Abschaffen oder beibehalten?

Lunapharm-Skandal entfacht Konflikt um Reimportquote neu

Berlin - 25.07.2018, 16:35 Uhr

Weg mit der Quote? Während die AOK Baden-Württemberg und der DAV die Abschaffung der Reimportquote verlangen, will der Verband der Arzneimittelimporteure alles beim Alten belassen. (Foto: VAD)

Weg mit der Quote? Während die AOK Baden-Württemberg und der DAV die Abschaffung der Reimportquote verlangen, will der Verband der Arzneimittelimporteure alles beim Alten belassen. (Foto: VAD)


Der Skandal rund um die vermeintlich gestohlenen Krebsarzneimittel aus Griechenland hat den Streit um die Reimportquote erneut angeheizt. Wie schon seit Jahren fordern die Apotheker und die AOK Baden-Württemberg in seltener Eintracht und deutlichen Worten die Abschaffung der 5-Prozent-Quote. Auf der anderen Seite stehen die Reimporteure, die insbesondere DAV-Chef Fritz Becker attackieren und ihm „Trumpsches“ Argumentieren vorwerfen.

Es gibt wohl keinen Streit in der Arzneimittelpolitik, der sich schon seit so vielen Jahren hinzieht und immer mal wieder aufflammt wie der um die Zukunft der Reimportquote. Zur Erinnerung: Nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung sind alle Apotheken in Deutschland verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihres Fertigarzneimittelumsatzes mit Importen zu bestreiten. Für die Quote zählen nur Importe, die entweder 15 Prozent oder 15 Euro billiger als das heimische Originalpräparat sind.

Der Skandal rund um die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente, die hierzulande über den Händler Lunapharm vertrieben wurden, hat diese Debatte wieder entfacht. Schon am gestrigen Dienstag meldete sich DAV-Chef Fritz Becker in einer Mitteilung zu Wort und forderte die Abschaffung der Quote. Aus Sicht der Apotheker schafft die Quote unnötig viel Bürokratie und führt zu Einsparungen, die – im Vergleich zum Aufwand – mit 120 Millionen Euro recht gering seien. Becker sieht auch Sicherheitsrisiken, die mit der Quote verbunden sind. So sagte der DAV-Chef: „Leider sind Chargenrückrufe bei Importarzneimitteln keine Einzelfälle. Lange und grenzüberschreitende Lieferketten erhöhen das Risiko für das Einschleusen von gestohlenen und gefälschten Medikamenten.“

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Während Becker und Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK-Baden-Württemberg, in Sachen Arzneimittelpolitik eigentlich nie einer Meinung sind, stimmen sie in dieser Sache überein: Gegenüber DAZ.online erklärte AOK-Chef Hermann am heutigen Mittwoch erneut, dass er die Abschaffung der Reimportquote vehement einfordere. Laut Hermann ist es beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass es in anderen europäischen Ländern aufgrund der Quote zu Lieferengpässen bei wichtigen Arzneimitteln kommt. „Die gesetzlichen Krankenkassen versorgen in Deutschland rund 72 Millionen Menschen. Wird deren Arzneimittelbedarf auch durch Importe aus anderen EU-Ländern gedeckt, liegt nahe, dass dies zulasten der Versorgung der Menschen in anderen Ländern mit niedrigeren Arzneimittelpreisen geht“, so der Kassenchef.

Auch was die Arzneimittelsicherheit betrifft, gibt Hermann dem Apotheker Becker Recht. Auf die Frage, ob durch die Quote ein Risiko bestehe, dass gefälschte, gestohlene oder falsch umgepackte Medikamente nach Deutschland gelangen, verweist der Kassenchef auf den Lunapharm-Skandal und sagt: „Insofern ist es durchaus denkbar, dass auch die Importquote ein Einfallstor für gefälschte Arzneimittel ist.“ Was die Einsparquoten betrifft, relativiert Hermann die Bedeutung der Reimportquote. Seine AOK habe im vergangenen Jahr „ganze 7 Millionen Euro weniger für Arzneimittel ausgegeben“, während man durch die Rabattverträge fast 230 Millionen Euro eingespart habe.

AOK-Chef Dr. Christopher Hermann (Foto: Imago)

Insgesamt lässt Hermann kein gutes Haar an der Importregelung: „Bürokratiemonster aus der planwirtschaftlichen Steinzeit der Arzneimittelausgabensteuerung in der GKV müssen im 21. Jahrhundert endgültig ausgemustert werden.“ Zum Zeitpunkt ihrer Einführung habe es keinen Wettbewerb bei den Arzneimittelpreisen gegeben, jetzt gebe es die Rabattverträge, deswegen gehöre die Quote abgeschafft. In Richtung Apotheker signalisiert Hermann nochmals deutlich, welche Vorteile eine Streichung für sie hätte: „Sie müssen zunächst prüfen, ob ein Importarzneimittel, das die Anforderungen der Quote erfüllt, überhaupt verfügbar ist. Andernfalls muss die Apotheke dies auf dem Rezept kenntlich machen, um keinen Malus zu riskieren. Zudem muss die Importquote für jede einzelne Krankenkasse erfüllt werden. Im Sinne der Versorgungsqualität sollten die Apotheker diese Zeit viel eher in die Beratung der Patientinnen und Patienten investieren können.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

reimport

von Renate Mitterhofer am 06.08.2018 um 14:55 Uhr

Wohin das Thema Report führt hat man jetzt wieder mit dem Medikament Valsartan erfahren müssen .Da wird ein wichtiger Blutdrucksenker in China.Produziert und stellt sich heraus das er mit Krebs erregenden Stoffen hergestellt wurde.Die Folgekosten einer Krebs Behandlung sind um das vielfache teurer als den Patienten das Original Diovan zu verschreiben.Dann müsste man halt bei den teuren Medikamenten die Zuzahlung etwas anheben.

