Datenklau-Verfahren

Gegenständliches Nichts vs. Verschwörungstheorien

Berlin - 27.07.2018, 15:00 Uhr

Vor dem Landgericht streiten sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft weiterhin darum, ob ein IT-Experte und Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz illegal mit Daten gehandelt haben oder nicht. (jb / Foto: Imago)

Vor dem Landgericht streiten sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft weiterhin darum, ob ein IT-Experte und Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz illegal mit Daten gehandelt haben oder nicht. (jb / Foto: Imago)


Das sogenannte Datenklau-Verfahren vor dem Landgericht Berlin kommt und kommt nicht voran. Auch am heutigen 22. Verhandlungstag waren die Fronten zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft verhärtet: Die Verteidiger des ehemaligen ABDA-Sprechers Thomas Bellartz flehten das Gericht förmlich an, endlich Auskunft darüber zu geben, was ihrem Mandanten eigentlich vorgeworfen wird. Richter und Staatsanwalt antworteten kühl, dass diese Diskussion zu nichts führe.

Immer noch wird vor dem Landgericht Berlin im sogenannten Datenklau-Prozess verhandelt. Dem ehemaligen ABDA-Sprecher und Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz wird vorgeworfen, den IT-Spezialisten Christoph H. dafür bezahlt zu haben, Mails mit politisch brisanten Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium – in dem er damals als externer IT-Techniker beschäftigt war – abzuzweigen. Das Verfahren wurde mit mehrjähriger Verspätung initiiert und auch vor Gericht zieht sich der Prozess nun schon seit mehreren Monaten ohne konkretes Ergebnis hin.

Am heutigen Freitag kamen die Parteien erneut vor dem Gericht zusammen. Die Verteidigung verlas mehrere Anträge und Erklärungen. Schon seit Wochen konzentriert sich insbesondere Bellartz‘ Verteidiger Carsten Wegner in seiner Strategie auf die Qualität der Ermittlungen der Polizei. Während der laufenden Hauptverhandlung tauchten immer wieder neue Dokumente auf, der Kriminaloberkommissar reichte inzwischen mehr als 1000 E-Mails nach. Die Verteidiger hatten deshalb schon mehrfach beantragt, das Verfahren auszusetzen und sogar einzustellen. Beim letzten Prozesstag Mitte Juli musste der Ermittler zudem einige Erinnerungslücken einräumen: In einer früheren Vernehmung hatte er ausgesagt, gegen die ABDA sei nicht ermittelt worden – jedenfalls nicht von ihm. Allerdings liefen an anderer Stelle Ermittlungen wegen Untreueverdachts, die später eingestellt wurden.

Verteidigung: Polizist hat bewusst falsch ausgesagt

Bellartz‘ Anwalt Wegner attackierte die Arbeit des Polizisten am heutigen Freitag erneut. Er habe „objektiv falsch ausgesagt“, mehrfach mit Pressevertretern gesprochen und Akten unvollständig geführt. Wegner geht davon aus, dass diese „Probleme bei der Berliner Polizei“ kein Zufall mehr seien. Er nehme an, dass bei den Ermittlern auch „ganz gezielt“ Daten gelöscht worden seien. Deswegen wundere er sich, dass die Staatsanwaltschaft keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Ermittler aufgenommen habe. Auch die Staatsanwaltschaft selbst attackierte Wegner immer wieder, weil durch diese angeblich Informationen an Journalisten „durchgesteckt“ worden seien. Er zog auch Parallelen zum Fall Anis Amri: Hier habe ein Staatsanwalt ebenfalls Infos an die Medien weitergegeben. Der Vergleich hat einen Grund: Dr. Holger Brocke, der derzeit die Urlaubsvertretung von Staatsanwalt Roland Hennicke in diesem Prozess übernommen hat, hatte im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters gegen LKA-Beamte wegen des Verdachts auf Aktenmanipulation ermittelt. 

Die Verteidigung bemängelte weiterhin, dass aus ihrer Sicht nach wie vor nicht klar sei, was ihrem Mandaten eigentlich vorgeworfen wird. Mehrfach bat Wegner den Richter und den Staatsanwalt am heutigen Freitag darum, zu erklären, wann welche Daten von wem, wie und wo entwendet wurden. Der Verteidiger wies darauf hin, dass in Bellartz‘ sichergestellten PCs und Handys niemals geheime BMG-Papiere gefunden wurden, auch eine Übergabe sei nirgendwo dokumentiert. Auch den Verdacht, dass mutmaßlich aus dem BMG entwendete Daten die Grundlage für Artikel auf Apotheke Adhoc waren, will die Verteidigung nicht zulassen. Denn: Woraus soll sich ergeben, dass journalistische Beiträge nicht aus journalistischen Tätigkeiten entstammen, sondern aus Daten, die aus dem BMG entwendet wurden?“ Ohnehin seien von 40 Fällen 38 gestrichen, nur noch in zwei Fällen werde überhaupt weiterverhandelt. Wegners Schlussfolgerung: „Seit Wochen und Monaten verhandeln wir hier ein gegenständliches Nichts.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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