NDMA in Valsartan

EMA schätzt: Ein zusätzlicher Krebsfall pro 5000 Patienten 

Stuttgart - 02.08.2018, 17:45 Uhr

Die EMA hat sich zum Valsartan-Fall am 2. August erneut geäußert und benennt das Patienten-Risiko mit geschätzten Zahlen. ( r/ Foto: Matt Crossick / imago)

Die EMA hat sich zum Valsartan-Fall am 2. August erneut geäußert und benennt das Patienten-Risiko mit geschätzten Zahlen. ( r/ Foto: Matt Crossick / imago)


Welches Risiko geht vom NDMA im Valsartan des chinesischen Wirkstoffherstellers Zhejiang Huahai Pharmaceuticals aus? Nach der FDA nennt seit heute auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA Zahlen. Pro 5000 Patienten, die die betroffenen Präparate in der 320-mg-Dosierung über sieben Jahre täglich eingenommen haben, könnte einer vorläufigen Auswertung zufolge ein zusätzlicher Krebsfall auftreten. Die gute Nachricht: Außer Valsartan soll kein weiterer Wirkstoff dieses Herstellers von der Verunreinigung betroffen sein.

Dem NDMA-Risiko einen Namen gab vergangene Woche als erste Institution die Arzneimittelkommission der Apotheker (AMK). In einer vorläufigen Stellungnahme, auf Basis der vom ZL in Stichproben gemessenen Werte und der daraus resultierenden Abschätzung der maximalen täglichen Belastung, hat die AMK einen Risikoscore, den sogenannten Margin of Exposure, ermittelt, dessen Höhe als besorgniserregend einzustufen sei, wie es hieß. 

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Ebenfalls noch in der vergangenen Woche äußerte sich dann auch die FDA, die US-amerikanische Arzneimittelbehörde, zu dem Thema und nahm eine Risikoeinschätzung mit weniger abstrakten Zahlen vor als die AMK. Den Schätzungen der FDA-Wissenschaftler zufolge tritt bei 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren täglich 320 mg des verunreinigten Valsartans eingenommen haben, ein zusätzlicher Krebsfall auf.

Neue Stellungnahme der EMA

In ihrer heutigen Stellungnahme schreibt nun auch die EMA, dass NDMA sowohl in manchen Lebensmitteln als auch in Wasser vorkommen kann, jedoch voraussichtlich keinen Schaden verursacht, wenn es in sehr geringen Mengen aufgenommen wird. Bezüglich des NDMA-Risikos in den zurückgerufenen Valsartan-Präparaten schätzt nun die EMA das Risiko auf Basis vorläufiger Auswertungen wie folgt ein: Es könnte zu einem zusätzlichen Krebsfall pro 5000 betroffenen Patienten kommen, die über sieben Jahre täglich das verunreinigte Valsartan in der (höchsten) 320-mg-Dosierung eingenommen haben. 

Kein „unmittelbares“ Risiko und keine weiteren Wirkstoffe betroffen

Die EMA stützt diese Schätzung auf Durchschnittswerte der Verunreingung, die im Valsartan von Zhejiang Huahai Pharmaceuticals (60 parts per million) gefunden wurden. Das mögliche Krebsrisiko wurde wiederum von Tierstudien ausgehend extrapoliert und solle im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Risiko im Leben an Krebs zu erkranken betrachtet werden. Außerdem solle man auch die NDMA-Exposition durch andere Quellen bedenken. Die vorläufige Schätzung der EMA geht davon aus, dass die NDMA-Menge im Wirkstoff der Menge in den fertigen Präparaten entspricht. Konkrete Zahlen über die tatsächliche NDMA-Menge in den Endprodukten liegen somit immer noch nicht vor. Der Zeitplan des EMA-Verfahrens kann im Internet eingesehen werden.

Weiterhin weist die EMA darauf hin, dass kein unmittelbares Risiko für die Patienten bestehe. Patienten sollten zwar von Valsartan zu einem anderen Präparat wechseln, wer dies aber noch nicht getan hat, sollte Valsartan nicht einfach absetzen, ehe er nicht ein Ersatzpräparat erhalten hat. Laut EMA sollen in der EU mehrere Valsartan-Präparate, die nicht vom Rückruf betroffen sind, weiterhin erhältlich sein. Alle verunreinigten Valsartane von Zhejiang Huahai Pharmaceuticals wurden EU-weit zurückgerufen.

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Die EMA beschreibt NDMA immer noch als „unerwartete“ (unexpected) Verunreinigung.  Man „glaube“ (believed to), dass sie als Nebenprodukt entstanden ist, nachdem Zhejiang Huahai 2012 Änderungen im Produktionsprozess vorgenommen hat. Jedoch seien keine anderen Wirkstoffe aus der Produktion von Zhejiang Huahai von der Verunreinigung betroffen. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

nachweislich sichere Medikamente

von Kritiker am 05.08.2018 um 8:04 Uhr

BTW, gestern ergab sich im Bekanntenkreis die Frage nach einem nachweislich sicheren Ramipril-Präparat. Zentiva stellt Delix vermutlich nicht in Deutschland her. Über die Hersteller von Wirkstoff und Hilfsstoffen macht Zentiva gegenüber dem Nutzvieh Patient angeblich keine Angaben. Ist bei anderen Marken die Situation besser?

