DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (1)

Der lange Weg der Emanzipation

Berlin - 10.08.2018, 17:45 Uhr

Durch den antisemitischen Terror während der NS-Zeit wurde die Entwicklung jüdischer Apotheker in Deutschland gestoppt. Aber was geschah davor? Wie viele jüdische Apotheker gab es? DAZ.online-Autorin Inken Rutz hat sich dieser Frage im ersten Teil der Miniserie über jüdische Apotheker gewidmet. (Foto: Imago)

Durch den antisemitischen Terror während der NS-Zeit wurde die Entwicklung jüdischer Apotheker in Deutschland gestoppt. Aber was geschah davor? Wie viele jüdische Apotheker gab es? DAZ.online-Autorin Inken Rutz hat sich dieser Frage im ersten Teil der Miniserie über jüdische Apotheker gewidmet. (Foto: Imago)


Eigenverantwortliche Berufsausübung ab 1861

Der 5. Februar 1861 stellte einen Wendepunkt dar: Die Rechtsunsicherheit bezüglich der eigenverantwortlichen Berufsausübung jüdischer Apotheker wurde durch die Ministerialverfügung von Moritz August von Bethmann-Hollwegs beendet. Eindeutig wurde festgelegt, dass „denjenigen Juden, welche die formelle Qualification als Apotheker erworben haben, der selbstständige Betrieb respective die Verwaltung einer Apotheke nicht versagt werden darf“. Diese Verfügung änderte die Situation der jüdischen Apotheker spürbar. Überliefert ist, dass zahlreiche jüdische Apotheker, zunächst in Schlesien und dann auch im Raum Berlin, Apothekenprivilegien erwarben. Dennoch sollte es noch mehr als 30 Jahre dauern, bis 1892 die erste Realkonzession an einen Juden in Berlin vergeben wurde. 

Realkonzessionen waren sehr wertvoll für Apotheker. Eingeführt 1811 im preußischen Apothekenrecht konnte diese persönliche öffentlich-rechtliche Konzession verkauft oder vererbt werden und erlosch nicht nach dem Tod des Inhabers. Gleichzeitig war die Vergabe einer Realkonzession an ein öffentliches Bedürfnis gebunden – und wurde somit nur eingeschränkt an interessierte Apotheker vergeben. Im Gegensatz dazu erlosch die Personalkonzession nach dem Tod des Konzessionsinhabers, da sie an die Person direkt gebunden war. Das Konzessionierungsrecht galt grundsätzlich bis 1960, als es durch die einzig an die Approbation gebundene Niederlassungsfreiheit abgelöst wurde.  

Pharmaziestudium – Interesse am Apothekerberuf steigt

Anfang des 19. Jahrhunderts war der Beruf des Apothekers immer noch in erster Linie ein Handwerksberuf. Die fehlende Akademisierung verstärkte das damalige Desinteresse vieler Juden an diesem Beruf. Einzig in Bayern und Preußen gab es schon ein zweisemestriges Pflichtstudium zum „Apotheker 1. Klasse“. 1875 wurde schließlich reichseinheitlich das Studium der Pharmazie vorgeschrieben. Obwohl Juden schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts Medizin und andere Fächer studieren durften, blieb ihnen das Pharmaziestudium noch bis ins späte 19. Jahrhundert verwehrt. Danach stieg die Zahl der jüdischen Pharmaziestudierenden stetig an. Doch Intoleranz und Misstrauen gegenüber Apothekern jüdischen Glaubens war weiterhin weit verbreitet, begleitet von Missgunst wie im Fall des Erwerbs bekannter Berliner Apotheken durch jüdische Pharmazeuten. 

1899 wurden schließlich die ersten Frauen zum Pharmaziestudium zugelassen. Interessant ist die Tatsache, dass sich überproportional viele junge Jüdinnen für ein Pharmaziestudium entschieden. Insbesondere in Berlin war das so. Als Gründe werden angenommen, dass Bildung in jüdischen Familien auch für Mädchen als sehr wichtig erachtet wurde. Diese Tradition und die Aussicht durch ein Pharmaziestudium gute Aufstiegschancen geboten zu bekommen, führte zu den hohen Studierendenzahlen jüdischer Frauen im Fach Pharmazie.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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