Umstrittener Iberogast-Inhaltsstoff

Wie wirkt Schöllkraut und wie steht es mit den klinischen Belegen?

Remagen - 14.09.2018, 10:00 Uhr

Die
Arzneipflanze Chelidonium majus L. ist der umstrittene Inhaltsstoff in Iberogast. Aber wie wirkt Schöllkraut? Und wie sind die klinischen Belege? ( r / Foto: Imago)

Die Arzneipflanze Chelidonium majus L. ist der umstrittene Inhaltsstoff in Iberogast. Aber wie wirkt Schöllkraut? Und wie sind die klinischen Belege? ( r / Foto: Imago)


Datenlage für die Kombi besser

In Reviews verweisen mehrere Autoren demgegenüber auf Studien, die mit der in Iberogast enthaltenen Kombination (STW-5) durchgeführt wurden. Ottilinger et al. beschreiben in einem Review aus dem Jahr 2013 zwölf seit 1990 durchgeführte Studien in den Indikationen funktionelle Dyspepsie (FD) und Reizdarmsyndrom (IBS), davon fünf kontrollierte, randomisierte bei FD und eine bei IBS. Insgesamt wurden hiernach 413 Patienten in diesen Studien mit STW 5 behandelt sowie rund 5800 in prospektiven nicht-interventionellen Studien. Die doppelblinden und randomisierte Studien gegen Placebo und/oder aktive Kontrolle hätten statistisch signifikante und klinisch relevante Effekte gegenüber Placebo bzw. eine zu einem Standardprokinetikum (Cisaprid) vergleichbare Wirkung gezeigt, stellen die Autoren fest. Diese Effekte seien in nicht-interventionellen bzw. retrospektiven Studien bestätigt worden. Die Inzidenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen in den Studien lag bei 0,04 Prozent.

Iberogast ist in Deutschland als einziges Phytopharmakon sowohl zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie als auch des Reizdarmsyndroms zugelassen und wurde für beide Indikationen in die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) aufgenommen.

Lebertox: Gefahr erkannt und hoffentlich gebannt

Seit Ende der 90er-Jahre tauchten in der Literatur vermehrt Hinweise auf eine mögliche Leberschädigung durch Schöllkraut und Schöllkraut-Extrakte auf. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) leitete daraufhin im Jahr 2005 ein Stufenplanverfahren ein und erließ 2008 einen Bescheid, mit dem die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen wurde. Bei Präparaten mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide sollten Änderungen in den Produktinformationen vorgenommen werden, um auf das Risiko hinzuweisen. Der Iberogast®-Hersteller legte gegen den Bescheid zunächst Widerspruch ein, unter anderem mit der Begründung, der verwendete Schöllkraut-Extrakt enthalte nur eine sehr geringe Menge an Alkaloiden, lenkte aber vor wenigen Tagen dann doch ein.

Ursache weiterhin ungeklärt

Die klinische Relevanz des Risikos der Lebertoxizität wurde von einem italienischen Wissenschaftler-Team im letzten Jahr ausführlich beleuchtet. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Ergebnisse von Studien an Tieren hierzu zwiespältige seien. Sie vermuten eine relativ komplexe Mischung verschiedener Mechanismen als Auslöser. Beim Menschen seien als Hauptsymptome Gallestauung und leichte bis schwere Leberschädigungen mit einer meist recht gut dokumentierten Kausalität beobachtet worden. Bislang habe die Toxizität noch an keinem speziellen Inhaltsstoff festgemacht werden können. Vielmehr gebe es Vermutungen, dass es sich nicht um eine intrinsische Toxizität handele, sondern dass Wechselwirkungen oder auch individuelle Überempfindlichkeiten oder Allergien dafür verantwortlich sein könnten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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