Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

12.08.2018, 08:00 Uhr

Wann erkennt die Politik, dass wir keine Importquote brauchen? (Foto: Andi Dalferth)

Wann erkennt die Politik, dass wir keine Importquote brauchen? (Foto: Andi Dalferth)


2018 könnte der Beginn einer sichereren Arzneimittel-Ära sein, einer Ära ohne Importquote. Kassen und Apothekerverband sind sich einig: weg damit. Eine Petition will die Politik zur Abschaffung dieses Anachronismus animieren. Ein bisschen könnte Valsartan dabei helfen. Was sich dagegen wohl nie ändert: intransparente Großhandelsrechnungen. Aber was sich ändert: Das ABDA-E-Rezept kommt – 2020. Müssen nur noch ein paar Hausaufgaben gemacht werden…

6. August 2018

Seien wir dankbar, mein liebes Tagebuch, dass wir keine Apothekenketten haben, dass wir die inhabergeführten Apotheken mit Apothekerinnen und Apothekern haben, die sich persönlich für ihre Kunden und Patienten einsetzen. Der Blick auf den britischen Apothekenmarkt in dieser Woche zeigt, wohin der billige Wettbewerb, den uns die sogenannten Wirtschaftsweisen, die Monopolkommission und die FDP (um nur einige zu nennen) predigen, führt: in einen gnadenlosen Wettbewerb mit Reduzierung von Leistungen, Verschlechterung von Service und Ausdünnung des Apothekennetzes. Der Apothekenmarkt in England zeigt: Das von einigen unserer Ökonomen gelobte wettbewerbliche System mit dem Kettengedöns bringt nichts, es läuft nicht besser, es wird nicht billiger – im Gegenteil, es wird schlechter. Und wenn in einem solchen System eine Regierung weitere Einsparungen beim Apothekenhonorar anordnet, wie vor Kurzem in Großbritannien geschehen, dann suchen die Pharmahandelskonzerne mit ihren Kettenapotheken nach Einsparungsmöglichkeiten: Sie schließen Filialen, die Versorgung vor Ort wird drastisch ausgedünnt. Die Phoenix-Kette will beispielsweise ihre kostenfreien Botendienste streichen und nur in Ausnahmefällen noch ohne Extragebühr nach Hause liefern. Mein liebes Tagebuch, von diesem System sollten mal alle unsere Gesundheitspolitiker, die dem Wettbewerb frönen, einen Schluck nehmen, ihn auf der Zunge zergehen lassen – und sich fragen, ob sie diesen bitteren Geschmack gut finden.   

7. August 2018

Wenn nicht jetzt, wann dann: Abschaffung der Importquote! Apothekerin Gabriele Röscheisen-Pfeifer hat Ende Juli eine Petition eingebracht, die die ersatzlose Streichung der Quote vorsieht. Mein liebes Tagebuch, endlich tut sich hier was – und der Zeitpunkt dafür könnte besser nicht sein. Die Apothekerin begründet ihre Petition mit der Arzneimittelsicherheit. Sehr gut! Wie sie in der Begründung aufführt, weise die verlängerte Lieferkette ein enormes Potenzial an Sicherheitslücken im Ausland auf. Die Apotheker in Deutschland könnten Fälschungen, Fehler bei der Lagerung und Transport nicht mehr erkennen. So ist es! Hinzufügen ließe sich: Den großen Gefahren für die Arzneimittelsicherheit stehen zudem nur marginale Einsparungen gegenüber und unnötige Bürokratie. Und nicht zu vergessen: Letztlich war es die Politik, die mit Einführung der verpflichtenden Importquote dafür sorgte, dass das Export-Import-Geschäft mit Arzneimitteln angekurbelt wurde. Ob man heute noch einmal so entscheiden würde? Kaum. Allein vor dem Hintergrund ökologischer und arzneimittelsicherheitstechnischer Prämissen. Muss man portugiesische oder griechische Arzneimittel nach Deutschland bringen? Nein! Da verbietet die EU Plastikstrohhalme und reduziert die Staubsaugerleistung und Deutschland schreibt noch Importquoten bei Arzneimitteln vor mit sinnloser Vergeudung von Transportenergie! In welcher Welt leben wir eigentlich? Mein liebes Tagebuch, das Fazit kann nur sein: Arzneimittel-Importe passen überhaupt nicht mehr in unsere Zeit. Da werden anderen Ländern die Arzneimittel weggekauft, unter fragwürdigen ökologischen Bedingungen quer durch Europa gekarrt, bei uns umgepackt, teils neu beschriftet, was nicht selten zur Verwirrung von Patienten führt. Und alles nur, um ein paar Cent zu sparen, was in keinem Verhältnis zu den Gefahren für die Arzneimittelsicherheit steht. Mein liebes Tagebuch, die Petition benötigt noch einige Unterschriften, also, am besten gleich hier unterzeichnen

