Michael Hennrich (CDU) zu den Arzneimittelskandalen

„Warum können die Kassen nicht für die Arzneimittelversorgung haften?“

Berlin - 15.08.2018, 09:00 Uhr

Es sei zwar nicht einfach zu regeln, aber vorstellbar: CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint, dass die Versorgungssicherheit verbessert werden könnte, wenn die Krankenkassen für die Qualität der Arzneimittelversorgung haften würden. (s / Foto: Külker)

Es sei zwar nicht einfach zu regeln, aber vorstellbar: CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint, dass die Versorgungssicherheit verbessert werden könnte, wenn die Krankenkassen für die Qualität der Arzneimittelversorgung haften würden. (s / Foto: Külker)


Pharmadialog soll Lösungen bringen

DAZ.online: Kommen wir zum anderen Ende der Preisskala: Stichwort Lunapharm. Auch hier meint die ABDA, eine Ursache in der nicht vorhandenen Preisregulierung zu sehen. Entsteht so ein Schwarz- oder Graumarkt nicht erst recht, wenn so hohe Preise gezahlt werden? Oder: Würden niedrigere Preise diesen Markt ausdürren?

Hennrich: Ich gebe zu, diesem Thema müssen wir uns in dieser Legislaturperiode nochmals verstärkt widmen, das wird im Rahmen des Pharmadialogs auch passieren. Es ist schon bemerkenswert, dass knapp 80 Prozent der abgegebenen Arzneimittel nur 20 Prozent der Kosten ausmachen, wohingegen knapp über 20 Prozent der verordneten Medikamente 80 Prozent der Gesamtausgaben verursachen.

DAZ.online: In der vergangenen Legislaturperiode kam, zumindest was die Preisfreiheit im ersten Jahr nach Markteintritt betrifft, nicht viel heraus. Welche Maßnahmen sind denkbar?

Hennrich: Das möchte ich jetzt nicht konkretisieren und da auch den Pharmadialog abwarten. Aber ich sage offen, dass ich persönlich dafür bin, dass der Erstattungsbetrag bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen rückwirkend nach Beschluss des G-BA gelten sollte. Es gibt keinen Grund höhere Preise zu bezahlen, wenn der G-BA festgestellt hat, dass ein neuer Wirkstoff keinen Zusatznutzen hat. Das würde Produkte mit Zusatznutzen, für die diese Rückwirkung nicht gelten soll, privilegieren und wäre dann auch so etwas wie eine Innovationsprämie.

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Hennrich: Reimportquote über Rahmenvertrag regeln

DAZ.online: Nach Bekanntwerden der Lunapharm-Affäre ging ja auch erneut der Streit um die Importquote los. Abschaffen oder behalten: Was meinen Sie?

Hennrich: Bei dieser Frage ist für mich wiederum klar, dass der Gesetzgeber hier nicht unbedingt eingreifen muss. Die Krankenkassen und Apotheker können dieses Problem jederzeit im Rahmenvertrag angehen. Warum einigt man sich dort nicht darauf, die Quote auf null zu senken? Alles möglich!

DAZ.online: Das Wichtigste zum Schluss: Was sagen Sie als zuständiger Unionspolitiker den betroffenen Patienten? Wie kann sich die Situation für sie verbessern?

Hennrich: Was mich mit Blick auf die Patienten am meisten stört, ist, dass sie mit der Haftungsfrage alleine gelassen werden. Wer ist gegenüber dem Patienten haftbar, wenn er ein geklautes oder krebserregendes Arzneimittel bekommt?

DAZ.online: Kann man das gesetzgeberisch angehen?

Hennrich: Die Kassen haften derzeit jedenfalls nicht für solche Fälle. Ich glaube, wir bekämen auch in die Qualitätsfrage eine ganz andere Musik, wenn die Kassen haften würden. Wobei es nicht ganz einfach ist, das gesetzlich sauber zu regeln.

DAZ.online: Viel diskutiert wird auch über die Transparenz. Die einzige Informationsquelle für die meisten Patienten waren die Apotheker. Und selbst die fühlten sich schlecht informiert. Wie kann das verbessert werden?

Hennrich: Auch das können wir eigentlich nicht länger zulassen. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet derzeit immer noch am sogenannten Arztinformationssystem, bei dem die Ärzte im Moment der Verordnung über die jeweiligen Arzneimittel informiert werden sollen. Ein Projekt, das uns unglaublich viele Chancen eröffnet beim Verschmelzen von Digitalisierung und Arzneimittelversorgung. Warum kann man hier keine Informationen über den Ort und den Prozess der Herstellung einbauen? Und: Auch bei der Etablierung des geplanten Nationalen Gesundheitsportals wäre es eine Überlegung wert, sich mit der Frage zu befassen, wie man hier mehr Transparenz sowie eine bessere Informationsbasis für die Patienten schaffen kann.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Schnelle Lösung nötig – aber welche?

7 Kommentare

Heinrich

von Alexander Zeitler am 17.08.2018 um 2:27 Uhr

Schauen Sie sich nur mal die Körpersprache dieses Herrn an.
Wie will der was erreichen?????

