Beeren- und Pilzezeit

Was Apotheker zum Fuchsbandwurm wissen müssen

Stuttgart - 21.08.2018, 14:40 Uhr

Der wichtigste Endwirt von Echinococcus multilocularis ist der Fuchs. (s / Foto: Paul Binet/ stock.adobe.com)                                          

Der wichtigste Endwirt von Echinococcus multilocularis ist der Fuchs. (s / Foto: Paul Binet/ stock.adobe.com)                                          


Beeren- und Pilzesammeln stellt für viele ein besonderes Highlight am Ende des Sommers dar. Damit einher geht allerdings die Angst, sich mit dem Fuchsbandwurm zu infizieren. Doch ist dieser wirklich so gefährlich, wie man denkt? Und wie groß ist die Gefahr, sich beim Beerensammeln zu infizieren?

Echinococcus multilocularis, der Fuchsbandwurm, kommt nur auf der Nordhalbkugel vor – in Europa vor allem in Süddeutschland, der Nordschweiz, Westösterreich und Ostfrankreich. In Bayern ist er im Durchschnitt bei jedem dritten bis vierten Fuchs nachweisbar. Er braucht für seine Entwicklung einen Zwischenwirt, in dem sich ein Larvenstadium (Finne) entwickeln kann, und einen Endwirt, in dessen Darm der erwachsene, drei bis vier Millimeter lange Wurm sich aufhält und Eier produziert. Der wichtigste Endwirt des Wurmes ist der Fuchs, man findet ihn aber auch beim Marderhund und seltener auch bei Hund und Katze. Die Tiere scheiden mit dem Kot die reifen Eier aus. Die Eier sind extrem kälteresistent: Um sie abzutöten, muss man sie mehrere Tage bei -80 Grad einfrieren. Weniger widerstandfähig sind sie gegen Hitze und Austrocknung – kurzes Abkochen macht ihnen den Garaus. Unter klimatischen Bedingungen, wie sie in Deutschland herrschen, bleiben sie aber über Monate hinweg infektiös. Als Zwischenwirte fungieren kleine Nagetiere, wie Feld- und Wühlmäuse oder Ratten, die mit erregerhaltigem Fuchskot verschmutzte Eier mit der Nahrung aufnehmen.

Der Befall ist zunächst schmerz- und beschwerdefrei

Menschen werden sehr selten befallen. Sie stellen einen sogenannten Fehlzwischenwirt dar, da der Entwicklungszyklus des Fuchsbandwurms nicht über sie hinausgeht. Im Vergleich zu den Vorjahren waren die Meldezahlen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) im Jahr 2016 wieder rückläufig: 26 Fälle gab es. Allein zehn Patienten kamen aus Bayern, acht aus Baden-Württemberg, wobei das RKI darauf hinweist, dass davon nicht in jedem Fall auf den Infektionsort geschlossen werden kann. Wird ein Mensch befallen, ist das zwar kein sicheres Todesurteil mehr, aber lebensgefährlich ist eine Infektion nach wie vor. Unbehandelt führt die Erkrankung, die als alveoläre Echinokokkose bezeichnet wird, zum Tod. Zwischen Infektion und den ersten Symptomen können mehr als zehn Jahre liegen. Der Befall durch die Finnen ist zunächst schmerz- und beschwerdefrei. Unbemerkt befällt der Erreger die Leber. Dort entwickeln sich dann die Larven des Bandwurms. Sie wachsen sehr langsam und zerstören wie ein Tumor das befallene Organ. Meist treten lediglich unspezifische Oberbauchbeschwerden auf. Die Kompression wichtiger Gefäße führt zu einer Reihe von Komplikationen, wie Cholestase, portale Hypertension, sekundäre Leberzirrhose. Durch infiltratives Wachstum oder durch lymphogene beziehungsweise hämatogene Streuung kann es zu einem Befall anderer Organe (Peritoneum, Lunge, Gehirn) kommen. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist das Leberzellkarzinom. 

Therapieoptionen und wie sie wirken

Die einzige kurative Option wäre die Entfernung der befallen Organteile. Bei vielen Patienten ist das jedoch zum Zeitpunkt der Diagnose nicht mehr möglich, daher ist die Pharmakotherapie mit Benzimidazolen (Mebendazol, Albendazol) die Therapie der Wahl. In inoperablen Fällen muss laut RKI lebenslang behandelt werden. Bei kurativ resezierbaren Befunden, also wenn eine vollständige Entfernung des befallenen Gewebes möglich ist, wird die Benzimidazoltherapie über mindestens zwei Jahre empfohlen. 

Mebendazol wird in Deutschland unter dem Handelsnamen Vermox vertrieben. Es handelt sich dabei um ein Breitspektrum-Antihelminthikum, das neben Bandwürmern (Cestoden) auch gegen Fadenwürmer (Nematoden) wirkt. Zwei Stärken sind erhältlich: 100 mg und forte mit 500 mg. Bei Echinokokkose kommt letztere zum Einsatz. Mebendazol hat einem hohen First-Pass-Effekt und ist schlecht bioverfügbar, niedrige Dosen wirken vor allem lokal im Darm. Bei Kindern unter 14 Jahren darf Mebendazol in dieser hohen Dosis laut Fachinfo nicht eingesetzt werden.