In einem Kommentar geht DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer noch einen Schritt weiter. Er verbindet die Importproblematik mit dem Vorschlag, die Politik sollte festlegen, dass Unternehmen nur noch an Rabattvertragsausschreibungen teilnehmen dürfen, wenn sie einen gewissen Prozentsatz des jeweiligen Präparates in Europa produzieren und das auch dem Kunden auf der Packung zeigen („Made in Europe“). Damit könnten Fehlanreize, alles immer noch billiger in Indien und China herstellen zu lassen, vermindert werden. Auch darüber sollte man nachdenken.  

8. August 2018

Der Valsartan-Skandal hat es bis ins ARD-Magazin „Fakt“ geschafft, die Sendung fasst die derzeitigen Erkenntnisse zusammen. Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker kommt zu Wort: Das sogenannte CEP-Zertifikat sei wie ein „Blankoschein“, mit dem die Hersteller einmal die Erlaubnis erhalten und danach keinen Kontrollen mehr ausgesetzt sind. Tawab wörtlich:„Die Wirkstoffherstellung stellt für die Pharmafirmen eine Blackbox dar.“ Dass europäische Pharmaunternehmen und Prüflabore keinen Einblick in den Herstellungsprozess der eigentlichen Hersteller haben, könne eine „gravierende Fehlerquelle“ sein. Mein liebes Tagebuch, das muss man sich einmal vor Augen halten: Niemand außer dem Hersteller und der sogenannten EDQM-Behörde („The EDQM is a leading organisation that protects public health“ - heißt es auf der Website) bei der EU weiß genau, wie der Wirkstoff hergestellt wird. Erstaunlich, wie groß unser blindes Vertrauen in die asiatischen Hersteller ist, oder? Die Gefährlichkeit des Valsartan-Desasters bringt der Toxikologe Thomas Eschenhagen vom Uni-Klinikum Heidelberg in der Fakt-Sendung auf den Punkt: „Eine Tablette am Tag ist etwa so viel, als wenn man fünf Zigaretten täglich rauchen würde.“ Würde ich nicht wollen. Und schließlich noch Gerd Glaeske in der Fakt-Sendung: Die Pharmaunternehmen seien in der Pflicht, bei der Einfuhr besser und intensiver zu kontrollieren, ob Reinheit und Qualität der Arzneimittel gegeben seien. Und die Länderüberwachungsbehörden: „Da gibt es erhebliche Lücken.“ Dem schließen wir uns an, mein liebes Tagebuch.  


Im vergangenen Jahr gab es rund 4500 Apothekenfilialen. Laut der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand war der am häufigsten vorkommende Verbund im vergangenen Jahr die Hauptapotheke mit einer Filiale (2282), eine Hauptapotheke mit zwei Filialen gab es 665-mal und eine dritte Filiale besitzen in Deutschland derzeit 300 Apotheker. Der Trend zur Filialisierung soll laut Treuhand vorerst gestoppt sein. Ein Hauptgrund: Finanziell ist eine Filialgründung heute nicht unbedingt attraktiv. Wer eine Filiale gründet, hat höhere Renditeerwartungen, die sich seltener erfüllen lassen. Und, mein liebes Tagebuch, nicht jede Apotheke, die eigentlich geschlossen werden sollte und dann als Filiale weiterlebt, lässt sich durch die Filialisierung wiederbeleben. Hinzukommt die Mitarbeiter-Problematik: Eine Apothekerin, einen Apotheker zu finden, der Kompetenz als  Filialleiter hat, ist nicht einfach. Und sie müssen ordentlich bezahlt werden. 

