Arzneimittelsicherheit

Ist der Großhandel die Sicherheitslücke bei Securpharm?

Berlin - 11.09.2018, 07:00 Uhr

Während Hersteller und Apotheker jede einzelne Packung im Securpharm-System ein- und ausbuchen müssen, müssen Großhändler nur bestimmte Arzneimittel kontrollieren. Ist das eine Sicherheitslücke? ( j/ Foto: Imago)

Während Hersteller und Apotheker jede einzelne Packung im Securpharm-System ein- und ausbuchen müssen, müssen Großhändler nur bestimmte Arzneimittel kontrollieren. Ist das eine Sicherheitslücke? ( j/ Foto: Imago)


ABDA: Apotheker können Verträge mit Großhändlern abschließen

DAZ.online hat auch bei der ABDA angefragt. Im Vergleich zum Phagro sieht die Standesvertretung der Apotheker, die ebenfalls an der Einrichtung von Securpharm beteiligt ist, die Sachlage nüchterner. Auf die Frage, warum „nur“ eine „End-to-End-Überprüfung“ vorgesehen ist, erklärt ein ABDA-Sprecher: „Der ‚risikobasierte Ansatz‘, bei dem der pharmazeutische Großhandel nur stichprobenweise kontrolliert, insbesondere aber alle Packungen, die er nicht vom pharmazeutischen Unternehmer bezieht, ist im Delegierten Rechtsakt vorgegeben. Er ist auch Ausfluss eines bewussten Verzichtes auf das sogenannte ‚Track and Trace‘, den alle deutschen Stakeholder unterstützt haben.“

Die ABDA betont, dass dem Apotheker in diesem System eine wichtige Rolle zukomme. Er sei die „letzte Schutzinstanz“ in diesem System. Was den Lunapharm-Fall betrifft, hat die ABDA – ebenfalls im Gegensatz zum Phagro – offenbar wenig Hoffnungen, dass eine lückenlose Kontrolle aller Packungen den Skandal hätte verhindern können. Denn: „Sofern ein Großhändler bewusst gegen verschiedene Vorschriften verstößt, scheint es optimistisch anzunehmen, dass die Verpflichtung zur Arzneimittelverifikation ein solches Verhalten würde wirklich ‚heilen‘ können. Schließlich gibt der ABDA-Sprecher den Apothekern noch einen Tipp mit auf den Weg: „Es bleibt dem einzelnen Apotheker unbenommen, in seinen vertraglichen Regelungen mit den ihn beliefernden Großhandlungen weitergehende Überprüfungen (Verifikationen) des Lieferanten freiwillig zu vereinbaren.“

BMG: Lunapharm hätte als Importeur prüfen müssen

Auch dem Bundesgesundheitsministerium hat DAZ.online Fragen zu eventuellen Sicherheitslücken bei Securpharm gestellt. Ein Ministeriumssprecher verwies jedoch lediglich auf die Funktionsweise des „End-to-End“-Systems und fügte hinzu: „Das ‚End-to-end‘- System wird seitens der Großhändler durch risikobasierte Überprüfungen ergänzt.“ Was den Lunapharm-Fall betrifft, pflichtet das BMG dem Phagro im Ergebnis bei: „In der vorliegenden Konstellation hat Lunapharm nicht als Großhändler, sondern als pharmazeutischer Unternehmer agiert. (…) Zukünftig hat ein Hersteller parallel eingeführter oder parallel vertriebener Arzneimittel, der die Sicherheitsmerkmale vollständig oder teilweise entfernt oder überdeckt, die Echtheit des individuellen Erkennungsmerkmals zu überprüfen und dieses im Falle einer Ersetzung zu deaktivieren.“

Auch wenn einiges dafür spricht, dass die gestohlenen Arzneimittel bei Lunapharm unter Securpham-Bedingungen hätten entdeckt werden müssen – bis auch Griechenland und Italien die neuen Vorgaben zum EU-Fälschungsschutz implementiert haben müssen, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Ausgerechnet diese beiden Länder haben eine um sechs Jahre längere Übergangsfrist für die Umsetzung. Hier können Firmen wie Lunapharm also noch bis Februar 2025 unserialisierte Arzneimittel kaufen, die sie dann ab kommendem Februar lediglich selbst serialisieren müssten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

ABDA informiert über neuen Bußgeldtatbestand

Alles klar beim Securpharm-Check?

Das deutsche SecurPharm-Projekt

Systematisch gegen Fälschungen

EU-weiter Fälschungsschutz für Arzneimittel: Was sich 2018 und 2019 für Apotheken verändert

Startklar für securPharm?

Europäischer Fälschungsschutz

Fünf Jahre Securpharm – eine Bilanz

Was bringt der europäische Fälschungsschutz? Eine Bilanz

Fünf Jahre Securpharm

Arzneimittel-Fälschungsschutz

Fast 13.000 Apotheken mit Securpharm-Anschluss

Anfrage der Linksfraktion

Ist Securpharm weitgehend wirkungslos?

