Janssen verteidigt sich

Lagerwertverlust bei Symtuza – Apotheker müssen Geschäftsrisiko mittragen

Stuttgart - 04.09.2018, 13:00 Uhr

Janssen bleibt hart: Kein Lagerwertausgleich für Apotheken bei Symtuza. ( j/ Foto: Janssen)

Janssen bleibt hart: Kein Lagerwertausgleich für Apotheken bei Symtuza. ( j/ Foto: Janssen)


Janssen weigert sich, Apothekern den Lagerwertverlust beim HIV-Arzneimittel Symtuza® zu erstatten – pro Packung geht es immerhin um über 1200 Euro Preissenkung als Ergebnis der Nutzenbewertung. Betroffene Apotheker warfen Janssen „menschenverachtendes" Gebaren vor, eine Anschuldigung, die Janssen nun vehement von sich weist: Partnerschaftlich bedeute für das Unternehmen „auch das Geschäftsrisiko beidseitig zu tragen“. Außerdem: Auch manche Apotheker zeigten sich offenbar nicht von ihrer feinsten Seite.

Pharmaunternehmer Janssen kommt nicht für den apothekerlichen Lagerwertverlust beim HIV-Arzneimittel Symtuza® auf. Zur Erinnerung: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sah im Juni 2018 keinen Zusatznutzen für Symtuza®, Janssens HIV-Vierfachkombination. Das bedeutete jedoch, dass Janssen den Preis für Symtuza® gemäß den AMNOG-Regeln senken musste. Was die Preisanpassung für Apotheker letztendlich zum Ärgernis und finanziellen Verlust werden ließ – denn Janssen weigerte sich, den Apothekern den dadurch entstandenen Lagerwertverlust zu erstatten. Und der war beträchtlich, lag dieser pro Packung (90 Filmtabletten) doch bei 1285 Euro.

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Pharmahersteller Janssen fährt hier offensichtlich einen wenig kooperativen Kurs und erklärt auf Nachfrage von DAZ.online:


Janssen hat entschieden, Preisanpassungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie dem AMNOG-Prozess notwendig sind, nicht zu erstatten.

Janssen zum Lagerwertausgleich bei Symtuza


Apotheker: „menschenverachtendes“ Verhalten von Janssen

Die betroffenen Apotheker, teilweise organisiert in der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetenter Apotheken (DAH2KA), kritisierten das Geschäftsgebaren Janssens in einem Rundschreiben an die Mitglieder. Als „menschenverachtend“ beschreibt der Vorstand, namentlich Magdalene Linz, Claudia Neuhaus, Reik Hofmann und Erik Tenberken, dieses Verhalten, impliziere es doch, dass Apotheker gezwungen seien, die Vorratshaltung dieser wichtigen Präparate unter Umständen einzuschränken – das gefährde die Patientenversorgung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Dumm und dreist

von Birgit Möllenkamp am 04.09.2018 um 20:22 Uhr

Ohne selbst von der Enteignungsaktion betroffen zu sein, möchte ich Folgendes anmerken:
Offenbar kennt die Vorsitzende der Geschäftsführung in keiner Weise die Rechtsgrundlagen im deutschen Arzneimittelwesen. Zum einen hat sie wohl nicht verstanden was ein Zusatznutzen ist, denn sonst wäre sie wohl von der zwingenden Preissenkung nicht so überrascht worden, zum anderen ist ihr wohl nicht bekannt, dass Apotheken verpflichtet sind den durchschnittlichen Wochenbedarf an Arzneimitteln vorzuhalten. Eine große Versandapotheke wurde von der Apothekerkammer Niedersachsen bereits dafür sanktioniert, dass nicht genügend Packungen eines bestimmten Insulins zum Zeitpunkt der Besichtigung vorrätig waren. Wenn die Dame nun den Kollegen/-innen vorwirft, sie hätten das Verlust bringende Medikament nur rechtzeitig vom Lager nehmen müssen, fasse ich das im Falle etlicher betroffener Kollegen/-innen als Aufforderung zum Rechtsbruch auf, denn je nach Häufigkeit der monatlichen Abgabe ist man ja zur Lagerhaltung gezwungen.
Ach ja, im übrigen glaube ich auch einfach, dass die Firma bewusst zunächst einfach mal wieder der Solidargesellschaft Mondpreise in Rechnung gestellt hat und sich jetzt mit dem bewussten Präparat noch letztmalig zu Lasten der Apotheker/-innen bereichert. Bei der Größenordnung des Lagerwertverlusts im Verhältnis zur Vergütung für die Abgabe einer Packung entgleitet mir das Verständnis für das angeblich patnerschaftliche Verhalten des Herstellers, ich empfinde es einfach als bewusst dreist.

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Janssens Sicht ...

von Kritiker am 04.09.2018 um 13:58 Uhr

... halte ich nicht für praxisgerecht.

Der Durchschnittspatient reagiert sauer, wenn er das verordnete Medikament in der Apotheke nicht sofort mitnehmen kann. Da nützt auch der Hinweis auf den Botendienst der Apotheke nichts.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Patienten dazu bewegt werden können, zB 1 Woche vor Aufbrauchen ihres Vorrats ihren behandelnden Arzt wegen eines neuen Rezepts aufzusuchen. In einem Teil der Fälle wird rechtzeitiges Aufsuchen der Arztpraxen aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein und Praxisurlaube bzw Krankheit des Arztes können ebenfalls zu Problemen führen.

Als Workaround könnte ich mir nur vorstellen, dass Janssen die Ärzte großzügig mit Symtuza-Mustern/Notvorrat ausstattet, so dass die Ärzte auf dem Trockenen sitzende Patienten bei Bedarf zur Überbrückung der Wartezeit mit dem Bedarf für einige Tage versorgen können. Patientenseitiger Frust/Unmut kann hiermit jedoch nicht in allen Fällen verhindert werden.

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AW: Janssens Sicht

von Sven Larisch am 04.09.2018 um 18:26 Uhr

Der HIV Patient ist kein Durchschnittspatient. Er weiß wie wichtig und lebensnotwendig eine rechtzeitige Bevorratung ist.
Die Musterbevorratung der Ärzte widerspricht dem Antikorruptionsgesetzt.
Schwerpunktpraxen für HIV haben immer auch Schwerpunktpraxen als Urlaubsvertretung oder haben eh Praxisgemeinschaften aus mehreren Ärzten.
Fraglich ist, warum Janssen die Bekanntgabe und Absenkung so kurz gemacht hat- das eine lobbystarke Firma das nicht vorher weiß wage ich arg zu bezweifeln.
Außerdem kann man den Frust doch wunderbar auf Janssen abwälzen- nach Valsartan, Ibuprofenlieferengpässen etc. macht das auch nicht mehr.

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