünscht sie sich, die Räume wieder an eine Apothekerin oder einen Apotheker vermieten zu können. Allerdings sei das zurzeit nicht möglich, da laut einem Bescheid des Gesundheitsamtes Düsseldorf aufgrund eines fehlendem barrierefreien Zugangs zur Offizin erst wieder eine Betriebserlaubnis erteilt werden könne, wenn die Räume über die seit 2012 von der Apothekenbetriebsordnung (§ 4 Absatz 2a ApBetrO) geforderte Eignung verfügen. 

Drei Stufen vor der Apotheke stellten von nun an ein großes Hindernis dar – zumindest aus Sicht der Behörden. Ein Hindernis, das aus baulichen und baurechtlichen Gründen aber nicht ohne weiteres behoben werden könne, so Knell. „Bisher konnten wir die Situation durch eine Klingel und die Hilfe des Apothekenpersonals immer zufriedenstellend lösen“, ergänzt sie. Zudem sei die Apotheke bei den Kunden immer sehr beliebt gewesen. Viele sprächen sie auch jetzt noch auf den Leerstand an und äußerten ihr Bedauern. In Aushängen in den Schaufenstern der Apotheke vertröst Knell seither die bisherige Kundschaft. Sie könne jedoch auch nicht absehen, ob und wann eine Wiedereröffnung möglich sei. 

Verzicht auf Betriebserlaubnis: Wiederöffnung wäre Neueröffnung

Die Krux bei der Geschichte sei, dass der vorherige Besitzer die Betriebserlaubnis nicht nahtlos an einen Nachfolger weitergegeben habe, sondern stattdessen darauf verzichtet habe, erläutert Knell. Die Entscheidung des Gesundheitsamtes, die Erteilung einer erneuten Betriebserlaubnis unter den gegebenen Umständen zu verweigern, würde dementsprechend auch mit der Tatsache begründet, dass es sich dann um eine Neueröffnung handeln würde. Ein neuer Inhaber wisse zudem um die Problematik und könne sich im Vorfeld darauf einstellen. Es handele sich also um keine unbillige Härte, berichtet die Apothekerin über die Begründung des Gesundheitsamtes.

Dr. Dorothee Knell leitete bis 2015 die Pelikan Apotheke. (Foto: Knell)

Ausnahmetatbestand des Bestandsschutzes greift nicht 

Dorothee Knell berichtet DAZ.online von ihren Bemühungen, die Apotheke als Apotheke zu erhalten. So habe sie, obwohl seit 2015 in München lebend und als Künstlerin erfolgreich, in Erwägung gezogen, die Apotheke wieder selbst zu leiten. Allerdings sei ihr die Betriebserlaubnis wegen ihrer längeren beruflichen Pause nicht erteilt worden. Begründet habe das Gesundheitsamt die Ablehnung mit dem Verweis auf das Apothekengesetz (§ 2 Abs. 3 ApoG), wonach einem Approbierten keine Erlaubnis erteilt werden kann, wenn er mehr als zwei Jahre lang ununterbrochen keine pharmazeutische Tätigkeit ausgeübt hat. Knell könnte diese dementsprechend erst wieder erhalten, wenn sie mindestens sechs Monate ununterbrochen pharmazeutisch tätig gewesen ist. Auch ihre zeitweisen Vertretungstätigkeiten haben nicht ausgereicht, so Knell.

Allerdings bestünde in jedem Fall noch die Problematik der nicht vorhandenen Barrierefreiheit. Hier hofft Knell auf einen Bestandsschutz für bereits existierende Apotheken und eine Härtefallregelung, da der Umbau so gut wie unmöglich sei. Von der Apothekerkammer Nordrhein, bei der sie sich Beratung für ihren Fall eingeholt hatte, hätte sie unter anderem als Antwort bekommen, dass der Kammer keine Fälle bekannt seien, in denen Bestandsapotheken aus beschriebenen Gründen geschlossen worden seien. Ferner solle sie auf die Wichtigkeit einer wohnortnahen Versorgung hinweisen, die besonders auch für gehbehinderte Kunden bedeutsam sei. Die Untersuchung, ob eventuell ein Ausnahmetatbestand vorliegen könne, sei von Gesundheitsamt ans Rechtsamt der Stadt weitergeleitet worden, und schließlich negativ beschieden worden, erläutert Knell enttäuscht.

Widerspruch gegen Bescheid – oder andere Lösung?

