Begriffsbestimmung

Wann gilt ein Arzneimittel als gefälscht?

Stuttgart - 23.07.2018, 07:00 Uhr

Viagra ist bei Arzneimittelfälschern ein beliebtes Objekt. (s / Foto: imago)

Viagra ist bei Arzneimittelfälschern ein beliebtes Objekt. (s / Foto: imago)


Regelmäßig vermeldet der Zoll die Beschlagnahme gefälschter Arzneimittel. Es handelt sich dabei meist um Schlankheits- oder Potenzmittel, die alles andere, aber selten den deklarierten Wirkstoff in der angegebenen Menge enthalten. Aber auch im Zusammenhang mit gestohlener und illegal in den Vertrieb gebrachter Originalware wird der Begriff „gefälschte Arzneimittel“ verwendet. Das wird wirft die Frage auf: Wann gilt ein Arzneimittel eigentlich als gefälscht?

Ein Arzneimittel, auf dem beispielsweise Viagra draufsteht, das aber nicht von Pfizer, sondern aus einer illegalen Produktion stammt und zudem nicht, nicht nur oder nicht die angegebene Menge Sildenafil enthält – das ist nach landläufiger Meinung gefälscht. Solche Arzneimittel finden sich aber höchst selten in der legalen Lieferkette, sondern werden eher über ausländische, nicht genehmigte „Internetapotheken“ vertrieben. 

Doch auch im Zusammenhang mit den Arzneimitteldiebstählen vor einiger Zeit in Italien war von gefälschten Arzneimitteln die Rede. Das waren aber keine Nachahmer aus illegalen Giftküchen, sondern Originalpräparate, die entwendet und über Zwischenhändler, zum Teil nach Manipulation, wieder in die legale Lieferkette eingeschleust worden waren.   

Auch Fälschungen des Hepatitis-C-Mittels Harvoni beschäftigten die Behörden. Hier stellte sich heraus, dass es sich um Tabletten handelte, die für den nicht-europäischen Markt hergestellt und von Gilead günstiger verkauft worden waren. Ein niederländischer Pharmahändler soll sie bei einem Kollegen aus Portugal eingekauft haben. Obwohl beide Händler nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums nicht im Besitz einer Großhandelserlaubnis waren, bezog ein deutscher Großhändler die Präparate von dort. Und so kamen die Fälschungen in den deutschen Markt.

Der Fall Omeprazol Ratiopharm

Ein weiterer Fall von gefälschten Arzneimitteln machte 2013 von sich reden: „Gefälschtes Omeprazol“ von Ratiopharm war über Großhändler in Apotheken gelangt. Allerdings waren die Fälschungen „von mit dem Original vergleichbarer und sehr guter industrieller Qualität“, hieß es damals seitens Ratiopharm. Das Problem war: Die Kapseln stammten gar nicht von Ratiopharm. Sie waren als lose Bulk-Ware von einem Lohnhersteller, der für verschiedene Generikahersteller produziert, an einen weiteren Betrieb geliefert worden. Dort wurden die Kapseln in nachgemachte, entsprechend etikettierte Kunststoffbehältnisse und Umkartons verpackt und mit gefälschten Beipackzetteln versehen. Anschließend gelangten sie als „Omeprazol-ratiopharm NT magensaftresistente Hartkapseln“ über den Großhandel in die Apotheken. Fehler im Beipackzettel erweckten den Fälschungsverdacht – sie waren in einer Apotheke aufgefallen. 

Die drei letzten Beispiele zeigen: Der Begriff „Fälschung“ ist im Zusammenhang mit Arzneimitteln nicht gleichzusetzen mit dem, was man allgemein unter einer Fälschung versteht, nämlich einer mehr oder minder schlechten Kopie des Originals wie bei einem gefälschten Geldschein oder einem Kunstwerk. Bei Arzneimitteln geht es darüber hinaus. Aber in welchen Fällen gilt ein Arzneimittel eigentlich als gefälscht?



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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