Welt-Hepatitis-Tag 2018

Dunkelziffer ist das Problem bei Hepatitis C

Stuttgart - 28.07.2018, 10:00 Uhr

Ein intensiveres Screening auf Hepatitis C soll helfen, die Infektionserkrankung auszurotten. (b / Foto: Leberhilfe.org)

Ein intensiveres Screening auf Hepatitis C soll helfen, die Infektionserkrankung auszurotten. (b / Foto: Leberhilfe.org)


Hepatitis C ist heilbar. Allerdings wirken die neuen Antiviralia nur, wenn Patienten sie zuverlässig einnehmen – und wenn der Patient überhaupt weiß, dass er sie nehmen sollte, weil er mit Hepatitis C infiziert ist. Dass das WHO-Ziel, Hepatitis C bis 2030 auszurotten, nicht erreicht wird, liegt an der hohen Dunkelziffer.

„Findet die fehlenden Millionen“ – bei jeder Samstagabend TV-Show ist das ein anspornendes Ziel. Doch dieses Ziel ist auch in einem anderen Zusammenhang sinnvoll. Es ist das Motto des diesjährigen Welt-Hepatitis-Tages am 28. Juli. Es geht konkret um Hepatitis C. Stellte die Virusinfektion Ärzte und Patienten bis vor Jahren (2014) noch vor die Aussicht einer nebenwirkungsreichen Therapie mit Interferon und Ribavirin, hat sich dieses Szenario mittlerweile gewandelt. Hepatitis C ist heute öfter und einfacher heilbar, dank neuer Wirkstoffe und deren Kombinationen.

Die neuen antiviralen Arzneimittel sind derart potent, dass Entwicklungsprogramme für weitere neue Wirkstoffe, auch in bereits fortgeschrittenem Stadium abgebrochen werden, das erklärte Professor Eckart Schott, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 2 (Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie) der Helios-Klinik Emil-von-Behring in Berlin, beim Pharmacon 2018 in Meran. Für neue Substanzen sei schlicht derzeit kein Platz im Markt.

WHO wollte Hepatitis C bis 2030 ausrotten

Allerdings verfehlt die WHO dennoch ihr ambitioniertes Ziel, Hepatitis C bis 2030 weltweit zu eradizieren. 2016 hatten sich 194 Länder darauf verständigt. Warum wird es wohl nicht gelingen, Hepatitis C trotz potenter Arzneimittel zu eliminieren? Das Problem liegt in der Unkenntnis: Millionen Menschen wissen schlicht nicht, dass sie das Virus in sich tragen, behandelt werden könnten oder vielmehr müssten. Noch immer sterben 400.000 Patienten pro Jahr an den Folgen einer Hepatitis-C-Infektion – obwohl diese heilbar ist.

Deutschland nicht „on track“ beim WHO-Ziel

Auch Deutschland übernimmt wohl keine Vorreiterrolle mehr im Kampf gegen Hepatitis C. Es gehört nicht mehr zu den Ländern, die „on track“ beim WHO-Plan sind, die Virusinfektion bis 2030 zu beseitigen. Derzeit zählen Australien, Ägypten, Frankreich, Georgien, Island, Japan, die Niederlande, Italien, Spanien, Schweiz, Großbritannien und die Mongolei dazu. Warum fehlt Deutschland? Die Antwort ist zunächst einfach – hierzulande sind viele Patienten bereits therapiert, folglich sinken die Behandlungsraten.

Behandlungsraten sinken, da viele Patienten in Deutschland bereits therapiert sind

Joachim Kautz, der frühere Geschäftsführer der Deutschen Leberhilfe e.V. und Gründungsmitglied der World Hepatitis Alliance (WHA), spricht in einem Interview mit Pharma Fakten von „hohen Behandlungsraten“ und somit auch „recht hohen Heilungsraten“ bei Hepatitis C in Deutschland während der vergangenen Jahre. So wurden 2016 etwa 24.000 Patienten behandelt, 2017 noch 17.000 und in diesem Jahr schätzt der Experte Zahl der Behandelten auf 14.000 Patienten.

Deutschland muss mehr screenen

Dennoch gehen Experten auch hier von einer hohen Dunkelziffer von Hepatitis-C-Infizierten aus. Professor Sarrazin, derzeitiger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberhilfe e.V. und Direktor des Zentrums Innere Medizin am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, schätzt 100.000 bis 200.000 Hepatitis-C-Infizierte in Deutschland, von denen die Hälfte von ihrer Infektion nichts weiß. Wie also findet man die fehlenden Hepatitis-C-Infizierten? Deutschland müsste intensiver screenen, um die Behandlungsrate zu halten. Allerdings gibt es kein allgemeines Screening hierzulande. Nach wie vor zählen zu den Risikogruppen einer Hepatitis-C-Infektion ehemalige oder aktuell noch injizierende Drogenkonsumenten, Gefängnisinsassen und Homosexuelle. 