Nachweislich sichere Medikamente müssten aufgelistet werden, damit die betroffenen Patientinnen sich diese gezielt verordnen lassen können. Falls die jeweiligen ÄrztInnen sich weigern sollten, ist über ÄrztInnenWechsel nachzudenken.

Bei Privatversicherten bzw SelbstzahlerInnen sollte Verordnung sicherer Medikamente kein Problem darstellen. Für KassenPatientInnen stellt sich hingegen die Frage, ob ÄrztInnen den aut idem Vermerk mit Begründungen wie beispielsweise fragliche Arzneimittelsicherheit oder Befürchtung mangelnder Compliance oder Nocebo Effekt rechtfertigen können, ohne von den Krankenkassen in Regress genommen zu werden.

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Spitze des Eisbergs?

von Kritiker am 03.08.2018 um 11:28 Uhr

Aus meiner Sicht als Kunde lokaler und versendender deutscher Apotheken. Alter Mitte 50, kein Einsatz von Blutdrucksenkern im Haushalt, Einsatz von Blutdrucksenkern im Umfeld, gehobene Bildung, politisch links.

Leider drängt sich die Befürchtung auf, die öffentlich bekannte NDMA Belastung eines Sartans eines Herstellers könnte lediglich die Spitze des Eisbergs schadstoffbelasteter/unsicherer Medikamente auf dem deutschen Markt darstellen, da Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln ohne umfassende Analysen nicht überprüfbar sind.

Sartane und andere Wirkstoffe anderer Hersteller können ebenfalls mit Schadstoffen belastet sein.

Was ist, wenn andere Sartane ebenfalls mit NDMA kontaminiert sind? Was ist, wenn ACE Hemmer mit was auch immer kontaminiert sind? Ist wenigstens Chlortalidon sicher?

Die mutmassliche Praxis der Behörden und Unternehmen, so wenig wie möglich Informationen herauszugeben, verunsichert die Bevölkerung.

Die Apotheken dürfen zur Zeit ausbaden, was ihnen Politik, Pharmaindustrie und Krankenkassen einbrockten.

Der aktuelle Missstand stellt Produkt von Deregulierung und Globalisierung dar.

Es ist nicht mit strenger Regulierung und Kontrolle des Pharmasektors und konsequenter Ahndung und strenger Bestrafung von Verstößen und Beseitigung wirtschaftlicher Anreize für Pfusch und Betrug getan.

Schaffung von Transparenz ist ebenso wichtig.

Auch Apotheken tappen im Alltag weitgehend im Dunkel.

Beispiel:

Auf meine Frage nach dem beste pharmazeutische Qualität und schnellste Wirksamkeit aufweisenden Ibuprofen Präparat erhielt ich von Apothekerinnen und Apothekern bisher die Antworten Dolormin Extra, Neuralgin Lysin, Ibuflam Lysin, Eudorlin Extra und Ibu Lysin Ratiopharm.

Bei PubMed fand ich keine neutralen Studien zum Thema. Internetsuche lieferte mir IMO methodologisch fragwürdige, von Herstellen finanzierte Studien und von Herstellen finanzierte Bioäquivalenzstudien, nach denen keine wesentlichen Unterschiede bestehen.

Für einen Teil dieser Präparate ist nicht öffentlich bekannt, wo bzw von welchen Auftragsfertigern sie hergestellt werden.

Über die pharmazeutische Qualität der bei den genannten Marken zum Einsatz kommenen Wirkstoffe ist ebenfalls nichts öffentlich bekannt. Made in China bzw India kann sowohl schadstoffbelasteter Ramsch als auch gute Qualität bedeuten.

Somit bin ich nach Befragung von Apothekerinnen und Apothekern und nach eigener Recherche keinen Schritt weiter. Nach den Eindrücken meiner Partnerin und nach meinen Eindrücken wirkt Dolormin Extra nicht schneller als Ibu Lysin Ratiopharm. Wir kaufen Dolormin Extra, weil wir hoffen, dort sind am wenigsten Schadstoffe drin.

Es muss für die Medikamente einnehmenden Menschen nachvollziehbar sein, wo und von welchem Unternehmen das jeweilige Medikament hergestellt und von welchen Unternehmen alle Wirk- und Hilfstoffe hergestellt wurden.

Weder die politische Mitte noch Wirtschaftsliberale und Rechte scheinen ernsthaft an der Beseitigung der Missstände interessiert zu sein.