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Kontrolle

von Ratatosk am 16.08.2018 um 9:46 Uhr

Billigstpreise führen immer !! zu abnehmender Qualität, hier zählt nur das Wohl der GKV und die ist personell mit der Politik extrem verfilzt.
Personal für Kontrollen gäbe es genug, jede Landapotheke wir auch regelmäßig kontrolliert und ausländische Kontrolleuere ( England oder Frankreich etc. ) finden auch immer wieder Probleme, nur seltsamerweise hört man von deutscher Seite nichts. Kontrollen wo es wichtig wäre, würden aber das schäbige Politik-GKV-Verwaltungs Kartell behindern, an strategische Planungen ist in Deutschland ja schon lange nicht mehr zu denken. Die Presse ist bei Pharma schnell mit sog. kritischen Reportagen zur Stelle, aber nicht bei der Politik oder Behörden, denn dann gibt es keine Einladungen zu Treffen mehr, oder die irrre teuren Selbstdarstellungen von Ministerien werden eben anderswo geschaltet. Erst ein paar tausend Tote könnten dies evt. ändern - und dann wäre sowieso irgendjemand anderes schuld.
Wo sind eigentlich unsere Tausendsassa - Experten mit Lösungen ? außer der Leier mit den ungeheueren noch zu hebenden Einsparungen.

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Qualitätsverlust

von Reinhard Rodiger am 15.08.2018 um 22:29 Uhr

"Es gibt kein effizienteres Sparinstrument bei den Arzneimitteln" zitiert nach Herrn Hennrich.

Das ist ohne Zweifel richtig.Nur der Preis ist zu hoch.
Diese Effizienz ist nur Ergebnis einer Marktdominanz eines Oligopols (zT Monopol), das die Marktbeteiligten zum Mitmachen zwingt. Offen bleibt: wie lange.Nicht verfolgte Erpressung zählt in der Tat zu den effizientesten Erwerbsmöglichkeiten.Die daraus folgende Dynamik ist politisch gewollt, aber in ihrer Konsequenz nicht verarbeitet.Ist der Initiator nicht genauso verantwortlich wie der Umsetzer?

Diese Konsequenz ist stetige Qualitätsminderung bis hin zu Schadensetzung- durch Schadstoffe , Engpasserzeugung und Complianceminderung. Es ist Sophisterei, die Haftungsfähigkeit des politisch gewollten Verursachers zu verneinen.Sie gilt zumindest im moralischen Sinn und deshalb ist die Frage politisch relevant.Aber sie bleibt verdrängt.

Nach dieser Logik, die Haftungsfähigkeit des Auftraggebers(zB eines Berufskillers) zu verneinen, bleibt er nach Durchführung des Auftrags ein freier Mann.

Dies gilt besonders,da sich der Verursacher(Krankenkasse) nach amtlicher Feststellung(BVA) nicht an die eigentlichen Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts hält, sondern wie ein ethisch nicht fassbares Unternehmen.Dann ist zumindest die Geschäftsführung haftbar.

Ohne Begrenzung des Machtmissbrauchs der Krankenkassen ist der Ruf nach Behörden eher Ablenkung als Hilfe.Klar, die Kontrollen sind löchrig, aber auch das war politischer Wille.
Denn die Ausstattung fehlt.Deren Aufrüstung entlässt die Krankenkassen und deren Unterstützer nicht aus ihrer Verantwortung.


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Realistische Betrachtung:

von Kritiker am 15.08.2018 um 13:42 Uhr

Die Bundesregierung wird nicht viel unternehmen, es sei denn, es kommt zu einem fetten, Contergan weit in den Schatten stellenden Skandal.

Für die GKV scheinen ihre Versicherten Nutzvieh zu sein, das gefälligst zu fressen hat, was ihm die GKV vorsetzt.

Qualitäts- und Transparenzoffensiven einzelner Generikahersteller sind möglich. Ob sie in der Praxis etwas nützen, das ist offen.

Als Patient sollte man baw Generika meiden und hoffen, dass wenigstens die Originalhersteller einigermaßen ordentliche pharmazeutische Qualität liefern.

Die Apotheken müssen mit den Patienten ausbaden, was ihnen Politik und GKV einbrockten.

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Hennrich

von Conny am 15.08.2018 um 12:54 Uhr

Darf man Schwätzer schreiben ? Ansonsten bitte Dummquatscher oder Versall von Spahn.

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verbindlich unverbindlich

von Ulrich Ströh am 15.08.2018 um 11:06 Uhr

Sprache ist verräterisch:
Wäre, möchte könnte, nicht unbedingt ,etc...

Aus Patientensicht bleibt Herr Hennrich in diesem Interview verbindlich unverbindlich.

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klare Antwort auf die Frage in der Überschrift

von Jan-Uwe Kreuschner am 15.08.2018 um 10:04 Uhr

klare Antwort auf die Frage in der Überschrift:
Meiner Ansicht nach müssen schon aufgrund der derzeitigen Gesetzgebung die Kassen haften. Die "gesetzlichen" Krankenkassen sind doch jetzt schon lt. Gesetzgebung für eine "ordnungsgemäße gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung" verantwortlich.D.h. es fehlt hier nur an geeigneten Ahndungsmaßnahmen durch den Gesetzgeber, wenn die Krankenkassen dies nicht ordnungsgemäß tun. Im übrigen müssen auch nicht die Gemeinden investieren, um auf dem Land Ärzte o. Apotheken anzusiedeln, sondern nur die Krankenkassen schriftlich (mit Fristsetzung) dazu auffordern eine "flächendeckende Versorgung" herzustellen. Erfolgt dies nicht, fehlt es wieder nur an geeigneten Strafmaßnahmen. Hier hat Herr Spahn eine Aufgabe die es dringlich anzugehen gilt. Es kann nicht sein, dass im Gesundheitswesen alle Leistungserbringer immer mehr an die Kandarre genommen werden, während die Krankenkassen unter "Artenschutz" gestellt werden und damit ungestraft Aufgaben für die sie durchaus auch bezahlt werden einfach unterlassen.

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