9. August 2018 

Manche Dinge im Leben ändern sich wohl nie. Zum Beispiel die Aussagen von Apothekern auf die Frage, mit welchen Leistungsbereichen des Großhandels sie zufrieden oder unzufrieden sind. Ganz klar, der Großhandel punktet in der Regel durch einen niedrigen Bestellaufwand, hohe Liefergeschwindigkeit, großes Sortiment, gute Lieferqualität und mit einem meist netten Außendienst. Wo’s kriselt, das ist die Retourenabwicklung, dann natürlich bei den Konditionen –da ist heute im Vergleich zu früher nicht mehr viel drin. Und der Knackpunkt schlechthin ist die Transparenz der Großhandelsrechnung. Das war vor zehn Jahren schon so, vor zwanzig und auch vor dreißig Jahren. Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers lassen es uns über Jahre hinweg bieten, dass Rechnungen, die uns unser größter Lieferant stellt, nicht nachvollziehbar sind, allenfalls nur mit einem extra Großhandelsrechnungs-Dechiffrier-Diplom, so es das gäbe. Ich kenne nur wenige Kolleginnen und Kollegen, die ohne große Rechenkünste aus einer Großhandelsrechnung herauslesen können, welche Zuschläge oder Nachlässe sie auf die gekauften Waren bekommen. Unglaublich! Von dieser undurchsichtigen Rechnungsstellung profitieren mittlerweile mehrere Beratungsunternehmen, die den Apotheken diese Arbeit abnehmen und einige Euro herausholen. Früher hat zumindest der liebe Großhandelsaußendienst diese Undurchsichtigkeit ein bisschen ausgeglichen, indem er mal ein TV-Gerät oder einen Kaffeeautomaten in der Apo vorbeibrachte oder zu einer geselligen Reise einlud. Doch das ist heute ja vorbei. Und so werden wir auch in zehn Jahren noch über die Intransparenz der Großhandelsrechnungen jammern. Wir lassen es uns bieten. 

10. August 2018 

Das E-Rezept kommt. Ende Juni 2020 soll’s schon da sein. Sagt unsere ABDA. Und zwar selbst gemacht. Zuvor müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten geregelt werden. Beispielsweise müssen die Ärzte von unserem E-Rezept überzeugt werden. Und die Krankenkassen. Und die Politik muss im Zeitplan mitspielen. Dann muss bis dahin die Infrastruktur stehen, ein paar Server eingerichtet und vielleicht noch ein paar Apps programmiert werden. Und alles muss zur offiziellen Telematikinfrastruktur (TI), der gesetzlich vorgegebenen Datenautobahn für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, passen. Und vor allem, alle Marktbeteiligten sollten dann schon akzeptieren, dass ein E-Rezept so aussieht, wie wir uns das vorstellen, nämlich: Die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben. Ein Modellprojekt zur ersten Erprobung soll schon im Dezember 2019 in einer noch festzulegenden Region starten. Danach zündet die zweite Stufe, in der alle Apotheken und Ärzte einen Konnektor haben, mit dem sie an die TI angebunden sind. Start soll dann also in knapp vier Jahren sein. Super ambitioniert, mein liebes Tagebuch. Aber man muss sich ja erstmal etwas vornehmen, sonst wird es eh nichts. Sollte das je so klappen, geht der IT-Preis 2020 auf jeden Fall an die ABDA. Gibt’s Kritiker? Ja. Einige Mitgliedsorganisationen der ABDA fragen, was die Anstrengung bringen soll – denn sehr viel länger als bis 2020 würde es mit der offiziellen Telematik wohl auch nicht dauern, bis eine vernünftige Infrastruktur geschaffen ist, in der auch E-Rezepte transportiert werden können. Welchen zeitlichen und strategischen Vorteil hat dann die ABDA-Initiative? Gute Frage. Aber, vielleicht haben wir Apothekers dann mehr Einfluss und Mitbestimmungsmöglichkeiten, wenn’s denn so läuft wie geplant. Auf alle Fälle: ABDA goes digital. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

DAZ Abo via App

von Kritiker am 13.08.2018 um 20:36 Uhr

Ich bedauere sehr, dass das kostengünstige Abo der DAZ für Studierende via App nicht für branchenfremde Interessierte verfügbar ist.

Ich benötige keine gedruckte Ausgabe. Das Reguläre Abo ist mir zu kostspielig, wobei ich nicht weiß, ob ich das als branchenfremder Interessierter überhaupt bekommen würde.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Importquote abschaffen

von K. Stülcken am 12.08.2018 um 11:18 Uhr

Leider schreiben die Ärzte selbst in großen Mengen Importe auf Rezept. Durch die verpflichtende Pharmazentralnummer und Helferinnen, die vermutlich nach Preis auswählen, hat sich diese Problematik noch vergrößert und man ist erleichtert, wenn das Original Vertragspartner ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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