Großbritannien

Boots-Apotheke wegen Nowitschok-Anschlag geschlossen

Berlin - 26.07.2018, 14:15 Uhr

Im südenglischen Amesbury untersuchen Spezialkräfte der Polizei derzeit die Räume einer Boots-Apotheke, um herauszufinden, wie sich zwei britische Staatsbürger mit dem Nervengift Nowitschok vergiften konnten. (m / Foto: dpa)

Im südenglischen Amesbury untersuchen Spezialkräfte der Polizei derzeit die Räume einer Boots-Apotheke, um herauszufinden, wie sich zwei britische Staatsbürger mit dem Nervengift Nowitschok vergiften konnten. (m / Foto: dpa)


Im südenglischen Ort Amesbury musste eine Boots-Apotheke schließen. Die Polizei und Spezialkräfte führen in der Apotheke derzeit Ermittlungen durch, die in Zusammenhang stehen mit der Vergiftung zweier britischer Staatsbürger mit dem Nervengift Nowitschok. Die beiden hatten eine mit dem Gift gefüllte Sprühflasche offenbar für ein Parfum gehalten. Ob das Pärchen das Gift in der Apotheke aufgefunden hat, ist allerdings noch völlig unklar.

Die britische Kriminalpolizei ermittelt derzeit auf Hochtouren in dem Fall, bei dem zwei britische Staatsbürger im südenglischen Amesbury mit dem Nervengift Nowitschok in Kontakt kamen und vergiftet wurden. Der 45-jährige Mann und seine ein Jahr jüngere Partnerin hatten sich am Samstag, den 30. Juni plötzlich sehr krank gefühlt. Im Abstand von ein paar Stunden waren zunächst die Frau und dann der Mann in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Frau ist inzwischen an den Folgen der Vergiftung gestorben.

Laut Scotland Yard arbeiten derzeit mehr als 100 Polizisten daran, die Stunden vor der Vergiftung der beiden Betroffenen zu rekonstruieren. Man habe mehr als 1300 Stunden Videomaterial aus den Überwachungskameras auszuwerten, heißt es in einer Mitteilung. Fest steht bislang, dass die Frau am 30. Juni vormittags ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Noch am selben Tag besuchte der Mann eine Boots-Apotheke im Ort, um ein Rezept einzulösen. Nach dem Apothekenbesuch ging es auch ihm plötzlich schlecht, sodass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Schon im März 2018 wurden der in Großbritannien im Exil lebende ehemalige russische Geheimdienstler Sergei Skripal und seine Tochter Yulia bewusstlos auf einer Parkbank in der unweit von Amesbury gelegenen Stadt Salisbury entdeckt. Auch die Skripals wurden mit Nowitschok vergiftet. Wenige Tage nach dem Vorfall  identifizierten die britischen Behörden das verwendete Gift als eine Verbindung aus der Nowitschok-Reihe. Diese Nervenkampfstoffe entstammen einem geheimen Chemiewaffenprogramm in der Sowjetunion, das in den 1980er- und 90er-Jahren  betrieben wurde. Die Gifte gehören zu den Organophosphaten (Phosphorsäure­ester), die das Enzym Acetylcholinesterase hemmen.

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Laut Polizei wurden in Amesbury und dem benachbarten Salisbury aus Sicherheitsgründen ganze Straßenzüge abgesperrt. Betroffen seien alle Gegenden, in denen sich das Pärchen aufhielt. Am 4. Juli, also mehrere Tage nach der Kontamination, wurde dann schließlich die Boots-Apotheke in Amesbury von der Polizei geräumt und anschließend geschlossen. Eine Sprecherin des Walgreens Boots Alliance-Konzerns erklärte: „Wir können bestätigen, dass die Apotheke in Amesbury geschlossen bleibt. Das ist eine präventive Maßnahme, die zum Standard-Ermittlungsprotokoll gehört und nach einer Bitte der Polizei so durchgeführt wurde. Das Geschäft schloss am 4. Juli und das ist eine gewöhnliche Praxis für Orte, an denen sich die Patienten an diesem Tag aufgehalten haben könnten.“

Boots weitet Öffnungszeiten der zweiten Apotheke in Amesbury aus

Welche Rolle die Apothekenräume beim Fund oder der Kontamination mit dem Gift spielten, ist derzeit noch völlig unklar. Weder die WBA-Sprecherin noch die britische Polizei wollte sich dazu äußern. Mehrere britische Medien berichten am heutigen Donnerstag allerdings, dass sich die Ermittlungen nun auf die geschlossene Boots-Apotheke konzentrieren.

Am Vormittag seien spezielle Einsatzkräfte in das Geschäft gegangen, um die Räume zu untersuchen und weiteres Videomaterial zu gewinnen. Am gestrigen Mittwoch hat der betroffene Mann erstmals nach seiner Vergiftung ein Statement gegenüber den Medien abgegeben. Er sagte, dass er und seine Partnerin ein kleines Fläschchen gefunden hätten und es für Parfum hielten. Die Frau habe sich die Flüssigkeit auf die Hände gesprüht, um daran zu riechen. Aber auch aus diesen Statements ging nicht hervor, ob das in der Apotheke passierte.

Die Arzneimittelversorgung in dem 10.000-Einwohner-Städtchen kommt nach der Schließung allerdings nicht komplett zum Erliegen. Denn es gibt in dem Ort noch eine zweite Apotheke, die ebenfalls von Walgreens Alliance Boots betrieben wird. Der Konzern hat inzwischen mitgeteilt, dass die Öffnungszeiten dieses zweiten Standortes ausgeweitet wurden, so ist die Apotheke nun auch beispielsweise sonntags geöffnet.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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