7 Kommentare

Sicher ?

von Michael Kuenen am 11.09.2018 um 9:00 Uhr

Wie schützt sich denn der Endverbraucher vor den gefälschten Packungen, die er im Versandt bezieht?
Dort weis er nicht, wo wirklich die Packung herkommt. Ob das Sicherheitssiegel auf der Homepage gefaket ist. Ob die abgebende Apotheke auch wirklich Securpharm umsetzt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Re: Sicher

von Christian Becker am 11.09.2018 um 9:44 Uhr

Das ist zwar jetzt nicht die Antwort, die Sie vielleicht hören möchten, aber:
Einfach nicht im Internet bestellen, sonden in die Apotheke vor Ort gehen. Oder halt dort bestetllen, viele haben ja Botendienste.

AW: Sicher

von Andreas Kronsbein am 11.09.2018 um 9:56 Uhr

Wenn der Versender eine deutsche Versandapotheke ist, greift Securpharm bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auch. Bei einer Versandapo aus Holland o.ä. natürlich nicht.

AW: Sicher

von Kiwei am 11.09.2018 um 12:16 Uhr

Tatsächlich ist dies ein EU-weites System, zusätzlich plus Schweiz und Großbritannien. Also werden auch holländische Apotheken theoretisch die Überprüfung vornehmen müssen. Nur Italien, Griechenland und Belgien haben, warum auch immer, eine längere Frist zur Umsetzung.

Passt die Lösung zum Problem?

von Holger am 11.09.2018 um 8:39 Uhr

Eigentlich lösen wir doch hier ein Problem, welches wir gar nicht haben! Und das noch mit unvertretbar hohem Aufwand.

Erste potentielle Lücke für Fälschungen ist der Pharmazeutische Unternehmer. Das wird durch Securpharm überhaupt nicht tangiert, weil der Codes generieren kann wie er mag. Aber er trägt halt auch die Haftung für seine Produkte, so dass ich Fälschungen auf dieser Ebene für unwahrscheinlich halte.

Zweite Ebene ist der GH. Und hier gibt es sicher erhebliches Potential für den Eintritt von Fälschungen. Denn in der gesamten Kette ist es wohl am leichtesten, eine Zulassung als Großhändler zu bekommen und auch die Aufsicht über Hersteller und Apotheken scheint mir wesentlich konsequenter, als dies im GH der Fall ist.

Hinsichtlich des Fälschungsrisikos würde ich die Reimporteure mit den Großhändlern gleichsetzen. Die meisten sind sicher vertrauenswürdig und machen einen tollen Job, aber WENN Fälschungen auf diese Art und Weise in den Markt eindringen, dann ja wohl an DIESER Stelle.

Die Apotheken halte ich für sicher hinsichtlich Fälschungen.

Aber das allergrößte Problem wird doch von Securpharm überhaupt nicht gelöst: Der Handel mit Arzneimitteln über das Internet!! DAS ist doch DIE Eintrittspforte für Fälschungen und der Zoll hat nur dann eine Chance zum Eingreifen, wenn dieser Versand grenzüberschreitend läuft.

Wenn man also Fälschungen im AM-Markt verhindern will, muss man doch nicht den Riesenaufwand mit Securpharm betreiben? Man muss einfach nur den GH stärker reglementieren und kontrollieren, Reimportquoten abschaffen und den Handel mit Rx-AM über das Internet konsequent verbieten und sanktionieren - feddich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

überflüssig

von Karl Friedrich Müller am 11.09.2018 um 8:07 Uhr

ich bin immer noch der Meinung, dass Securpharm ein schlechter Witz ist, eine weiteres überflüssiges Bürokratieungetüm unser profilierungssüchtigen "Führung", die im Punkt "Vertretung" sich nur viel Schweigen leistet.
Hier wird mit Kanonen nicht auf Spatzen, sondern eher auf Bakterien geschossen, zumal wie hier erwähnt, genau die "risikoreichen" Bereiche ausgespart werden.
Würden die Behörden ihre Arbeit machen und auffällige Betriebe schließen, wäre alles nicht nötig.
Ist ja zu einfach. Lieber den Wahnsinn des Securpharm.
Ich verstehe es nicht.
Ach so, bezahlt bekommen wir es NATÜRLICH auch nicht. Wie immer alles umsonst in den Apotheken.
Dafür kürzt man uns die Spannen und treibt gesunde Betriebe in den Ruin.
Darf ich sagen, dass ich einen großen Hass auf Politik und "Standesführung" habe?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: überflüssig an falscher Stelle

von Dr Schweikert-Wehner am 11.09.2018 um 15:01 Uhr

Sie dürfen Herr Kollege. Deshalb reise ich auch nicht nach München. Wenn ich diesen Pappnasen begegnen würde, würde ich mich versündigen.
Wenn Secupharm überhaupt einen Sinn machen sollte, dann müsste die Ausbuchung beim Eingang in die Apotheke erfolgen.
Wäre doch mal ein Motto mit Kampangencharakter: Keine gefälschten Arzneimittel in Apotheken!

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.