Nur noch Sommerzeit?

EU-Kommission will Zeitumstellung abschaffen

Berlin - 12.09.2018, 13:45 Uhr

Die EU-Kommission will die Zeitsprünge im Frühjahr und Herbst abschaffen. (m / Foto: Imago)

Die EU-Kommission will die Zeitsprünge im Frühjahr und Herbst abschaffen. (m / Foto: Imago)


Ende Oktober werden auch in diesem Jahr die Uhren wieder eine Stunde zurückgestellt. Dann kehren wir von der Sommerzeit zurück zur regulären Zeit. Die Mehrheit der Deutschen findet den halbjährlichen Wechsel schlicht überflüssig, ein Teil beklagt sogar gesundheitliche Probleme. Nun hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag für die Abschaffung der Zeitumstellung verabschiedet. Wissenschaftler warnen allerdings vor einem dauerhaften Umstieg auf die Sommerzeit.

Kürzlich hatte die EU-Kommission die Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation zur Zeitumstellung in Europa veröffentlicht. Vom 4. Juli bis 16. August 2018 hatten sich 4,6 Millionen Personen aus allen 28 Mitgliedstaaten – vor allem aber aus Deutschland – an der Befragung beteiligt. Es zeigte sich: 84 Prozent votierten für die Abschaffung der Zeitumstellung, die meisten wollen die Sommerzeit auch im Winter. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte Ende August an, dass die Kommission einen Vorschlag zur Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung vorlegen werde.

Dies ist nun geschehen. Seit dem heutigen Mittwoch liegt dieser Vorschlag vor. Demnach soll die Zeitumstellung bereits in im kommenden Jahr, also 2019, abgeschafft sein. Die Mitgliedstaaten sollen dann eigenständig entscheiden, ob in ihrem Land „Normalzeit“ oder die dauerhafte Sommerzeit gilt.

Der CDU-Europaabgeordnete Dr. Peter Liese (CDU), zugleich gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der EVP-Christdemokraten, begrüßte den Vorschlag. „Europa nimmt die Interessen seiner Bürger ernst. Viele Bürgerinnen und Bürger leiden unter der Zeitumstellung und die erwarteten Vorteile, wie Energieeinsparung, haben sich nicht eingestellt.“ Nicht nur die jüngste Online-Konsultation, sondern viele repräsentative Meinungsumfragen hätten gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Zeitumstellung ist. 

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Liese findet es auch richtig, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden sollen, welche Zeit sie dauerhaft einführen. „Zwar ist tendenziell die Mehrheit für die dauerhafte Sommerzeit aber das muss sorgfältig diskutiert werden und die EU kann dies auch aus rechtlichen Gründen wahrscheinlich gar nicht vorschreiben.“ Der dauerhafte Umstieg auf die Sommerzeit würde bedeuten, dass es zwar abends auch im Winter länger hell ist, dafür müsste man weitaus häufiger im Dunklen aufstehen.

Warnung vor dem „Cloxit“: Werden wir nun dicker und dümmer?

Wissenschaftler sehen diesen Sommerzeit-Umstieg allerdings kritisch. Sehr drastische Worte dazu findet etwa der Choronobiologe Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München. Er warnte in diesem Fall vor „riesigen Problemen“, vor einem „Cloxit“: „Man erhöht die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.“ Er prognostiziert sogar: „Jedes Land, das das nicht macht, wird uns akademisch überholen.“ Denn vor allem Schüler und Studenten seien betroffen, weil Lernen und das Gelernte zu verarbeiten, bei zu wenig Schlaf stark eingeschränkt werde. Im Alter von etwa 20 Jahren schlafe man besonders spät ein und stehe morgens entsprechend spät auf. Russland habe schon einmal versucht, dauerhaft die Sommerzeit einzuführen – und sei damit gescheitert, sagt Roenneberg. 

Bisherige Winterzeit am günstigsten für Schlaf-Wach-Rhythmus

Die Forscher und die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sprechen sich für eine dauerhafte „Normalzeit“ aus. „Die bisherige Winterzeit entspricht den Verhältnissen, die unter Berücksichtigung der natürlichen Lichteinflüsse für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus am günstigsten ist“, sagt der DGSM-Vorsitzende Alfred Wiater. „Wenn wir im Winter am Morgen länger der Dunkelheit ausgesetzt sind, werden wir schlechter wach.“ Das könne Konzentration und Aufmerksamkeit beeinträchtigen und zu mehr Fehlern in der Schule und im Job führen sowie Unfälle begünstigen.

Ob bei der Umfrage im Sommer alle an den Winter gedacht haben, ist fraglich. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité, kann sich jedenfalls vorstellen: „Wenn die Umfrage im Winter gewesen wäre, hätten wahrscheinlich viele für die Winterzeit plädiert.“ Allerdings: Auch die Umstellung der Uhren wie bisher bringt für viele Menschen Probleme mit sich – wie lange diese anhalten, ist individuell unterschiedlich. „Ein Drittel der Deutschen sind begnadete Schläfer. Die interessiert das alles gar nicht. Ein Drittel sind schlechte und ein Drittel sensible Schläfer“, sagt Fietze. Und diese litten unter dem Hin und Her wie unter einem Jetlag. Ein bis drei Tage können die Probleme andauern. Die Symptome sind etwa Schlafstörungen, Unwohlsein am Tag oder leichte Magen-Darm-Probleme – und aus Fietzes Sicht „verkraftbar“. Dennoch sei die Uhrenumstellung Unsinn: „Unser ganzer Biorhythmus ist dem Hell-Dunkel-Wechsel angepasst. Künstlich daran zu manipulieren, macht keinen Sinn und das versteht der Körper auch nicht.“



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

DAZ will Sommerzeit abschaffen

von Claudia MEtz am 18.09.2018 um 7:55 Uhr

Das wäre super !!!!

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