Politischer Wille fehlt im Kampf gegen Hepatitis C

Ein solches Screening fände Sarrazin jedoch sinnvoll. In einem Interview anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages schlägt er ein „allgemeines Screening in der Bevölkerung zum Beispiel von Risikopatienten mit einer entsprechenden Vergütung“ vor. Bei der Vergütung sieht Sarrazin den G-BA in der Pflicht. Dieser sollte dies mutig entscheiden. 

Zwar hat auch die deutsche Bundesregierung eine Strategie beschlossen mit dem Ziel, HIV, Hepatitis B und C sowie andere sexuell übertragbare Infektionen bis 2030 erfolgreich zu bekämpfen: BIS-2030. Das steht für „Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorenübergreifend“. Doch geht Sarrazin davon aus, dass BIS-2030 nicht reicht, um das WHO-Ziel zu schaffen. Der Hepatitis-Experte appelliert an die Politik: „Entscheidend ist der politische Wille". Es müssten ähnliche Aktivitäten gestartet werden im Kampf gegen Hepatitis wie in den 80er Jahren die Kampagne „Gib AIDS keine Chance". Dann würden sowohl die Erkrankung als auch die Behandlungsmöglichkeiten verstärkt in das Bewusstsein der gesamten Bevölkerung gelangen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Korrekturanmerkung: Heilungen der Hepatitis C gab es auch schon früher

von Ingo van Thiel am 30.07.2018 um 9:44 Uhr

Zitat: "Stellte die Virusinfektion Ärzte und Patienten bis vor Jahren (2014) noch vor die Aussicht einer lebenslangen Therapie mit Interferon und Ribavirin, weil die sie nicht heilbar war, hat sich dieses Szenario mittlerweile um 180 Grad gewandelt. "
Das ist so nicht richtig; hier scheint eine Verwechslung chronischer Hepatitis B vorzuliegen, wo die Therapien (Tabletten mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga) tatsächlich nicht heilend und über viele Jahre bis lebenslang sind.
Anders bei den damaligen Interferon/Ribavirin-Therapien gegenHepatitis C: Diese dauerten in der Regel 24 bis 48 Wochen und waren niemals lebenslänglich (das hätte auch keiner durchgehalten). Im Erfolgsfall waren auch die Interferon/Ribavirin-Therapien genauso heilend wie die heutigen antiviralen Therapien. Heilung bei Hepatitis C wird so definiert, dass die HCV-RNA (das Virusmaterial) 3 bzw. 6 Monate nach Therapieende weiterhin negativ ist. Dies war auch damals schon das Ziel. Wer mit den alten Interferontherapien Erfolg hatte, ist heute genauso geheilt und endgültig virusfrei wie Patienten, welche die neuen Medikamente erhalten haben.
Das Problem von Interferon und Ribavirin war ein anderes: Erstens waren diese Therapien für ihre Nebenwirkungen berüchtigt (z.B. Grippesymptome, Depressionen, Blutbildveränderungen, Schilddrüsen- und Hautprobleme, leichter Haarausfall und viele andere), zweitens konnten sie nur einen Teil der Patienten heilen (Anfangs 10%, später bis zu 50%, im Zeitalter der Dreifachtherapien mit Proteasehemmern noch mehr), drittens waren sie aufgrund von Kontraindikationen bei vielen Patienten nicht oder nur eingeschränkt möglich (z.B. bei schweren Depressionen, dekompensierter Zirrhose etc.).
Die Revolution ist NICHT, dass eine angeblich "unheilbare" Infektion heilbar wurde. Die Revolution ist, dass die Heilung heute viel öfter und viel einfacher erreicht wird als früher.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo van Thiel
Redaktion
Deutsche Leberhilfe e.V.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Korrekturanmerkung: Heilungen der

von Celine Müller am 30.07.2018 um 10:12 Uhr

Sehr geehrter Herr van Thiel,

herzlichen Dank für Ihre aufmerksame Lektüre. Das war in der Tat etwas unglücklich formuliert, ich habe den Abschnitt entsprechend angepasst.

Herzlichen Gruß

Celine Müller

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