Gesundheitsausschuss Brandenburg

Lunapharm-Affäre: Welche Taskforce-Empfehlungen werden umgesetzt?

06.09.2018, 07:00 Uhr

Schweres Erbe: Nach dem Rücktritt von Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) hat ihr Parteikollege, Interims-Nachfolger und hautptamtlicher Justizminister, Stefan Ludwig viele Entscheidungen zu treffen. (s / Foto: Imago)

Schweres Erbe: Nach dem Rücktritt von Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) hat ihr Parteikollege, Interims-Nachfolger und hautptamtlicher Justizminister, Stefan Ludwig viele Entscheidungen zu treffen. (s / Foto: Imago)


Mehr Personal und ein eigenes Arzneimittelreferat für die Überwachung – diese Sofortmaßnahmen zur Lunapharm-Affäre kündigte Brandenburgs Interims-Gesundheitsminister Stefan Ludwig (Linke) am gestrigen Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Landtags an. Damit folgt die Landesregierung den Empfehlungen der Taskforce, die mit der Aufklärung des Skandals um die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente beauftragt war. Was die Empfehlungen zur Importquote und zum Parallelvertrieb betrifft, warnte Ludwig vor „Schnellschüssen“.

Die Arzneimittelaufsicht in Brandenburg sei unterbesetzt, unorganisiert und inkompetent. So lautete das vernichtende Urteil der Experten-Taskforce, die mit der Aufklärung der sogenannten Lunapharm-Affäre betraut war. Zur Erinnerung: Der Brandenburger Händler Lunapharm soll unter anderem aus Griechenland gestohlene Krebsmedikamente in Verkehr gebracht haben.

Nach Einschätzung der Taskforce haben das Ministerium sowie das nachgeordnete Landesamt, die Arzneimittelaufsicht im Land, zu spät reagiert. Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke), die die Taskforce beauftragt hatte, war in der vergangenen Woche zurückgetreten und wird seitdem kommissarisch von Justizminister Stefan Ludwig (Linke) vertreten.

Die Taskforce hatte Ratschläge erteilt, wie derartige Skandale in Zukunft vermieden werden könnten. Am gestrigen Mittwoch stellten Ludwig und Dr. Detlev Mohr, Präsident des Landesamtes, im Brandenburger Gesundheitsausschuss vor, welche dieser Handlungsempfehlungen kurzfristig umgesetzt werden.

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Zwölf neue Stellen in der Arzneimittelüberwachung

Beispielsweise hatte das Gremium geraten, das Personal in den Aufsichtsbehörden aufzustocken. So stehe derzeit im Landesamt nur eine qualifizierte Fachkraft zur Verfügung, die Inspektionen durchführen könne. Die Landesregierung befolgt nun diesen Expertenrat und plant fünf neue Stellen im Gesundheitsministerium und sieben im Landesamt. Die zwölf neuen Stellen, für die überwiegend Apotheker gesucht werden, sollen diesen Herbst ausgeschrieben werden. Ludwig erklärte, der Haushaltsausschuss, der am heutigen Donnerstag tagt, müsse noch zustimmen.

Eine Schwierigkeit bei der Stellenbesetzung im Brandenburger Landesamt könnte darin liegen, qualifiziertes Personal für den infrastrukturschwachen Standort Wünsdorf zu gewinnen. Auf den Vorschlag, mit attraktiver Bezahlung zu locken, wandte Ludwig ein, er sei für das Gehaltsgefüge nicht verantwortlich.

Geplante Umstrukturierungen im Ministerium

Weitere Kritikpunkte der Taskforce bezogen sich auf die Struktur des Ministeriums. Dieses nimmt als Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) heterogene Aufgaben wahr, und ist wenig spezialisiert. Nun soll im Ministerium ein eigenes Referat für Arzneimittelüberwachung eingerichtet werden. Damit sollen Kompetenzen in der Behörde effektiver gebündelt werden. Zusätzlich soll es im Ministerium wieder eine Innenrevision geben, die vor einigen Jahren geschlossen wurde.  

Ludwig erwägt Bundesratsinitiative gegen Importquote

Das Gremium hatte auch Maßnahmen vorgeschlagen, die über die Kompetenzen des Landes Brandenburg hinausgehen. So soll nach Ansicht der Experten in Deutschland die Importförderklausel abgeschafft und der Parallelvertrieb auf europäischer Ebene verboten werden. Ludwig warnte diesbezüglich vor „Schnellschüssen“. Die bestehenden Regelungen hätten ihre Berechtigung, um die Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu unterstützen. Der Interims-Gesundheitsminister verwies darauf, dass sich die Arbeitsgemeinschaft oberster Landesbehörden Ende November damit befassen werde.

