Kommentar

Importquote weg, Rabattarzneimittel „Made in Europe“

Berlin - 07.08.2018, 07:00 Uhr

Nicht jedes Arzneimittel aus China ist unsicher oder kontaminiert. Und trotzdem würde es der Versorgung gut tun, wenn man zumindest Teile der Produktion wieder nach Europa zurückholt, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Nicht jedes Arzneimittel aus China ist unsicher oder kontaminiert. Und trotzdem würde es der Versorgung gut tun, wenn man zumindest Teile der Produktion wieder nach Europa zurückholt, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.


Importquote und Probleme im Hochpreiser-Segment

Ähnliches gilt bei den zunehmend auftretenden Fälschungen und illegal importierten Arzneimitteln: Natürlich hat die Politik nicht direkt festgelegt, dass Arzneimittel aus Italien und Griechenland erst nach Litauen verkauft werden, um dann letztendlich an Patienten in Deutschland verabreicht zu werden. Aber mit einer Importquote belebt man eben dieses Geschäft. Hinzu kommt das weiterhin ungelöste Problem der Preisentwicklung im Hochpreiser-Segment: Wenn die Politik den Unternehmen (zumindest zeitlich begrenzt) frei zur Wahl stellt, wie viel ein Arzneimittel kosten darf, muss sie sich nicht wundern, wenn genau diese Präparate auch für den Grau- oder gar den Schwarzmarkt interessant werden.

Insofern wäre es an der Zeit, diese Fehlanreize zurückzuschrauben. Klar ist: Nicht jedes Arzneimittel aus China ist kontaminiert. Aber warum kann die Politik nicht festlegen, dass Unternehmen nur noch an Rabattvertragsausschreibungen teilnehmen dürfen, wenn sie einen gewissen Prozentsatz des jeweiligen Präparates in Europa produzieren und das auch dem Kunden auf der Packung zeigen („Made in Europe“)? Und zur Importquote: Warum hält die Politik eine Regelung aufrecht, die einen Markt belebt, in dem zweifelsfrei viele schwarze Schafe unterwegs sind, die noch dazu dafür sorgt, dass in anderen Ländern Versorgungsengpässe entstehen und deren Sparkraft selbst von der AOK Baden-Württemberg angezweifelt wird?

Eine mögliche Antwort auf diese Fragen ist sicherlich, dass sich kein Bundestagsabgeordneter vorwerfen lassen will, protektionistisch zu handeln. Schnell würde der Vorwurf „Trump-Politik“ im Raume stehen. Das oben genannte Beispiel des Unternehmens Leifeld Metal Spinning zeigt aber, dass die Regierung diesen Mut in anderen Bereichen bereits aufgebracht hat. Denn klar ist: Es gibt wohl keinen Politikbereich, in dem es mehr Sinn ergibt, sich schützend (lat. Protegere = schützen) vor seine Bürgerinnen und Bürger zu stellen als in der Gesundheitspolitik.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Ich kann mir das nicht vorstellen

von Michael Mischer am 07.08.2018 um 12:26 Uhr

Eine Ausschreibung, die die Herkunft des Wirkstoffs aus EU-Produktionsstätten vorschreibt, ist rechtlich sicher nicht ganz einfach - unterstellt sie doch generell, dass außerhalb der EU schlechtere Qualität produziert wird. Trotz entsprechender Zertifikate, Inspektionen durch die Behörden und obwohl ja auch in der EU Mängel festgestellt werden.

Daher ja das häufige Argument, man müsse einfach die GKV-Preise für Rabattarzneimittel erhöhen um die Unternehmen von dem ökonomischen Druck zu befreien, in Billiglohnländern produzieren zu lassen. Aber auch das überzeugt nicht - wenn ich die Preise erhöhe, führt das doch nur zu mehr Gewinn - warum sollte ich den ohne Not wieder reduzieren indem ich meine Kosten erhöhe. Allein der Druck eines Wirtschaftsunternehmens, seinen Gewinn zu erhöhen, führt doch zur Verlagerung von Produktionsstätten - bei Arzneimitteln wie bei Autos, Druckmaschinen, etc.

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AW: Ich kann mir das nicht vorstellen

von Kritiker am 07.08.2018 um 15:53 Uhr

Nach vielen gefälschten Bioäquivalenzstudien aus Indien sollten Vorbehalte gegen nicht in Deutschland hergestellte Medikamente nachvollziebar sein.

Wenn nicht in Deutschland hergestellte Medikamente bzw Wirkstoffe, dann nur mit deutschen Bioäquivalenzstudien, Gutachten, Analysen, für deren Richtigkeit für die deutsche Justiz greifbare Personen und Gesellschaften persönlich haften.

