Nordrhein-Westfalen

Patienten von Zyto-Apotheker Peter S. wollen vor dem Landtag demonstrieren

Berlin - 19.09.2018, 12:10 Uhr

Schon mehrfach haben vor der Bottroper Zyto-Apotheke Demonstrationen stattgefunden, jetzt wollen die Geschädigten vor dem NRW-Landtag protestieren. ( r / Foto: hfd)

Schon mehrfach haben vor der Bottroper Zyto-Apotheke Demonstrationen stattgefunden, jetzt wollen die Geschädigten vor dem NRW-Landtag protestieren. ( r / Foto: hfd)


Auch nach der Verurteilung des Pharmazeuten Peter S. sind viele seiner Patienten und deren Angehörigen weiter äußerst unzufrieden: Sie bemängeln die ungenügende Aufarbeitung des Skandals – und fordern teils sogar den Rücktritt von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Nach dem ersten Treffen zwischen Laumann und den Patienten im März erklärt das Ministerium gegenüber DAZ.online, dass Laumann Patienten nun erneut treffen wolle*. Derweil planen diese eine Demo vor dem Landtag.

Anfang Juli wurde der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. vom Landgericht Essen zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt, doch für von ihm versorgte Krebspatienten wie auch deren Angehörigen stellen sich nach wie vor viele Fragen. Wie auch der Vorsitzende Richter sprechen sie von einem Behördenversagen und fordern, dass der Fall – ähnlich wie im Lunpharma-Skandal – umfassend aufgearbeitet werden müssen. In den bald zwei Jahren seit Inhaftierung von S. sei praktisch nichts unternommen wurden, um betroffene Patienten zu informieren, kritisiert Heike Benedetti gegenüber DAZ.online – sie hatte mehrfach Demonstrationen in Bottrop organisiert. 

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Sie zeigt sich sehr enttäuscht über NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der im Juni 2017 das Amt von seiner Vorgängerin Barbara Steffens (Grüne) übernommen hat. Er hätte die Chance gehabt, sich energisch für die Aufarbeitung des Skandals einzusetzen, sagt Benedetti. „Im Grunde genommen bin ich entsetzt und enttäuscht, da er mit seinem Verhalten Behörden und seinem Ministerium Rückendeckung gibt und nicht dem betroffenen Patienten“, sagt sie. Laumann hatte zunächst angekündigt, sich dafür einzusetzen, dass alle betroffenen Patienten informiert werden – aus Datenschutzgründen dann aber einen Rückzieher gemacht. Der Hinweis seines Ministeriums, Patienten hätten auch ein Recht auf Nichtwissen, sei fehl am Platz, sagt Benedetti.

Sie fordert weiterhin, dass eine Fallkontrollstudie durchgeführt wird, die die Krankheitsverläufe von Krebspatienten von S. mit jenen vergleicht, die aus anderen Apotheken versorgt wurde. Eine Voruntersuchung der AOK Rheinland/Hamburg hatte Hinweise dafür ergeben, dass Patienten des Bottroper Apothekers schlechtere Heilungschancen hatten. Schon seit Monaten lässt das NRW-Gesundheitsministerium eine Machbarkeitsstudie durchführen, eigentlich sollte deren Ergebnis bis Ende August feststehen. „Mit der Vorlage der wissenschaftlichen Stellungnahme einschließlich einer Fallzahlschätzung zur Durchführbarkeit einer Vergleichsstudie ist bis Mitte Oktober zu rechnen“, erklärt nun jedoch ein Sprecher gegenüber DAZ.online. „Das Ergebnis wird in geeigneter Weise veröffentlicht.“

Whistleblower Porwoll fordert Laumanns Rücktritt

Auch der Whistleblower Martin Porwoll, der als kaufmännischer Leiter der Apotheke Anzeige erstattet hatte, kritisiert das Vorgehen des Landesministeriums deutlich. „Stümperhafte beziehungsweise gar nicht vorhandene Aufklärungspolitik – noch immer ist kein modus operandi gefunden worden, wie alle Betroffenen in Kenntnis gesetzt werden sollen“, schrieb er kürzlich in einem Facebook-Post. Noch immer gebe es Tausende Menschen, die nicht wissen, dass sie Rechte haben, die sie juristisch durchsetzen können. „Für mich ein Totalversagen der Politik“, schreibt Porwoll – in Brandenburg sei die zuständige Gesundheitsministerin im Lunapharm-Skandal zurückgetreten.

Auch in Nordrhein-Westfalen müsse der Gesundheitsminister zurücktreten und Platz machen für einen Nachfolger, „der den größten Medizinskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte richtig anpackt“, fordert Porwoll. So sieht es auch Benedetti. „Für mich ist dieser Minister als Gesundheitsminister untragbar“, erklärt sie. „Er hat nicht zum Wohle des Volkes gehandelt.“

Benedetti und Porwoll haben nun für den 29. November – dem zweiten Jahrestag von Razzia und Festnahme – eine Demo vor dem Landtag in Düsseldorf geplant. Auf Nachfrage von DAZ.online, ob Minister Laumann sich auf der Demo mit Betroffenen treffen würde, ließ ein Sprecher offen. Laumann werde sich aber unabhängig von der Demonstration erneut persönlich mit „Opfervertretern“ treffen, „um diese über den Sachstand zu informieren“, erklärte der Pressesprecher. Ein Einladungsschreiben werde sein Haus in Kürze versenden.

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* Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatten wir nicht erwähnt, dass bereits im März 2018 ein Treffen zwischen Minister Laumann und den Patientenvertretern stattgefunden hat.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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