Ludwig räumte jedoch ein, dass die hohe Gewinnspanne bei Importen kriminelle Vertriebswege begünstigen könne. Deshalb erwägt der kommissarische Minister eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Importquote. Im Vorfeld wolle er bei anderen Bundesländern für sein Vorhaben werben, um Mehrheiten zu gewinnen.

Bisher elf Betroffene in Brandenburg bekannt

An der Sitzung am gestrigen Mittwoch nahm auch Landesamt-Chef Detlev Mohr teil. Mohr äußerte sich zu einem weiteren Appell der Taskforce, nämlich die Identifizierung der betroffenen Patienten voranzutreiben. Mohr erklärte, dass in Brandenburg seit dem vergangenen Dienstag elf betroffene Patienten bekannt seien. Einige wenige könnten noch hinzukommen. Die Betroffenen seien über die Zytostatika herstellenden Apotheken identifiziert worden. Die Apotheker sollen im Folgenden die behandelnden Ärzte informieren, damit diese ihre Patienten aufklären können.

Auch in anderen Bundesländern wurden beziehungsweise werden die Patienten über die Zytostatika herstellenden Apotheken identifiziert.

Vollständige Analytik in „einigen Wochen“

Aus Sicht von Mohr können die behandelnden Ärzte derzeit nicht umfassend aufklären. Denn zur Beurteilung der Gesundheitsrisiken fehlen die Analyseergebnisse der 31 Rückstellmuster, welche die Staatsanwaltschaft Potsdam Ende Juli bei Lunapharm sichergestellt hatten. Zusätzlich seien acht weitere Arzneimittepackungen des Brandenburger Händlers abgefangen und zur Analytik in entsprechende Labore gesendet worden. Inzwischen geht es folglich um 39 Proben, wovon 27 analysiert seien, erklärte der Landesamt-Chef. Diese bisherigen Ergebnisse lägen innerhalb der Spezifikation.

Doch bis alle Ergebnisse vorliegen, könne es noch einige Wochen dauern. Auf einen konkreten Zeitpunkt wollte sich Mohr nicht festlegen. Und bevor die Daten veröffentlicht werden, müsse die Taskforce die Ergebnisse konsentiert bewerten. Ursprünglich sollten die Ergebnisse bis Ende August vorliegen.

Landesamt-Chef unter Druck

Mohr, der an den beiden Sondersitzungen im August nicht teilgenommen hatte, steht unter heftiger Kritik. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, dass er im Frühjahr 2017 über den Fälschungsverdacht informiert wurde, jedoch nicht gehandelt habe. Der Landesamtschef wies am vergangenen Mittwoch die Schuld von sich. Aus den Ausführungen seines Dezernatsleiters sei die Dramatik nicht zu erkennen gewesen, verteidigte sich Mohr. Hier ist allerdings zu bedenken, dass es die Aufgabe des Landesamtschefs ist, die Einschätzung seiner Mitarbeiter zu hinterfragen.

Außerdem kritisieren die Mitglieder des Gesundheitsausschusses, dass der Landesamtschef in den fast zwei Monaten seit Bekanntwerden des Skandals zu wenig zur Aufklärung beigetragen habe. Andere Bundesländer, wie etwa Berlin, seien effektiver.

Sind andere Bundesländer schneller?

So habe das Land Berlin bereits Mitte August 223 Patienten mithilfe von Berliner Apotheken identifiziert, während die elf Patienten in Brandenburg erst in dieser Woche bekannt wurden. Dieser Unterschied erklärt sich aus Sicht der Brandenburger Behörden wie folgt: Lunapharm habe Brandenburger Apotheken nicht direkt, sondern über Zwischenhändler beliefert, was die Suche verlangsamt habe. In Berlin dagegen seien die Apotheken direkt Kunden von Lunapharm gewesen, was die Identifizierung vereinfacht habe.

Auch was die Personalaufstockung betrifft, scheint das benachbarte Bundesland zeitlich die Nase leicht vorn zu haben. So hat die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) vergangene Woche im Interview mit dem Tagesspiegel angekündigt, die Zahl der Apotheker in der Arzneimittelaufsicht im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales zu verdoppeln. Obwohl die Berliner Behörde nicht von den Ermittlungen betroffen war. Nach Auskunft eines Sprechers der Berliner Senatsverwaltung sei diese Maßnahme schon vor Bekanntwerden der Lunapharm-Affäre geplant gewesen. Die aktuellen Vorkommnisse hätten die Umsetzung der Pläne allerdings beschleunigt.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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