Albendazol, ebenfalls ein Breitspektrum-Antihelminthikum, wird unter dem Handelsnamen Eskazole vertrieben. Die Anwendung ist ab einem Alter von sechs Jahren möglich. 

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Wirkmechanismus

Die Effekte beider Wirkstoffe beruhen auf der Bindung an beta-Tubuli, wodurch die Polymerisation zu Mikrotubuli gehemmt wird. Die Zerstörung der Mikrotubuli hat Folgen für die Struktur des Zytoskletts, den zellulären Stofftransport sowie den Stoffwechsel der Wurmzellen. Unter anderem kann der Wurm keine Glucose mehr aufnehmen und muss seine Glykogenreserven aufbrauchen. In der Folge wird der Verdauungskanal irreversibel geschädigt, was bei manchen Würmern zum Absterben führen kann. Beim Larvenstadium von Echinococcus multilocularis vermag Mebendazol dies allerdings nicht zu bewirken. Das Arzneimittel wirkt hier nur parasitostatisch, es kann auch zu Therapieversagen kommen. Die Einnahme erfolgt während der Mahlzeiten. Eine fettreiche Mahlzeit verbessert die Resorption.

Wie groß ist die Gefahr durch Beeren und Pilze? 

Wie sich der Mensch infiziert, darüber scheinen sich die Experten nicht ganz einig. So schreibt das RKI: „Der Mensch nimmt die Wurmeier durch kontaminierte Hände entweder nach direktem Kontakt mit infizierten Endwirten (Fuchs, Hund, Katze), an deren Fell die Eier haften können, oder durch Umgang mit kontaminierter Erde auf“. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) schreibt dazu: „Der oder die Übertragungsweg(e) des Kleinen Fuchsbandwurms auf den Menschen sind unbekannt. Dass die Eier auf irgendeinem Weg vom Fuchs in den Menschen gelangen müssen, ist unstrittig. Es existieren hierzu mehrere, so genannte Fall-Kontroll-Studien, mit denen versucht wurde herauszufinden, welche Risiken für eine Infektion bestehen. Diese kamen zu uneinheitlichen Ergebnissen. [...] Eine Übertragung des Kleinen Fuchsbandwurms von einem Haustier auf den Menschen konnte weltweit bisher noch in keinem Fall nachgewiesen werden.“

Was die Gefahr durch Beeren und Pilze betrifft, heißt es beim LGL, dass das Sammeln von Beeren oder Pilzen in keiner dieser Studien als Risikofaktor identifiziert worden sei. Laut RKI ist die Möglichkeit der Übertragung durch kontaminierte Nahrungsmittel (Waldbeeren, Pilze) beziehungsweise kontaminiertes Wasser nicht geklärt. 

Professor Klaus Brehm vom Institut für Hygiene am Uniklinikum Würzburg erklärt gegenüber der dpa, dass man mehrere Hundert Eier des Fuchsbandwurms aufnehmen müsse, um sich zu infizieren. „Je höher eine Beere am Strauch hängt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Beere mit Fuchskot in Verbindung kommt. Das heißt, die Beere muss schon erkennbar mit Fuchskot verunreinigt sein und kaum jemand wird so eine Beere essen“, betonte Brehm.

Auch das Ansteckungsrisiko durch Stadtfüchse sollte ernst genommen werden.  Einer Untersuchung des Bayerischen Jagdverbands (BJV) und des LGL aus dem Jahr 2013 zufolge sind 27 Prozent der Tiere, also gut jeder vierte Fuchs, von dem Parasit befallen. Bei regelmäßigem Fuchsbesuch im Garten, so die bayerische Gesundheitsbehörde, sei es ratsam, den Fuchskot mit einer umgestülpten Plastiktüte konsequent vom Grundstück abzusammeln.

Zur Prävention empfiehlt das LGL folgende Maßnahmen, um bis zur Klärung der Übertragungswege mögliche Risiken zu minimieren:

  • Waldfrüchte (Beeren, Kräuter, Pilze), Gemüse und Salat aus Freilandkulturen sowie Fallobst vor dem Verzehr immer gründlich waschen.
  • Am sichersten ist es, Lebensmittel über 60°C zu erhitzen, also kochen, braten oder backen.
  • Tieffrieren, Desinfektion oder das Einlegen in Alkohol töten den Erreger nicht ab. Erst bei einer Temperatur von -80°C über mehrere Tage wird er unschädlich gemacht.
  • Den Kot von Hunden und Katzen, die unbeaufsichtigt streunen und Mäuse jagen und fressen, regelmäßig auf Bandwurmeier untersuchen lassen und bei einem Nachweis eine Entwurmung mit einem auch gegen Bandwürmer wirksamen Präparat durchführen lassen.
  • Tote (und natürlich auch lebende) Füchse nicht anfassen.
  • Nach Garten-, Feld- und Waldarbeiten immer gründlich Hände waschen.
  • Füchse, die in Gärten vordringen, nicht füttern und ihnen auch keinen Zugang zu Futter und Abfällen ermöglichen

Quelle: LGL



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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