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Lunapharm

von Gunter Kowalski am 26.07.2018 um 11:44 Uhr

Grosses Geschrei. Der angebliche Skandal in Brandeburg beruht auf einer Intrige eines Hersteller-Importeurs in Griechenland. Durch einen anonymen Brief dieses Reimporthassers wurde 2016 ein Ermittlungsverfahren ausgelöst, das wegen des widersprüchlichen und teils falschen Inhalts in G nur wenig Interesse fand. Es gibt auch dort bis heute keine Diebstahlsanzeigen oder Meldungen über Fehlbestände. durch die Brandenburger Ermittungen der so gescholtenen Beamten wurde die Versandapotheke bekannt. sie war in dem Brief nicht benannt. Aber erst ein Jahr später begann die Polizei mit den Beobachtungen, weil nämlich inzwischen ein griesiger Gesundheitsskandal die Regierung bedrohte. Der Novartis-Korruptionsskandal. MAn brauchte Sündenböcke und so wurde aus der Konkurrentenintrige die Geschichte von den Deutschen, die die armen Griechen beklauen. Beweis gibt es nicht, wie selbst Kontraste indirekt zugeben muss. Aber so, wie die Griechen ihre Waldbrände den jährlichen "Grundstücksspekulanten" in die Schuhe schieben, so funktioniert das auch hier. Alles andere funktioniert auch, wie der Presserummel von dummen Klamaukjournalisten, die Feigheit von Gesundheitsministern, Sündenböcke und Aktionismus und zuletzt der Angriff auf die Reimportquote.

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Importquoten, was nun?

von Heiko Barz am 26.07.2018 um 11:19 Uhr

Importquote war ein Schlachtfeld mit hohem Einsparpotential. Danach das zweite „Standbein“ : die Industrierabattverträge mit der in Geiselhaft genommenen Apothekerschaft, die mit unbezahlter Zusatzarbeit all die wahnsinnigen Einsparungen, die sich die Herren aus den KKassenführungsetagen auf ihre Fahnen des Erfolges schrieben, mit ständiger Retax-und Existenzangst ausführen mussten.
Importe, danach die Industrie-Rabattverträge und was kommt dann? Erst verschwinden die Importe, dann die Industrie-Rabattverträge und der ultimative KKassenspareffekt ist dann die kostenfreie Apothekerleistung bei VerschreibungsArzneien mit dem Argument, dass die Apotheker ja genug an den OTC Waren verdienen könnten, denn die dort Kaufenden wären ja fast ausschließlich KKassenmitglieder.
Noch Satire? Es gibt Politikeraussagen, die diesen Weg schon angedacht und angelegt haben, zumindest bei N-N Dienst sollten wir ja schon mal höhere VKs einplanen. Wie fürsorglich doch die hochdotierten Hermanns und Co mit unserem akademischen Berufsstand umgehen. Wenn dieselben Leute in dieser Weise die Ärzteschaft angingen, dann würden die KVen nicht nur Einwände zeigen.

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Meinungsumfrage

von Ulrich Ströh am 25.07.2018 um 17:54 Uhr

Der DAV hat sich zur Reimportproblematik aktuell geäußert.
Die Importeure ebenso.
Welchen Standpunkt vertreten die großen Kooperationen wie Gesund Leben oder MVDA ?

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seltene Einigkeit

von Jörg Geller am 25.07.2018 um 17:01 Uhr

Hermann scheint vergessen zu haben, dass der DAV und die Krankenkassen die Importquote und die damit verbundenen Regelungen geschaffen haben. Jede Komplexität dieser Regelung ist nur von Herrn Becker und auch Herrn Hermann zu vertreten. Man wollte Einsparungen in einem Bereich patentgeschützter Arzneimittel realisieren. Das ist gelungen und gelingt weiter. Rabattverträge realisieren völlig intransparente Einsparungen vor allem im Markt patentfreier Arzneimittel. Wenn es zu Rabattangeboten im Markt patentgeschützter Arzneimittel kommt, dann nur weil Importe als Wettbewerb zur Verfügung stehen. Es ist schon etwas verwunderlich, dass gerade Hermann Lieferengpässe im Ausland bedauert aber mit unausgewogenen Rabattverträgen Versorgungsengpässe und abnehmenden Wettbewerb in Deutschland verursacht. Im Bereich der Impfstoffe mußte die Politik gegen das Kasseninteresse eingreifen, um Versorgungssicherheit wieder herzustellen.

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