Importe und Rabattartikel —weg!!

von Heiko Barz am 07.08.2018 um 12:00 Uhr

Dass es nun 15 Jahre gedauert hat, um festzustellen, ein Preisdumping ist keine Meßbare Garantie für Qualität. Beim AOK-Hermann ist zwar diese Erkenntnis im Bereich der Importe gereift, nur schlägt er ja weiterhin Alles nieder, was Rabattarznei in Frage stellt. Vielleicht dauert es ja wieder 15 Jahre bis auch diese Qualitätsvernichter merken, welchen Schaden sie am Patienten verursacht haben.
Nun, denen wird das egal sein, mit dem Argument, unsere Aufgabe war, die AM-Preise zum „Wohle“ des Patienten auch teilweise irrational zu senken.
Die „Erfolge“ dieser verantwortungslosen und hochdotierten KKassen-Vorstände werden nun schrittweise deutlich und ein Umdenken wird durch die neuen „Gebietslose“ (was für eine Wortfindung?) für die neuen noch umfangreicheren Industrierabatte mehr als ad absurdum geführt.
Nichts gelernt, nichts Begriffen setzen 6, abtreten! aber leider ohne jede Möglichkeit des Belangens.
Wahrscheinlich muß wesentlich Schlimmeres passieren, um die politische Garde auf einen für die Patienten auskömmlichen Weg zu führen.
Zum Wohle des Deutschen Volkes — auch als Abgeordneter?
Wie formulierte der Kabarettist Dieter Hildebrand einmal:
....“politisch bedingte Eide“...was die wohl wehrt seien?

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AW: Importe und Rabattartikel —weg

von Heiko Barz am 07.08.2018 um 17:15 Uhr

......was die wohl wert !! seien.....?

Rabatt Made in Germany

von Peter Harma am 07.08.2018 um 10:21 Uhr

Richtig so! Die Produktionsstandorte von Firmen mit Rabattarzneimitteln sollte nicht nur teilweise, sondern gänzlich zurück in die EU verlagert werden. Warum nicht gleich direkt nach Deutschland? Die Umsetzung sollte für die Pharmafirmen ja nicht besonders schmerzhaft sein, die mit Milliarden-Umsätzen und einer enormen Profitabilität von mehr als 25 Prozent faktisch im Geld schwimmen. Ließe sich sogar kommunikativ für die Firmen nutzen: Neue Arbeitsplätze, nachhaltiges Wirtschaften, Umweltstandards. Also ran an den Speck, liebe Stakeholder!

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Handlungsbedarf

von Kritiker am 07.08.2018 um 8:57 Uhr

Momentan schaut es leider nicht danach aus, dass der Fall des mit NDMA kontaminierten Valsartan von Huahai die dt Bundesregierung zu grundlegenden Reformen veranlassen wird.

Neben notwendigen Reformen wie Beseitigung von Fehlanreizen im unteren und oberen Preissegment, Einführung wirksamer Kontrollen, Schaffung von Transparenz der Produktionskette, Einführung und Vollstreckung hoher Strafen für Fehlverhalten juristischer und natürlicher Personen, Förderung der lokalen Apotheken, Anreize für Pharmaunternehmen zur Produktion in Deutschland etc, die alle bestenfalls mittelfristig greifen können, falls es überhaupt zu ihnen kommt, ist Wiederherstellung bzw Schaffung von Vertrauen in die Medikamentensicherheit auf Patientenseite dringendst erforderlich.

Seit dem Valsartan Rückruf wurde ich von Menschen aus meinem sozialen Umfeld mehrmals in dieser Thematik angesprochen, da sie in konkreten Fällen von lokalen Apotheken keine befriedigenden Auskünfte erhalten konnten bzw sich von ihren ÄrztInnen und Krankenkassen ignoriert bzw als Nutzvieh behandelt fühlten. Gesucht werden zum Beispiel sichere Ramiprilpräparate und allgemein in Deutschland mit in Deutschland hergestellten Wirkstoffen hergestellte Blutdrucksenker der Typen ACE Hemmer und AT1 Antagonist sowie in Deutschland hergestellte Ibuprofen Präparate mit in den USA hergestelltem Wirkstoff und andere Medikamente. Für sehr bedenklich halte ich, dass PatientInnen mittlerweile Branchenfremden wie mir mehr vertrauen als ihren behandelnden ÄrztInnen und den von ApothekerInnen erhaltenen Auskünften.

Nachweislich sichere Medikamente oder wenigstens in Deutschland gefertigte Medikamente mit in Deutschland hergestellten Wirkstoffen müssen aufgelistet werden, damit die betroffenen Patientinnen sich diese gezielt verordnen lassen können. Falls die jeweiligen ÄrztInnen sich weigern sollten, ist über ÄrztInnenWechsel nachzudenken.

Bei Privatversicherten bzw SelbstzahlerInnen sollte Verordnung sicherer Medikamente kein Problem darstellen. Für KassenPatientInnen stellt sich hingegen die Frage, ob ÄrztInnen den aut idem Vermerk mit Begründungen wie beispielsweise fragliche Arzneimittelsicherheit oder Befürchtung mangelnder Compliance oder Nocebo Effekt rechtfertigen können, ohne von den Krankenkassen in Regress genommen zu werden.

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