Retax nach Belieferung mit Fertigspritzensets

Apotheke muss Verordnungsausschluss erkennen können

Berlin - 05.09.2018, 16:15 Uhr

Was sagt die Lauertaxe? Grundsätzlich darf die Apotheke davon ausgehen: Was hier gelistet und nicht als „nicht abgabefähig“ gekennzeichnet ist, kann zulasten der Kassen abgegeben werden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro/ stock.adobe.com)

Was sagt die Lauertaxe? Grundsätzlich darf die Apotheke davon ausgehen: Was hier gelistet und nicht als „nicht abgabefähig“ gekennzeichnet ist, kann zulasten der Kassen abgegeben werden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro/ stock.adobe.com)


Eine Apothekerin hat erfolgreich eine Retaxierung in Höhe von fast 10.000 Euro abwenden können. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg befand, dass der Pharmazeutin ein Vergütungsanspruch für zehn Oxybutynin-Fertigspritzeninstillationssets zustand, obwohl diese keine Zulassung besaßen und damit aus Kassensicht nicht verordnungsfähig waren. In der Lauertaxe war das Arzneimittel nämlich zu finden – ohne Hinweis, dass es nicht abgabefähig ist. Eine weitergehende Prüfpflicht treffe den Apotheker nicht, so das Gericht.

Nicht jeder Retax-Versuch der Krankenkassen klappt. Nun hat sich erneut eine Apothekerin erfolgreich gegen Rückforderungsansprüche einer Ersatzkasse gewehrt.

Worum ging es?

Die Apothekerin hatte zwischen Oktober 2009 bis September 2010 insgesamt zehnmal das von einem Kinderarzt verordnete Arzneimittel Oxybutynin® 0,1% à 10 ml zur Injektion abgegeben. Es handelte sich um Fertigspritzeninstillationssets, die eine andere Apotheke hergestellt hatte. Diese Instillationssets waren nach damaligem Arzneimittelrecht als Rezepturarzneimittel bereits am 5. September 2005 im Verkehr gewesen. Am 26. August 2008 war für sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Zulassungsantrag gestellt worden, der allerdings erst 2013 abschlägig beschieden wurde – die vorgelegten Unterlagen waren aus konzeptionellen Gründen als nicht geeignet eingestuft worden.

Doch schon in den Jahren 2009 und 2010 erhielt die Apotheke diverse Retaxierungsschreiben. Die Krankenkasse  wollte die Fertigspritzensets, die eine ihrer Versicherten erhalten hatte, nicht bezahlen. Sie verwies dazu auf den Arzneilieferungsvertrag (ALV) zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen sowie dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Die Rechnungskürzungen summierten sich auf 9254,30 Euro.

Die Apothekerin widersprach: Bei dem Präparat handele es sich um ein gelistetes, verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel einer bestimmten Apotheke, die über die Herstellerlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) verfüge. Das Präparat könne ausschließlich über diesen Hersteller bezogen werden. Seit März 2007 sei das Fertigarzneimittel in der Lauer-Taxe als ordentliches Arzneimittel mit der offiziellen PZN 1915747 und dem Status verschreibungspflichtig gelistet. Die Kasse entgegnete, das Arzneimittel sei nicht zugelassen – damit sei es auch nicht vom GKV-Leistungskatalog erfasst und werde nicht bezahlt.

Erste Instanz geht von Rezepturarzneimittel aus

Die Apothekerin zog daraufhin vor das Sozialgericht. Dieses entschied zu ihren Gunsten: Die Krankenkasse müsse die zehn Fertigspritzensets vergüten – zuzüglich Zinsen. Zur Begründung verwies das Gericht unter anderem auf den Wortlaut des § 4 Abs. 5 ALV, wonach die Voraussetzungen des Anspruches auf Retaxierungen nicht erfüllt seien. Zudem habe das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung die Schlüsselfunktion des Vertragsarztes im Bereich der Versorgung der Arzneimittel betont. Es gebe zwar einen Grundsatz, dass nicht zugelassene Arzneimittel nicht verordnet werden dürften – doch dieser erfasse nur Fertigarzneimittel, nicht aber Rezepturarzneimittel. Und bei den hier streitgegenständlichen Oxybutynin-Lösungen handele es sich um Rezepturarzneimittel, denn sie seien in einer Apotheke hergestellt.

Unabhängig von dem Streit um die Zulassung als Fertigarzneimittel sei die Herstellung der Fertigspritzen auch keine industrielle Fertigung, so das Gericht weiter. Das Arzneimittelgesetz ermögliche es dem Apotheker, im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes Arzneimittel im Sinne einer Defektur herzustellen, wenn es hierzu einen Bedarf gebe (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG). Dies schließe jedoch nicht aus, Rezepturarzneimittel auch für andere Apotheken herzustellen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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