Betroffene Apothekerin

„Es gab keine Auffälligkeiten bei Lunapharm-Lieferungen“

Berlin - 20.08.2018, 10:15 Uhr

DAZ.online hat mit einer Apothekerin gesprochen, die regelmäßig Arzneimittel von Lunapharm bezog. (Foto: DAZ.online)

DAZ.online hat mit einer Apothekerin gesprochen, die regelmäßig Arzneimittel von Lunapharm bezog. (Foto: DAZ.online)


Fast täglich kommen derzeit neue Details aus der sogenannten Lunapharm-Affäre ans Tageslicht, in der mutmaßlich gestohlene Arzneimittel aus Italien und Griechenland hierzulande in die Lieferkette eingeschleust wurden. Inzwischen ist klar: Der Brandenburger Händler Lunapharm verkaufte seine Ware an Apotheken und Großhändler in mehreren Bundesländern. Allein in Berlin sollen drei Apotheken die zweifelhaften Präparate bezogen haben – ohne dass sie es wussten. DAZ.online hat mit der betroffenen Apothekerin Heike Häring gesprochen.

Die Apotheke „Helle Mitte“ in Berlin-Hellersdorf ist auf Zyto-Herstellung spezialisiert: „Kompetenzapotheke“ in Sachen Krebstherapie heißt es auf der Homepage der Apotheke. Zur Versorgung ihrer Patienten hat die Inhaberin Heike Häring in den vergangenen Jahren regelmäßig auch bei Lunapharm eingekauft. Zur Erinnerung: Dem Brandenburger Arzneimittelhändler, dessen Lizenz als Hersteller und Großhändler derzeit ruht, wird vorgeworfen, jahrelang mutmaßlich gestohlene Ware aus Griechenland und Italien importiert und diese an Apotheken und andere Großhändler weiter verkauft zu haben. Die Behörden und eine vom Brandenburger Gesundheitsministerium eingesetzte Taskforce versuchen derzeit herauszufinden, wie viele Patienten davon betroffen sein könnten.

Ersten Erkenntnissen zufolge sollen die Arzneimittel in Berlin und Brandenburg an etwa 220 Patienten abgegeben worden sein. Demnach sollen drei Apotheken in der Hauptstadt betroffen sein – eine davon ist die Apotheke Helle Mitte. Im Bereich „Aktuelles“ der Internetseite der Apotheke ist derzeit ein Schreiben an Patienten zu sehen, das sich um den Fall dreht. Darin heißt es unter anderem: 


Bei allen zur Frage stehenden Arzneimitteln handelt es sich nicht um sogenannte kühlkettenpflichtige Produkte, d.h. auch ein kurzzeitiger Transport oder eine kurzzeitige Lagerung dieser Produkte bei höheren Temperaturen/Raumtemperaturen müssen nicht zu einer Wirkungslosigkeit bzw. Schädlichkeit dieser Medikamente führen. Aktuell  gibt es keine  Erkenntnisse, dass gefälschte oder verunreinigte Arzneimittel in diesem Zusammenhang gehandelt wurden.“

Patienteninfo Apotheke Helle Mitte


Die Apotheke informiert ferner darüber, welche bei Lunapharm erstandenen Arzneimittel zu den möglicherweise gestohlenen Präparaten gehören: Mabthera, Herceptin, Xgeva und Velcade. Die Apotheke informiert ihre Patienten: „Sofern Sie nicht eines dieser vier Arzneimittel bzw. eine daraus hergestellte Infusionslösung durch uns im Zeitraum September 2015 bis Juni 2017 erhalten haben, sind Sie basierend auf dem uns von den Aufsichtsbehörden mitgeteilten Kenntnisstand bezüglich Lieferungen aus unserer Apotheke von den zur Rede stehenden Medikamenten nicht betroffen.“ Schließlich folgt der wichtige Hinweis, dass man von dem mutmaßlich kriminellen Hintergrund der Lieferungen nichts gewusst habe: „Es macht uns tief betroffen, dass Sie als unsere Patienten-Kunden aufgrund dieser Vorgänge verunsichert werden. Leider war es uns nicht möglich, die etwaige illegale Herkunft und mögliche Versäumnisse bei Transport und Lagerung dieser Arzneimittel beim Bezug festzustellen, da es diesbezüglich keinerlei Auffälligkeiten gab.“

Wurden Arzneimittel in einem Fischladen zwischengelagert?