Vier Wochen hat Knell jetzt Zeit, um gegen den ablehnenden Bescheid des Gesundheitsamtes vom 14. September 2018 Widerspruch einzulegen. Zunächst wolle sie noch einen Termin mit dem Amtsapotheker abwarten, der wahrscheinlich im Laufe der nächsten Woche stattfinden werde. Sie erhofft sich durch ein klärendes Gespräch einen Durchbruch und eine andere Einschätzung der Lage – nicht zuletzt für die enttäuschten Stammkunden, die immer noch „ihrer“ Pelikan Apotheke nachtrauern würden. „Einen Interessenten zum Kauf der Apotheke findet sich unter geänderten Bedingungen bestimmt schnell“, da ist sich die Apothekerin sicher. Und etwas anderes als einen Apothekenbetrieb wünsche sie sich zudem für die Räumlichkeiten der Pelikan Apotheke nicht.

Apotheke nach Schließung – Warten auf die Möglichkeit der Wiedereröffnung. (Foto: Knell)

Barrierefreiheit – gleiche Voraussetzungen für alle?

Seit 2012 schreibt die Apothekenbetriebsordnung einen barrierefreien Zugang zur Apothekenoffizin vor. Alle Kunden sollen so die Möglichkeit erhalten, selbstständig in die Apotheke gelangen zu können. Da es sich um eine sogenannte „Soll-Regelung“ handelt, gibt es allerdings einen gewissen Spielraum für Interpretationen und Ausnahmeregelungen – zumindest theoretisch. Apotheken verfügen natürlicherweise über gänzlich unterschiedliche Voraussetzungen. Während die einen von vornherein über einen ebenerdigen Zugang und Automatiktüren verfügten und keine Maßnahmen ergreifen mussten, befinden andere sich wiederum in denkmalgeschützten Gebäuden, die einen Umbau erschweren oder sogar unmöglich machen. 

Ein anderes Problem stellten mit Inkrafttreten der Änderungen die Kosten für die betroffenen Apotheken dar. Eine Schieflage entstand hier nicht nur bezüglich der Konkurrenz-Apotheken, die keinen Umbau durchführen mussten, sondern auch gegenüber den Ärzten, denen im Gegensatz zu den Apothekern vergünstigte Kredite durch die Bundesregierung versprochen wurden – DAZ.online berichtete. Die ABDA verwies damals darauf, dass gegebenenfalls erforderliche Umbaumaßnahmen für die meisten Apotheker ihrer Einschätzung nach kein größeres Problem darstellen würden – und zudem zumeist bereits Barrierefreiheit vorläge. 

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Hintergrund: Die UN-Behindertenkonvention fordert für Menschen mit Behinderungen den gleichen Schutz wie für Menschen ohne Behinderungen. Zur Umsetzung der Konvention hat die Bundesregierung im Jahr 2011 einen „Nationalen Aktionsplan“ vorgelegt. Dieser Plan möchte für alle Menschen mit Behinderungen einen barrierefreien Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen - einschließlich Gesundheitsdiensten und Gesundheitsdienstleistungen – erreichen. 



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Jo mei

von Peter Lahr am 21.09.2018 um 12:28 Uhr

Auf DAZ Zitat:

"Nach § 4 Abs. 2a Satz 1 ApBetrO n. F. "soll" die Offizin barrierefrei erreichbar sein. Eine Soll-Vorschrift ist für den Juristen eine Bestimmung, die ein Tun oder Unterlassen für den Regelfall vorschreibt, Abweichungen aber bei Vorliegen besonderer Umstände gestattet.

Lässt sich die Barrierefreiheit nur mit einem solchen Aufwand erreichen, der außer Verhältnis steht zu dem mit ihm verfolgten Zweck oder rechtlich gesehen schon gar nicht zulässig ist (mangels öffentlich-rechtlicher Genehmigungsfähigkeit) und andere Maßnahmen zur Herbeiführung von Barrierefreiheit ausscheiden, kann daher davon abgesehen werden, den Zugang zur Offizin barrierefrei zu gestalten. Ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang kann auch sein, ob sich eine (bereits jetzt schon) barrierefrei zugängliche Apotheke im näheren Umkreis befindet."

Ergo überinterpretiert die Behörde wohl durch die Auslegung von SOLL zu MUSS. Ob man in diesem Zusammenhang schon von Willkür sprechen kann sei dahingestellt.

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