Patienten fragen, Experten antworten

„Valsartan-Präparat tauschen und sonst nichts weiter unternehmen“

Stuttgart - 22.08.2018, 09:00 Uhr

Viele Fragen zu Valsartan hatten die Patienten, die der Einladung des Pharmakologen Professor Fritz Sörgel gefolgt waren. ( r / Foto: Quentin Cürten)

Viele Fragen zu Valsartan hatten die Patienten, die der Einladung des Pharmakologen Professor Fritz Sörgel gefolgt waren. ( r / Foto: Quentin Cürten)


Etwa 200 Patienten, die NDMA-kontaminiertes Valsartan eingenommen haben, sind am vergangegen Montag in den Räumlichkeiten des Klinikums Nürnberg zusamengekommen. Sie waren der Einladung des Pharmakologen Professor Fritz Sörgel gefolgt, der ihnen angeboten hatte, mit Experten über die Valsartan-Krise zu sprechen. Mit einem dieser Experten, dem Toxikologen Professor Ralf Stahlmann, hat DAZ.online im Nachgang gesprochen. 

Professor Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg, Professor Ralf Stahlmann von der Berliner Charité und der pharmazeutische Biologe Professor Theo Dingermann aus Frankfurt, der mittlerweile emeritiert ist, standen am vergangenen Montag in Nürnberg etwa 200 Patienten Rede und Antwort zum Thema NDMA-Verunreinigung von Valsartan. Organisiert hatte das Event Professor Sörgel. Der Toxikologe und DAZ-Autor Stahlmann, mit dem DAZ.online, im Nachgang gesprochen hatte, zeigte sich beeindruckt, dass trotz der kurzfristigen Organisation so viele Menschen gekommen waren. Damit hätte er nicht gerechnet.

Neben der Fragerunde standen Vorträge der Experten auf dem Programm. So erläuterte Sörgel den Begriff Generikum und erklärte, was Bioäquivalenz bedeutet. Dingermann sprach über die Umstellung im Syntheseverfahren, die offenbar zu der Kontamination mit dem Nitrosamin geführt hatte. Als letzter ging dann Stahlmann selbst auf  die toxikologischen Grundlagen und Besonderheiten der Kanzerogenität von Nitrosaminen ein.

Toxikologe Professor Ralf Stahlmann

Der Toxikologe war überrascht, wie besorgt die Patienten waren. Gegenüber DAZ.online sagte er: „Das ist das Problem mit solchen Vorträgen. Das ist ein echter Balanceakt, einerseits will man nichts verharmlosen, andererseits gibt es aber auch keinen Anlass, Ängste zu schüren.“ Laut Stahlmann fragten einige Patienten nach möglichen Untersuchungen, die vorgenommen werden können, um möglichst frühzeitig Schäden durch das NDMA zu erkennen. Da die aufgenommenen Dosen sicher nicht zu akut toxischen Wirkungen führen, sind aktuelle Untersuchungen, wie Ultraschall, CT, MRT oder Blutuntersuchungen seines Erachtens nach nicht notwendig.

Man könne davon ausgehen, dass auch langfristig ganz überwiegend keine Schäden auftreten werden. Ein sehr geringes Restrisiko ließe sich aber unter Worst-Case-Bedingungen nicht ausschließen. Er betonte auch, dass die von EMA und FDA publizierten Zahlen (1 Fall auf 5000 bzw. 8000 Patienten) grobe Schätzungen darstellen. Sie gehen von experimentellen Daten aus, eine genaue Berechnung solcher Risiken sei wissenschaftlich nicht gesichert. Auch die drei Experten sind Stahlmann zufolge gefragt worden, was sie denn tun würden, wenn sie betroffen wären. Die einhellige Antwort: Das Präparat wechseln und sonst keine weiteren Maßnahmen, wie Untersuchungen oder bildgebende Verfahren, ergreifen. „Da waren wir uns einig“, so Stahlmann. 

Sind Fall-Kontroll-Studien sinnvoll?

Eine Patientengruppe forderte konkret die Durchführung einer Fall-Kontroll-Studie, um mögliche Auswirkungen der NDMA-Exposition der Patienten epidemiologisch zu erfassen, berichtet er weiter. Wie solch eine Studie konzipiert sein sollte, wer sie finanzieren solle und ob sie überhaupt sinnvoll ist, konnte in dieser Diskussionsrunde nicht abschließend geklärt werden. Zu bedenken sei, dass Krebserkrankungen sehr häufig sind, (etwa jeder dritte Mensch erkrankt an Krebs) und es kaum gelingen werde, ein zusätzliches, sehr geringes Krebsrisiko durch die Einnahme von NDMA-haltigem Valsartan nachzuweisen. Stahlmann wies im Gespräch mit DAZ.online jedoch darauf hin, dass an einer derartigen Studie großes Interesse bestand. 

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Auch die Wirkstoffherstellung in Indien und China wurde von Patienten thematisiert, berichtet Stahlmann weiter. Nach Ansicht der Experten ist das nicht grundsätzlich zu bemängeln, im Fall des Nitrosamin-haltigen Valsartan habe aber offenbar die Qualitätskontrolle versagt. Die allgemeine Überprüfung der Reinheit des Wirkstoffes konnte das Problem nicht aufdecken, denn das NDMA mache ja – nach den bisherigen Informationen – maximal 120 ppm aus, also 0,012 Prozent. Mit anderen Worten – falls keine anderen Verunreinigungen vorhanden sind – liege die Reinheit bei 99,99 Prozent. Der kritische Punkt sei hier jedoch gewesen: Bei der Ankündigung des neuen Syntheseverfahrens hätte auffallen müssen, dass mit der Verwendung von Dimethylformamid und Natriumnitrit im Syntheseablauf das NDMA entstehen könnte. Dann hätte man frühzeitig entsprechend gezielte Analysen durchführen müssen und nicht erst nach einigen Jahren. Wieso dieser Fehler vorkam, müsse geklärt werden, um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden.

„Ich weiß nicht, ob wir den Patienten die Ängste nehmen konnten“

„Ob es uns gelungen ist, den Patienten ihre Ängste zu nehmen, weiß ich nicht,“ sagt Stahlmann. Allerdings habe Sörgel unter anderem diesen Aspekt in einem Fragebogen abgefragt, der an die Patienten verteilt wurde. Außerdem sei dort gefragt worden, ob die Patienten bereit wären, für eine qualitativ bessere Arzneimitteltherapie etwas mehr zu bezahlen. So habe der Pharmakologe Sörgel zuvor den Vorschlag in den Raum gestellt, einen „Sicherheitscent“ pro Tablette zu erheben, um Kontrollen zu stärken und ein zentrales Sicherheitssystem aufzubauen.



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