Auf Nachfrage von DAZ.online erklärt Häring, dass sie die nicht betroffenen Patienten mit dem Schreiben auf ihrer Internetseite beruhigen wollte. „Um möglichst schnell Patienten meiner Apotheke, die keine Arzneimittel aus den betreffenden Chargen erhalten haben, etwas beruhigen zu können, habe ich die vier Arzneimittel, die aus den in Verdacht stehenden Chargen von Lunapharm stammten und den Zeitraum, in dem wir diese an Kunden abgegeben haben, auf der Internetseite veröffentlicht.“ Die Pharmazeutin gibt an, nach der TV-Sendung „Kontraste“, in der der Skandal aufgedeckt wurde, keinen „direkten Kontakt“ mehr mit Lunapharm gehabt zu haben. „Ich habe nur noch eine Rechnung für andere Lieferungen kurz nach dem 20. Juli per Post erhalten“, so Häring. Die letzte Lieferung von Lunapharm sei nur einen Tag vorher, also am 19. Juli in der Apotheke eingetroffen.

Die letzte Lunapharm-Ware wurde am 19. Juli geliefert

Was nach dem Bekanntwerden des Skandals passiert ist, beschreibt die Apothekeninhaberin so: „Das für die Apothekenaufsicht zuständige Referat des LAGeSo Berlin kontaktierte mich am 19. Juli. Wir haben der Aufsicht die verordnenden Ärzte/medizinischen Einrichtungen, deren Patienten mit den in der Diskussion stehenden Arzneimittel versorgt wurden, benannt und diesen Ärzten/Einrichtungen in der Folge die möglicherweise betroffenen Patienten mitgeteilt. Wir als Apotheke haben keinen Kontakt zu etwaig Betroffenen aufgenommen. Wir haben und werden Patienten dann weitergehend informieren, wenn diese aktiv auf uns zukommen.“

Wie schon auf der Homepage erwähnt, konkretisiert Häring gegenüber DAZ.online, dass es an den gelieferten Lunapharm-Produkten sowie an der „Art der Anlieferung“ niemals Auffälligkeiten gegeben habe. „Kühlware wurde immer in qualitativ hochwertigen Kühlboxen korrekt temperiert angeliefert. Ich würde nicht mit einem Lieferanten zusammenarbeiten, von dem ich einen negativen Eindruck hätte“, erklärt die Apothekerin.

Was die Apothekerin stört, sind Ungenauigkeiten in der öffentlichen Debatte rund um die Lunapharm-Affäre. Häring dazu:


Teilweise ist von ‚kühlkettenpflichtigen‘ Arzneimitteln die Rede obwohl es sich meines Wissens und nach den veröffentlichten Informationen aus dem Gesundheitsministerium in Potsdam ‚nur‘ um kühlpflichtige handeln soll, d.h. diese müssen nicht lückenlos gekühlt sein, kurzfristiger Transport bei Raumtemperatur wäre möglich, wobei die Dauer dieses ‚kurzfristig‘ von den jeweiligen Arzneimittel abhängt. In griechischen Medien kann man lesen, dass diese Arzneimittel in Kühlschränken eines Blumengeschäfts in Pangrati und eines Fischhändlers in Kallithea gelagert worden sein sollen. Ob diese Medikamente richtig gelagert und transportiert wurden, ob es Qualitätsverluste an diesen gab, wird man möglicherweise anhand der Ergebnisse der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und der Analysen der Rückstellmuster erfahren.“

Apothekeninhaberin Heike Häring




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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