Die Sorgen des EMA-Chefs 

Brexit: 108 Arzneimittel könnten in der EU fehlen

Remagen - 15.08.2018, 14:45 Uhr

Der Chef der Europäischen Arzneimittelagentur Guido Rasi blickt dem Umzug seiner Behörde mit gemischten Gefühlen entgegen. (s / Foto: picture alliance / AP Images)

Der Chef der Europäischen Arzneimittelagentur Guido Rasi blickt dem Umzug seiner Behörde mit gemischten Gefühlen entgegen. (s / Foto: picture alliance / AP Images)


Viele Herausforderungen, aber auch positive Gedanken

Unter den Städten, die die europäische Arzneimittelbehörde gerne bei sich beherbergt hätten, zählte Amsterdam zu den Favoriten der EMA-Belegschaft. Trotzdem soll in den Fluren des modernen Hochhauses im Londoner Geschäftsviertel Canary Wharf keine große Vorfreude auf den Umzug zu spüren sein. „Ganz tief im Inneren wünschen wir uns vielleicht noch, dass wir doch bleiben können“, erzählt Rasi, „aber wir wissen, dass es unrealistisch ist. Und mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es vermutlich schlimmer wäre zu bleiben als zu gehen“. 

Geht fast die Hälfte des Personals?

Gegen Amsterdam würden sich nur knapp 20 Prozent der insgesamt 900 Mitarbeiter entscheiden, habe die EMA einst geschätzt. „Das war wohl etwas zu optimistisch“, gibt Rasi heute zu. Er befürchtet, dass tatsächlich bis zu 44 Prozent der Belegschaft die Behörde verlassen. Einige seiner besten Mitarbeiter hätten bereits Angebote von britischen Pharmafirmen erhalten, lässt der langjährige EMA-Chef wissen. Andere seien zu anderen Behörden abgewandert oder in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Rasis aktuelle Prognose mag ein wenig erstaunen, hatte die Agentur doch erst vor wenigen Tagen in ihrer letzten Mitteilung zu den Vorbereitungen auf den Umzug „nur“ von rund einem Drittel gesprochen.

Der Umzug sei ein unglaublich komplexer Vorgang, berichtet Rasi im Handelsblatt weiter. Die Kosten dafür aus dem EMA-Budget veranschlagt er für dieses Jahr auf 15 Millionen und im kommenden Jahr auf 44 Millionen Euro. Im Arbeitsalltag kümmerten sich spezielle Teams um den Umzug. Schon vor vielen Monaten sei ein IT-Zentrum in Hamburg aufgebaut worden, um sicherzustellen, dass die Arbeit der EMA möglichst wenig gestört werde. Die IT-Fachleute blieben auch dort, selbst wenn mittlerweile weitere Teams in Amsterdam arbeiteten, sagt Rasi.

Wandel mit dem Umzug

Eines stimmt den EMA-Direktor bei all diesen Herausforderungen aber dennoch positiv. Dies sei die Resonanz auf die neu ausgeschriebenen Stellen bei der EMA in Amsterdam. Mehr als 3000 Bewerbungen sollen schon eingegangen sein, ein Vielfaches der Zahlen vergangener Jahre. Rasi sieht hierin eine Chance für seine Behörde: In der Vergangenheit sei vor allem das Wissen von Onkologen oder Pharmakologen gefragt gewesen. Da aber zunehmend neuartige Therapieformen und Wirkstoffe entwickelt würden, brauche die EMA heute viel mehr Expertise von Genetikern und Bioingenieuren, die sie nun einstellen könne. Ohne Brexit hätte er selbst eine Neuausrichtung der EMA starten müssen. Nun komme der Wandel mit dem Umzug. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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