PUMA: Slenyto und Kigabeq

Zulassungsempfehlung für Melatonin und Vigabatrin speziell für Kinder

Stuttgart - 01.08.2018, 09:00 Uhr

Schlafstörungen treten laut EMA bei Kindern mit Entwicklungsstörungen häufig auf. Aktuell gibt es aber noch keine zugelassenen Arzneimittel, um Insomnie bei Kindern zu behandeln. (c / Foto: denys_kuvaiev / stock.adobe.com)

Schlafstörungen treten laut EMA bei Kindern mit Entwicklungsstörungen häufig auf. Aktuell gibt es aber noch keine zugelassenen Arzneimittel, um Insomnie bei Kindern zu behandeln. (c / Foto: denys_kuvaiev / stock.adobe.com)


Der Humanarzneimittelausschuss der EMA empfiehlt, sowohl Vigabatrin als auch Melatonin speziell für Kinder zuzulassen. Das Melatonin mit dem Markennamen Slenyto® soll bei Kindern mit Entwicklungsstörungen ab zwei Jahren eingesetzt werden, wenn diese an Schlafstörungen leiden. Unter dem Namen Kigabeq® soll das Antiepileptikum Vigabatrin zugelassen werden. Es soll beim seltenen West-Syndrom, auch bekannt als Blitz-Nick-Salaam-Epilepsie, angewendet werden. Neu sind die beiden Wirkstoffe nicht, wohl aber ihre kinderfreundlichen Darreichungsformen.

Vergangenen Freitag hat der Humanarzneimittelausschuss (CHMP) der EMA (European Medicines Agency) zwei neue pädiatrische Zulassungen empfohlen – sogenannte PUMAs (paediatric-use marketing authorisations). PUMA ist eine recht neue Form der Arzneimittelzulassung, sozusagen eine zusätzliche Genehmigung, die für jedes Arzneimittel erteilt werden kann, das bereits für Erwachsene zugelassen ist. Die weitere Zulassung wird dabei ausschließlich für die Verwendung in der pädiatrischen Population beantragt. Diese Genehmigung kann für alle pädiatrischen Indikationen in allen oder bestimmten Altersgruppen und für die Entwicklung von kindgerechten Darreichungsformen erteilt werden.

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Das PUMA-Konzept zielt darauf ab, die Erforschung von bereits bestehenden Arzneimitteln in Kinderindikationen zu fördern – indem man den Medikamenten nach Zulassung zehn Jahre Marktschutz gewährt.

Melatonin in extra kleinen Tabletten

Schlafstörungen treten laut EMA bei Kindern mit Entwicklungsstörungen häufig auf, und sind oft schwer zu therapieren. Aktuell gibt es keine zugelassenen Arzneimittel, um Insomnie bei Kindern zu behandeln. Gleichzeitig seien in der Praxis aber häufig entsprechende Medikamente off-Label zum Einsatz gekommen – auch Melatonin (Circadin®). Deshalb wurde Slenyto® (RAD Neurim Pharmaceuticals EEC Ltd) speziell für Kinder in einer altersgerechten Darreichungsform entwickelt: kleine Tabletten mit 1 mg oder 5 mg Dosierung und verzögerter Freisetzung. Eine klinische Studie liefert laut EMA entsprechende wissenschaftliche Daten zu Wirksamkeit und Verträglichkeit in der pädiatrischen Population. Die Schlafqualität soll sich durch Melatonin insgesamt verbessern: allgemein verlängerte Schlafdauer, schnelleres Einschlafen, weniger Schlafunterbrechungen. Als Nebenwirkungen traten in der klinischen Studie vor allem Somnolenz, Kopfschmerzen und Fatigue auf.

Slenyto® soll in Zukunft zur Behandlung der Insomnie bei Kindern ab zwei Jahren zum Einsatz kommen, wenn diese zum Beispiel autistisch sind und/oder am Smith-Magenis-Syndrom leiden (eine Störung mit eine Vielzahl an Merkmalen wie intellektuelle Einschränkungen, verzögerte Sprech- und Sprachentwicklung, charakteristische faziale Merkmale, Schlaf- und Verhaltensprobleme).

Vigabatrin zum Auflösen: Tabletten statt Granulat

Das West-Syndrom ist eine seltene, aber schwere Form der Epilepsie. Unter dem West-Syndrom, auch bekannt als BNS-Epilepsie (Blitz-Nick-Salaam), versteht man das Auftreten serieller epileptischer Spasmen mit symmetrischen oder asymmetrischen Beuge-, Streck- oder Beuge-Streckspasmen bei Kindern unter zwei Jahren. In dieser Indikation und bei Kindern im Lebensalter von einem Monat bis sieben Jahre, die an resistenter fokaler Epilepsie leiden, soll Kigabeq® (Orphelia Pharma SAS) mit dem Wirkstoff Vigabatrin in Zukunft zum Einsatz kommen.

Erstmals zugelassen wurde das Antiepileptikum Vigabatrin laut EMA schon vor fast 30 Jahren (Sabril®). Üblicherweise kommt es bei Erwachsenen und auch bei Kindern zum Einsatz – vor allem bei Formen der Epilepsie, die schwer behandelbar sind. Aktuell ist Vigabatrin aber nur mit der Stärke 500 mg als Filmtablette und als Granulat zur Herstellung oraler Lösungen auf dem EU-Markt. Damit diese bei Kindern zum Einsatz kommen können, muss die entsprechende Dosis abgeteilt und gelöst werden.

Um etwaige Dosierfehler zu vermeiden, hat die EMA nun für Vigabatrin eine PUMA empfohlen. Kigabeq® soll in Zukunft als lösliche Tablette erhältlich sein: Mit 100 mg oder 500 mg Vigabatrin pro Tablette, soll sich die Dosis in weiteren 50-mg-Schritten teilen und so an das Körpergewicht anpassen lassen. Die Lösung lässt sich dann oral oder via nasogastraler Sonde applizieren. Das Sicherheitsprofil von Vigabatrin ist laut EMA gut bekannt. Am häufigsten treten Gesichtsfeldeinschränkungen, Somnolenz, Unruhe und Erregung als Nebenwirkungen auf.

Über die Zulassung der beiden Kinderarzneimittel entscheidet letztendlich die EU-Kommission.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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