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AW: Spitze des Eisbergs

von Heiko Barz am 03.08.2018 um 12:58 Uhr

Und Sie meinen, die politische „Linke“ ist ernsthaft geneigt, diese Mißstände zu ändern? Dann fragen Sie doch mal Schulz-Asche und Dittmer, wem wir diesen aufgedeckten Mißstand letztlich zu verdanken haben. „Biggi“ Bender und Ulla Schmidt ( Links genug?) haben uns dieses Debakel beschert. Wenn es nach deren Gedankengut gegangen wäre, dann gäbe es heute die mit ihren sozialbedingten Maßnahmen beladenen Vor-Ort Apotheken gar nicht mehr.
Wir haben vor 15 Jahren davor gewarnt -aus Kostengründen - die Arzneimittelproduktion nach Indien, China und Indonesien zu verlagern. Es würde nicht wundern, wenn noch ganz andere noch nicht bekannte Verunreinigungen existieren.

AW: Spitze des Eisbergs

von Kritiker am 03.08.2018 um 14:07 Uhr

@Heiko Barz

SPD und Grüne sind keine linken Parteien. Die SPD war schon immer die Verräterpartei. Die Grünen wurden in ihrer Machtgier zu einer neoliberale Politik tragenden Partei mit Ökoanstrich.

Die CDU erwies sich als lernresistent. Mit Umsetzung des Ahlener Programms hätte sich die CDU zu einer fortschrittlichen Partei wandeln können.

Für SPD, Grüne, Union, FDP sind die Interessen von Kapitalgesellschaften und globaler Oberschicht schützenswerter als die Interessen der Mittelschicht und Werte wie Gesundheit der breiten Bevölkerung und Arzneimittelsicherheit. Und über die Nazis erübrigt sich jeder Kommentar.





Was bedeutet das?

von Ichhabeaberpanik am 03.08.2018 um 0:43 Uhr

"Die vorläufige Schätzung der EMA geht davon aus, dass die NDMA-Menge im Wirkstoff der Menge in den fertigen Präparaten entspricht"

Was bedeutet das? Könnte die Menge in den fertigen Präparaten etwa NOCH HÖHER ausfallen?

Ich bin mit den Neven am Ende. Eine Zumutung ist das! Schön, dass man sich in Deutschland nicht auf die Sicherheit der Medikamente verlassen kann und sich die Betroffenen jetzt den Rest ihres Lebens fragen müssen ob und wann sie denn Krebs bekommen!

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EMA + FDA

von Bernd Küsgens am 02.08.2018 um 19:43 Uhr

Beide Äußerungen sind unseriös und führen nur zur Verunsicherung der Patienten.

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Keine Panik !!

von Bernd Küsgens am 02.08.2018 um 19:39 Uhr

Bitte verfallen Sie nicht in Panik. Bisher weiß man weder seit wann die Verunreinigung beim Hersteller gefunden wurde, noch weiß man welche Mengen in den Arzneimitteln enthalten waren. Alles was wir bisher wissen ist das es die Verunreinigung gibt. Wer jetzt behauptet, er könne valide Aussagen machen, ist ein unseriöser Spekulant. Gehen Sie zu Ihrem Apotheker und lassen Sie sich beraten.

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Bezug des Wirkstoffs vom Hersteller -wie lange schon?

von Betroffene Patientin am 02.08.2018 um 18:29 Uhr

Wie lange beziehen denn die einzelnen Valsartan-Hersteller den Wirkstoff schon vom besagten Hersteller. Ich konnte noch nirgendwo eine Aussage dazu finden. Wirklich alle seit 2012 und länger? Normalerweise gibt es doch bei Pharmaherstellern nicht unbedingt Verträge über 6 Jahre + x
Kann man dazu vielleicht mal eine Stellungnahme der einzelnen Hersteller lesen? Ich bin selbst Betroffene und wüsste gerne ob ich mir auch Gedanken machen muss wenn ich z. B. 2014 Valsartan vom Hersteller xy erhalten habe oder ob die Chance besteht das hier noch ein Wirkstoff von einem anderen Hersteller bezogen wurde.
Und übrigens ich bin als Patient sehr wohl in Panik verfallen und die Panik bzw. Angst kann auch nicht mit irgendwelchen Verharmlosungen wieder beseitigt werden.

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AW: Bezug des Wirkstoffs vom Hersteller -wie

von Clodo am 02.09.2018 um 22:56 Uhr

Wenn Sie über 6 Jahre täglich die maximale Dosis 320mg Valsartan genommen haben erhöht sich das krebsrisiko um 0.02%. Wenn Sie weniger eingenommen haben dann um weniger. Das heißt auch Wenn sie für 6 Jahre nur verunreinigtes Medikament genommen haben werden Sie zu 99.98% Wahrscheinlichkeit aus irgendeinem anderen Grund irgendwann (ich hoffe bis dahin sind es noch viele viele Jahre) sterben.

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